Donnerstag, 4. Oktober 2007

das inkarnatorische defizit

O Gott, du hörst meine Worte und siehst meinen Aufenthalt. Du kennst meine geheimen und meine offenbaren Werke, und nichts von meinem Leben bleibt dir verborgen. Ich bin elend und arm, ich rufe zu dir um Hilfe und Beistand, in Furcht und Ängstlichkeit, und ich bekenne und gestehe meine Schuld, Ich bitte dich, wie ein Elender bittet.
So betet ein moslemischer Wallfahrer in Mekka oder in Damaskus. Der Betende weiß, wer er vor Gott ist, und er weiß um die Unordnung seines Lebens und bittet Gott, es in Ordnung zu bringen. Was ihn aufrichten wird, ist die Größe und Barmherzigkeit des Gottes, zu dem er betet. Die Ungerechtigkeit der Welt kann Gott gerecht machen. Der Betende hat Gotteserkenntnis und Menschenkenntnis. Das ist viel.
Aber ein Christ weiß mehr. Dass Gott den Menschen schafft, dass er ihn liebt, dass er sich seiner treu und barmherzig annimmt. Dass er um des Menschen innere Widerbortigkeit weiß und um seine Zerfahrenheit, der sich nicht zusammennehmen kann und ganz Liebe sein, ganz Liebender werden. Und wird selbst ein Mensch. In einer zerfahrenen Welt selbst Mensch, inmitten Dummheit, Borniertheit und Schwachheit ein ganz und gar Liebender in voller Stärke, an ihrer Schwäche selbst leidend, Leiden kein Einwand, an ihr zu Grunde gehend, zum Grund. Gott hat sich entäußert, seine Gottheit losgelassen, doch Gott kann, auch wenn er nicht mehr in seiner Sphäre ist, ganz er selbst sein.
Und Menschen folgten ihm. Zögernd und eifrig wie Petrus, liebend und kühn denkend wie Johannes, energisch und scharfsinnig wie Paulus. An Jesus Christus, dem Prediger und Heiler, haben sie Gott erkannt. Und durch ihre Verbindung mit ihm sind sie stark geworden, die selbst voller Schwächen waren, sie alle. Und nun geht der Glaube über das moslemische Gebet hinaus: Auch gerecht geworden. Gerechtfertigt, sagt Paulus, durch den Glauben an ihn. Aber dieses Glauben hat existenzielle Qualität. An etwas Höheres glaube ich schon, sagten Erwachsene den sie interviewenden Jugendlichen und meinten, sie könnten sich die Existenz von etwas Fremden, Lichtvollen irgendwo und auf irgendeine Weise vorstellen – es könnte ja sein, was weiß man. Aber christlicher Glaube ist das existenzielle Bezogensein des ganzen Lebens auf Gott, genauso konkret und folgenreich, wie dieser Gott selbst Mensch wird. Mit diesem Menschgewordenen rechnend, sodaß sich einer, dessen Mitte Christus ist, auch weit hinauslehnen kann, der Schwerpunkt holt ihn wieder zurück (so wie Gott sich hinausgelehnt hat). Wenn Christus auf die Unmittelbarkeit Gottes verzichten kann und ihm in Menschenfleisch gegenübertritt, so sieht Dorothee Sölle eine neue Möglichkeit des Glaubens geöffnet, atheistisch an Gott zu glauben. Aber der Schwerpunkt muß bestimmen, wie weit sich einer hinauslehnen kann! Der Glaube an Christus macht gerecht, sagt Paulus, die Kirche ist das Sakrament Gottes, sagt das Zweite Vatikanische Konzil. Wie kann es sein, dass alle meine Taufgesprächspartner noch nie etwas von der Inkarnation gehört haben, von der Geschichtlichkeit und Endlichkeit des unendlichen und ewigen Gottes? Und dass sie diesen Jesus nur aus Geschichten ihrer Volksschulzeit kennen, die sie nicht glauben?
Vor unserer Kirche steht seit einigen Monaten eine große Holzskulptur. Ein nackter Christus, der sich aufbäumt wie ein Segel, hängt auf einem Pfahl, der aussieht wie ein Schiffsmast. Schmerz und Energie liegt darin, und Passanten sind sehr betroffen. So konkret haben sie sich Jesus nicht vorgestellt.

wie anfangen

Nun will ich der Werke Gottes gedenken; was ich gesehen habe, will ich erzählen: Durch Gottes Wort entstanden seine Werke; seine Lehre ist ein Ausfluß seiner Liebe." So hebt Jesus Sirach sein Gotteslob an (Sir 42,15), zuerst also schaut er, schaut sich um, erzählt, was er sieht. Der Blick geht in die Natur, mit der sich der Mensch verbunden fühlt, Sonne, Meerestiefen, Mond, Wolken, Himmel, Vögel, Donner, Winde, Berge, Schnee, Quellen, Teich, Hitze, Tau, Meer, Ungeheuer des Meeres erblickt Sirach im Jahreswechsel und zählt sie auf.
Der Gang in die Berge ist vielen Kärntnern ein Anfang zur Gottesbegegnung, meist Männer, allein unterwegs, sprachlos vor der Gewalt und Majestät der Berge, Herausforderung, aufzubrechen und sich zu stellen. Mit Sport beantworten sie den Ruf, nicht mit Sprache. Die alltägliche Sprache würde auch nicht hinreichen, um das auszudrücken, was ihnen widerfährt in der Fremdheit der Natur, die ihnen vertraut wird, in ihrer Widerständigkeit, die sie bezwingen, in ihrer Abweisung, die sie beantworten mit fester Kleidung, Karte und Kondition. Was sie erfahren, wenn sie die Gipfel überschritten haben, mit neuen Ausblicken auf neue Fernen, mit ihrem Eintauchen in neu sich öffnende geheime Landschaften jenseits der belebten Täler. Wenn sie erfaßt werden von jener Stille hinter Bergen, die sie selbst in sich tragen, sprachlose Männer von Uranfängen her.
Immerhin wäre das ein Anfang. Was er aber freigibt, der Naturblick, ist das Innere, das innen Korrespondierende: Der Größe und Gewalt der Natur entspricht der hartnäckige Geist des Menschen, der sich an ihr mißt und ihr entgegenwächst mit seinem Leib. An seinen Grenzen entlang wird der kleine Mensch größer, wenn er sich überwindet auf das Größere hin. Wenn so Religion anfängt. An Größe sich messen, beim Wandern, beim Sport, an großen Aufgaben im Beruf, an großen menschlichen Herausforderungen in Begegnungen. Als Anpackender und Zugreifender man selbst werden und so erfahren: es geht. Es geht gut, es gelingt, es ist möglich. Berge gewähren ihre Ersteigung, Aufgaben gewähren ihre Bewältigung. Erfolgreich wächst der Geist. Ein Mann, an dessen Hand der starke Vater stirbt, und der daran groß werden muß. Eine junge Frau, aus der neues, eigenständiges Leben gekommen ist. Eine Frau, in deren Haus ein toter Mensch gelegen ist. Menschen, die in ein fremdes biblisches Land gereist sind ohne die Sicherheit von Hotelbuchungen. Jugendliche, die mit Kamera und Mikrophon Erwachsene nach ihrem Glauben gefragt haben und sich an deren Antworten abarbeiten. Die Kinder, die sich auf die Eucharistie vorbereiten, werden Steine sammeln gehen, sie werden Pflanzen großziehen, Tiere beobachten und streicheln, sie werden Menschen verschiedenen Alters begegnen, Säuglingen und alten Menschen, und auch sich selbst, ihren Talenten und Größen, ihren Schwächen, als einzelne und als Gemeinschaft. Und wenn sich jedes einzelne Kind im Hallenbad im Wasser ausstreckt, kann es spüren, wie es getragen wird, vom Wasser, von den Erwachsenen, und von Gott.

Aber nun muß Sprache kommen. Zur Freude muß einmal Sprache kommen, Sirach zählt auf – staunend, die Männer zählen auf stolz, die Gläubigen dankbar. Und wer Gott kennt, der preist ihn, so Sirach, so der Psalmist. In die Worte von Ps 139 stimmten Pfarrgemeinderäte ein, Verse von Ps 104 lernen und beten Erstkommunionkinder, Ps 8 betet die Sonntagsgemeinde, wenn Kinder dazugekommen sind. Schöpfungserfahrung braucht Sprache, um Gott auszudrücken und anzusprechen. „Wie würden Sie Gott nennen?“, haben Jugendliche ratlose Erwachsene gefragt, die mit Gott noch nicht gesprochen haben.

öffentlichkeit kritisch

Warum nur reden und klagen über einen reduzierten Öffentlichkeitsbegriff? Warum sich abfinden mit einem System, gegen das anzukämpfen ohnehin sinnlos erscheint? Nun, wir Christen sind nicht nur für uns selbst da, sondern auch für die Heilung der Welt, und dazu müssen wir uns der Gesellschaft und ihrer Eigenheiten bewußt werden und sie mitgestalten.
In diesem Sinne steht der Oktober in Villach Völkendorf zum dritten Mal unter einem Thema. In der Sonntagsmesse wurden bisher Themen aufgegriffen wie „Jugend und ihre Werte“, „Kritischer Konsument“ und zuletzt „Frau in Kirche“. Redner/innen traten während der Messe ans Rednerpult und entwickelten ihre Gedanken vor der Sonntagsgermeinde. Es geht um Konfrontation der Sonntagsgemeinde mit Sachthemen, um das Ingangsetzen von Auseinandersetzung und Diskussion – also um das, was ich diskursive Öffentlichkeit nenne. Der Monat Oktober gilt als Marienmonat, und das Loblied der Maria, das Magnifikat, gibt eine sehr kritische Position zur Gesellschaft vor.


Meine Thesen:

• Massenmedien erzeugen eine Quasi-Öffentlichkeit ohne Versammlung von Menschen. Information, Austausch und Meinungsbildung werden durch sie simuliert.
• Politik reduziert ihre gesellschaftlichen Steuerimpulse und beteiligt sich an der Kommerzialisierung von Öffentlichkeit. Stadtzentren werden nicht bewohnt, sondern bespielt – Wohngegenden sind isolierte Lagen am Stadtrand. Einkaufszentren verdrängen die Nahversorgung. Junge Wohngebiete haben kaum Zentren und kommunale Räume.
• Kultur bietet eher Unterhaltung als Auseinandersetzung. Fragen der Inszenierung überbieten inhaltliche Thesen, statt um gesellschaftliche Erneuerung geht es um Wiederholungen und Sager.
• Ich vermisse eine diskursive Öffentlichkeit: Gespräch, Argument, Themen statt Privatinteressen und Konsumwelten.
• Ich sehe große gesellschaftliche Kräfte wie Schule, Kunst und Kirche in ihrem Bedarf an diskursiver Öffentlichkeit weitgehend sich selbst überlassen.
• Von der Politik gewünschte Öffentlichkeit scheint hauptsächlich konsumistisch und reaktiv zu sein. Kritische und innovative Kunst ist nur Minderheitenprogramm.
• Es gibt kaum öffentliche Orte für Diskussion, Austausch und Auseinandersetzung mit Sachthemen und gesellschaftlichen Fragen außer Gasthäusern.
• Massenmedien nutzen ihren starken meinungsbildenden Einfluß hauptsächlich zur Wiederholung und Verstärkung gesellschaftlicher Trends, selten setzen sie selbst innovative und bewußt gesellschaftsformende Themen und Impulse.



Vortragende und Termine 2004:

Politik u.Öffentlichkeit:
Helmut Manzenreiter,
Bürgermeister der Stadt Villach
10. Oktober


Medien und Öffentlichkei:
Adolf Winkler,
Chefredaktion der Kleinen Zeitung
17. Oktober


Kunst u.Öffentlichkei:
Bruno Strobl,
Komponist und Musikerzieher
24. Oktober


Kirche und Öffentlichkeit:
Karl-Heinz Kronawetter,
Kunst- und Internetbeauftragter der Diözese Gurk-Klagenfurt
31. Oktober


Ablauf:

Der Vortragende ist eingeladen, die Messe um 10 Uhr mitzufeiern. Nach dem Schlußsegen wird ein Rednerpult in der Kirche aufgestellt, der Vortrag beginnt. Vorgeschlagene Dauer: 10 – 20 Minuten. Anschließend Möglichkeit zu Reaktionen im Plenum. Dann wird zum Pfarrcafe eingeladen, wo an mehreren Tischen Gelegenheit zu Austausch und Gespräch ist, auch mit dem Vortragenden.
Die Gemeinde ist durch die Thesen auf die Begegnung vorbereitet, die auch allen Vortragenden übermittelt werden.

öffentlichkeit in der mediengesellschaft

Wo findet Ihrer Meinung nach Öffentlichkeit überhaupt statt? Im Fernsehen, das über Vorgänge in der Welt „draußen“ berichtet? Aber ferngesehen wird im Wohnzimmer, und Massenmedien zementieren geradezu eine Privatwelt und schaffen Öffentlichkeit ab, um sie durch ein medial konstruiertes Bild von Wirklichkeit zu ersetzen. Family-Sitcoms und Talk-Shows suggerieren eine Versammlung von Menschen, die in Wirklichkeit privat und einzeln sind. Die Masse der privaten Wirklichkeitskonsumenten sind zum stärksten wirtschaftlichen und politischen Faktor geworden, ohne sich jemals zu versammeln – vielleicht auch gerade deswegen.
Wo aber sammeln sich Menschen? Im Supermarkt und im Restaurant. Beide Male geht es um Konsum, beim abendlichen Ausgehen wenigstens nicht einzeln, aber größere Runden und ernste und engagierte Diskussionen sind eher die Ausnahme. Im Ganzen dienen unsere Dörfer und Städte eigentlich der Vermeidung von Öffentlichkeit: Häuschen mit hohem Gartenzaun, Wohnanlagen mit abgezählten Parkplätzen, wo Besucher nicht vorgesehen sind, Einkaufswege, die nicht begehbar, nur befahrbar sind, genauso wie die Schulwege. Öffentliche Verkehrsmittel werden durch Privatautos ersetzt, jeder für sich allein. Die Zentren unserer Städte mit ihren Plätzen entleeren sich, statt sich dort zu versammeln, passiert man sie, als Einkäufer, als Tourist.
Wie bilden Menschen ihre Meinung? Durch privaten Konsum von Massenmedien. Die freie moderne Massengesellschaft hat erreicht, was keine Diktatur zustande brachte: freiwillige Unterwerfung von Menschenmassen dem Diktat der Meinungen. Allerdings muß dazugesagt werden: nur äußerlich. Man glaubt es nicht wirklich, was man medial vermittelt bekommt. Denn eine Woche später steht das Gegenteil in der Zeitung, und es wird auch geglaubt, äußerlich. Es scheint sich ein neues Korrektiv gebildet zu haben: Demonstrationen für oder gegen gesellschaftliche Vorgänge haben ausgedient, Diskussionen sind anstrengend, die innere Reserve aber kostet nichts. Wir machen überall brav mit, was von Mehrheiten getragen wird, aber wir glauben es nicht und sind auch jederzeit bereit, es zu verwerfen, wenn die Mehrheit wankt.
Ich meine, daß Christen diese Vorgänge besorgt beobachten und über Alternativen nachdenken sollen. Innovative Pastoral stellt sich der Privatisierung von Öffentlichkeit entgegen und entwickelt ein korrektives Gemeindebild.
Wichtigstes Element ist die öffentliche Versammlung, die Bewußtsein und Wahrnehmung schärft und nicht selbst wiederum konsumistisch ist: Ich denke an den Sonntagsgottesdienst. Wenn Christen diese Versammlung nicht mehr zustande bringen, wird der arbeitsfreie Sonntag nicht mehr zu halten sein – ich wüßte auch nicht, wozu. Diese Versammlung braucht eine kommunikative Organisation. Wir lernen miteinander umgehen. Und wenn wir Interesse aneinander gefunden haben, wenn wir bereit geworden sind, uns auf einander einzulassen, wenn wir anfangen können, miteinander zu arbeiten aus freier Entscheidung und Überzeugung, und nicht gegen Geld und Belohnung, kurzum: wenn Öffentlichkeit eigenständig wird, dann können wir einen anderen, eigenen Kurs steuern, notfalls auch gegen die Strömung.

öffentlichkeit: ein kirchliches thema?

Wer hat gesagt, dass Christsein Privatsache ist? Jesus war eine öffentliche Person, die Propheten haben zum Volk gesprochen, und Paulus war in vielen Städten bekannt. Die beiden Grundvollzüge biblischer Öffentlichkeit sind Predigt und Brief – also jemand, der spricht/schreibt, und eine Gemeinde, die sich versammelt und hört/(vor)liest. So entsteht die Bibel, so entsteht Israel/die Kirche, so entsteht der Glaube an einen Gott. Das Medium, in dem sich all das ereignet, ist das Wort: Rede/Gegenrede, Frage/Antwort, Argument, Bekenntnis, Aufforderung, Mahnung, Kritik. Wahrscheinlich gibt es keinen sprachlosen Glauben. Niemals gibt es einen Glauben ohne öffentliches Bekenntnis. Glaube und Religion ohne Mitteilung sind überhaupt nicht vorstellbar.
Eine Öffentlichkeit, in der das Wort, näherhin das Argument im Mittelpunkt steht, nenne ich diskursive Öffentlichkeit. Sie zu bilden scheint mir die Aufgabe der pastoralen Arbeit in der Gemeinde. Gläubige Eltern müssen argumentieren, wenn ihre Kinder kritische Fragen stellen. Lehrer ringen angesichts ihrer Schüler um Worte, und Überredung wäre zu schwach, um Werte zu vermitteln, wenn sie nicht zur Einsicht kämen. In der Pfarrgemeinde kann es nicht genügen, Gebete, Gottesdienste oder Hilfsdienste zu absolvieren, wenn nicht nachgefragt würde, wozu. Bei vielen pastoralen Gesprächen mit Erwachsenen stellt sich heraus, dass sie seit Schülerzeiten nicht mehr über ihren Glauben reflektiert haben und daher einen Kinderglauben mitgeschleift haben, den sie nicht mehr glauben. Wie kommen wir nun zu dieser Reflexion? Das ist meine Schlüsselfrage.
Zuerst braucht es die Begegnung. Wir müssen zum Gespräch kommen, meist beim Taufgespräch, manchmal bei der Ehevorbereitung, vielleicht bei der Eucharistiekatechese oder Firmkatechese. Das Gespräch kann nicht allein dozierend sein – das würde keine Fragen wecken. Aber es genügt auch nicht, irgendeine Art von Religiosität festzustellen und erleichtert den Taufschein auszufüllen. Das Vordergründige wird vor dem eigentlichen Glaubensbezug zu Jesus Christus, dem menschgewordenen Gott, sichtbar – eine Spannung tut sich auf zwischen dem, was man sich zurechtgelegt hat, und dem, was Gott dem Menschen eigentlich zumutet. Diese Spannung wird manche überfordern, aber andere können neugierig werden und zu suchen beginnen.
Und dann muß ich etwas anzubieten haben. Themenabende werden wir heuer versuchen, ein Glaubensthema an einem Abend, von Musik umrahmt, mit einem Impulsreferat, mit Diskussionen. Gottesdienste, die grundsätzliche Fragen aufwerfen und Stellung nehmen, und bei denen auch Fremde willkommen sind. Gruppen, in denen Glaubensreflexion auf einem gewissen Niveau stattfindet. Und Einzelgespäche zwischen pastoral Tätigen und Fragenden und Suchenden. Das alles bereitzustellen scheint mir die wichtigste praktische Anforderung an die pastorale Arbeit.

Denken Sie, dass es die alten Propheten leichter hatten, gehört zu werden?

zehn gebote liturgischen feierns

1. Gebot: Du sollst nur eine Sache tun zur selben Zeit, nicht etwa die Hostie verzehren und gleichzeitig schon den Kelch mit Wein heben.
2. Gebot: Du sollst den Altar heilig halten und nicht als Ablagetisch für Bücher, Gottesdienstordnungen und Brillenetuies mißbrauchen. Blumenschmuck soll den Altar zur Geltung bringen, nicht der Altar das Blumengesteck.
3. Gebot: Der Mensch soll im Gottesdienst zur Ruhe kommen, nicht an Aktionismus zugrunde gehen. Ein wichtiges Wort kommt erst zur Geltung durch die Ruhe nachher.
4. Gebot: Du sollst den Christen ihre Dienste nicht vorenthalten. Die Lesung steht dem Lektor zu, die Anleitung des Gesangs dem Kantor und Chor, die Fürbitten der Gemeinde.
5. Gebot: Du sollst nicht den Glauben und die Hoffnung abtöten durch litaneiartigen Gebetsvortrag oder durch Passivität bei der Gemeindeerneuerung.
6. Gebot: Der Gemeindegesang ist ein aktualisiertes Glaubensbekenntnis. Wechselgesänge können nicht vom Priester allein gesungen werden, auch Kirchenchöre sollen zwischen vorgesungenem Vers und Gemeindeantwort unterscheiden – z.B. beim Kyrie.
7. Gebot: Du sollst liturgische Zeichen nicht einsparen. Die Gabenprozession zeigt, wie die Gemeinde ihre Welt vor den Altar bringt, der Kelch, der von Beginn an am Altar steht, zeigt die Bequemlichkeit des Zelebranten. Wenn der Priester nur die Priesterhostie konsekriert, selbst kommuniziert und dann den Speisekelch aus dem Tabernakel holt, teilt er die Messe in einen aktuellen Priesterteil und einen sekundären Gemeindeteil.
8. Gebot: Du sollst das meinen, was du sagst und tust, z.B. Christus ansprechen beim dreimaligen Lamm Gottes, oder Gott den Vater preisen beim abschließenden Lobpreis mit den erhobenen konsekrierten Gaben, oder die Gemeinde auffordern bei Erhebet die Herzen.
9. Gebot: Du sollst Frauen und Männer, Kinder, Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen ansprechen und einbinden in die Liturgiegestaltung, und du sollst keine Passivität zulassen, sondern die Wachheit der Gemeinde für Gottes Wort und für einander fördern.
10. Gebot: Du sollst dich nicht entmutigen lassen, sondern die Probleme und ihre Ursachen ergründen und mit Verantwortlichen in der Gemeinde besprechen und bearbeiten.

kinderliturgie: die populistische versuchung

Menschen sind gerührt, wenn Kinder vorne stehen, mühsam Texte lesen, Tänze vorführen oder Szenen vorspielen. In der Rührung kann Betroffenheit liegen, wenn jemand sich angesprochen fühlt. Oft aber sind Kinder nur niedlich und herzig, und ihre Tätigkeit im Gottesdienst wird nach dem Unterhaltungswert bemessen. Eltern achten darauf, ob ihr eigenes Kind genügend zur Geltung kommt, und Kinder achten darauf, ob sie von ihren Eltern auch gut gesehen werden. Das ist kein liturgischer Dienst an der Gemeinde, sondern Schaustellung.
Noch heikler ist es bei den Verantwortlichen und Gottesdienstleitern: Sie sollen öffentlich tätig sein, ohne sich selbst in Szene zu setzen. Maßgeblich ist dabei nicht, was gut ankommt oder gut aussieht, sondern was liturgisch sinnvoll ist und Menschen für Gottes Wort öffnet. So kann ein sinnbetont gesprochenes Vaterunser u.U. besser mitvollzogen werden als ein schmachtend gesungenes mit einschmeichelnder Melodie. Die Gestaltung beginnt beim Wort Gottes und führt Kinder zum Geheimnis der Eucharistie hin – nicht zu einer liturgischen Sondergestalt, die dann von den Kindern als normal erlebt wird und Erwachsenen als Vorwand für fehlendes liturgisches Verständnis dient.
Einige Beispiele: Der achtjährige Daniel konnte sehr gut spontan Situationen erfassen und sprachlich ausdrücken. So predigten wir oft gemeinsam auf den Stufen vor dem Altar. Beim Hochgebet stehen die Kinder um den Altar und beten mit erhobenen Händen, beim Vaterunser reichen wir einander die Hände, beim Friedensgruß geht der Händedruck vom Priester aus links und rechts reihum. Wenn ein Kind getauft wird, prüfen die Kinder mit der Hand das Wasser, wenn wir die Heiligen rufen, ruft jeder seinen eigenen Namenspatron.
Wir werden dieses Jahr wiederum versuchen, ein Team für Kinderliturgie zustandezubringen. Das Ziel wäre, für jede Sonntagsmesse ein Element für und mit Kindern vorzubereiten. Kinder sollen in jeder Messe angesprochen werden, und das ist nicht allein Sache des Pfarrers. Dagegen lehne ich die sogenannten Kindermessen ab. Das In-Trab-Halten von Kindern durch Aktionismus öffnet kein Geheimnis, weder den Kindern noch der restlichen Gemeinde. Hingegen wird die Erwartung gefördert, etwas geboten zu bekommen, und erfahrungsgemäß gehen viele bald nur mehr zu solchen Veranstaltungen. Ebenso wenig halte ich von der zeitweisen Exkommunikation der Kinder für eigene Wortgottesdienste in Kapelle oder Pfarrsaal. Nicht Abtrennung, sondern Integration soll dargestellt werden. Denn unsere Aufgabe ist, Kinder zur Gemeindeliturgie zu führen und ihnen dort einen Platz zu bereiten.

feiern in zeichen

Die Grundhaltung der Gemeinde in der Meßfeier ist das Stehen (AEM §21). Stehen drückt Ernst und Würde des Menschen aus und signalisiert Aufmerksamkeit: Wir sind berufen, vor dir zu stehen.
Wenn der Priester beim Einzug und beim Auszug, mit allen Ministranten, feierlich die Gemeinde umschreitet, dann ist das Ausdruck ihrer Sammlung. Ein ganz besonderes Zeichen ist, dass jeden Sonntag alle Kinder eingeladen werden, mit dem Priester beim Altar das Hochgebet mitzubeten. Sie bilden einen Halbkreis und breiten zusammen mit dem Priester ihre erhobenen Hände aus. Sie verstärken damit die Gebetshaltung des Priesters und beziehen die ganze Gemeinde ein durch diese Geste der Offenheit und Empfangsbereitschaft. Sie wissen um den Ernst des Gebetes und um ihre Dienstfunktion für die Gemeinde, die erhobenen Herzens mitvollzieht, was ihre Kinder unbeschwert und aufmerksam um den Altar tun.
Auch die Feier der Erstkommunion (ich halte diesen Namen übrigens für äußerst unglücklich, weil er mit dem Sakrament selbst identifiziert wird) ist voller sprechender Zeichen. Ich brauche beim Taufgedächtnis keine langen Bekenntnisformeln – die Bedeutung von Wort und Sprechen wird bei Kindergottesdiensten meist maßlos überschätzt! –, sondern ich bekreuzige jedes Kind mit Taufwasser beim Taufbrunnen, nenne seinen Namen und sage: Denk an deine Taufe. Ein Erwachsener entzündet die Taufkerze an der Osterkerze, das Kind geht damit still auf seinen Platz.
Die erste Kommunion spendet bei uns der Priester von seinem Priestersitz aus. Jedes Kind kommt einzeln von seiner Bank nach vorn und wird von einem Elternteil mit der Hand an der Schulter geführt. Dann öffnet es die Hand, um die Hostie zu empfangen, die der Priester behutsam und erklärend hineinlegt. Das Kind bleibt stehen, bis die Hostie gegessen ist – und geht wieder an seinen Platz.
Zum Schluß der Feier wird jedes Kind gesegnet. Die Gemeinde wird aufgefordert, für jedes Kind zu beten, und die Kinder kommen einzeln heraus, wenden sich der Gemeinde zu und schließen die Augen. Der Priester legt ihm die Hände auf und betet still oder leise für das Kind. Anschließend an die Messe haben wir übrigens jedes Jahr einen Baum gesetzt, der mit den Kindern wächst.
Solche und andere Zeichen machen die Feier ernst und lebendig, und es wird überflüssig, viel zu erklären oder mit Kindergeschichten zuzustopfen – wir brauchen nur selbst aufmerksamer werden!

zelebration und gegenwärtigkeit

Der Gottesdienstbesuch hat außerordentlich gelitten, weil selbstverständliche Bezüge aus der Tradition zunehmend wegfallen. Deshalb wäre es ganz unverzeihlich, wenn die großen Schätze liturgischer Feiern nicht gehoben würden, sondern Orationen im Singsang, Bewegungen in Beiläufigkeit oder Anreden der Gemeinde ins Buch hinein geschähen. Soetwas stumpft Zelebrant wie Gemeinde ab, statt wachzurufen und lebendig zu machen.
Einige Beobachtungen:
Dialogische Stimmigkeit nenne ich, wenn der Zelebrant bei den Worten Der Herr sei mit euch oder Der Friede sei mit euch die Gemeinde ansieht und eine öffnende Geste macht. Ebenso bei ...für euch hingegeben, und ...für euch vergossen. Im selben Sinn sehe ich aber bei Orationen oder Berichten die Gemeinde nicht an, sondern blicke ins Meßbuch oder schließe die Augen, z.B. beim Postsanktus: Ja du bist heilig, Herr... Dialogisch ist es auch, wenn die aktuell konsekrierten Hostien ausgespendet werden und nicht nur aus dem Speisekelch im Tabernakel.
Gestische Stimmigkeit nenne ich die Übereinstimmung von Wort und Geste. Bei Sende deinen Geist auf diese Gaben herab breite ich die erhobenen, gefalteten Hände über die Gaben aus, beim großen Lobpreis hebe ich die Gaben so hoch ich kann und blicke zwischen ihnen in die Höhe, damit das Lob Gottes durch ihn und mit ihm und in ihm sichtbar und hörbar mitvollzogen und verstanden werden kann. Wenn ich beim Lamm Gottes die konsekrierte, geteilte Hostie der Gemeinde zeigen will, dann bemühe ich mich, das Brotbrechen schon am Anfang des Gesanges abzuschließen, um die Anrufungen des Lammes auch wirklich zur Hostie hin vollziehen zu können. Ich muß die Geste nicht unterbrechen, wenn ich schon vorher das Formular aufgeschlagen habe und nun den Kommunionsvers zur Hostie hin sprechen kann.
Synchrone Stimmigkeit nenne ich, wenn bei den Worten ...berufen hast, vor dir zu stehen, die Gemeinde auch wirklich steht. Beim Schlußsegen habe ich mir eine dreiteilige Formel eingeprägt, die ich jeweils aktuell variieren kann, z.B: Es segne und führe und stärke euch... oder Es segne und erfülle und erleuchte euch..., wobei ich die Hände in einem großen Kreis über die Gemeinde bewege und beim Segenszeichen zu der Vater – der Sohn – und der heilige Geist ein großes Kreuz zeichne, und die Gemeinde sich genau zugleich bekreuzigt. Die Übereinstimmung von Wort und Bewegung bei Priester und Gemeinde hilft der Konzentration und Ernsthaftigkeit außerordentlich und ermöglicht, daß all das Divergierende in Menschen und zwischen Menschen zusammengeführt und Menschen zur Gegenwart geführt werden – zu ihrer eigenen und zur Gegenwart Gottes.

die prophetische gruppe

Als ich als Pastoralpraktikant, Diakon und dann als Kaplan in verschiedenen Pfarren arbeitete, zog es mich immer zu den „Freigeistern“ am Rand der Gemeinde hin: Sie waren meist selbständiger, interessierter und unangepaßter als die meisten Mitarbeiter in den zentralen Bereichen der Pfarre. Und sie hatten einen wachen Blick für die Vorgänge in Gemeinde, Kirche und Gesellschaft. Ich fand etwas Prophetisches an ihrer Art zu glauben und rief sie zusammen zu einer Gruppe.
Wir begannen damit, die Taufbeauftragung ernst zu nehmen: Du wirst gesalbt wie Jesus Christus zum Priester, König und Prophet. Leitfaden waren die Lebenszeugnisse der biblischen Propheten. Wir erkennen die oft verschlungenen Wege der Menschen mit Gott, wir sehen Menschen ganz auf eigene Faust und riskant glauben. Wir lesen meist nur kleine Auszüge und arbeiten uns daran ab: in Selbstvergleichen, in Bibliodrama, in Strukturanalysen kommen wir selbst ins Spiel. Um eine offene Auseinandersetzung zu ermöglichen, müssen natürlich anfangs die Barrieren abgebaut werden, die buchstäbliche, moralistische und autoritätsgläubige Auffassungen aufgebaut haben. Ein wenig historische Hintergrundinformation. Aber sobald der Bibeltext selbst freigelegt ist, beginnt er wunderbar lebendig zu werden und in den Menschen zu sprechen. – Wir bemerken all das Unausgesprochene zwischen Abraham und Sara, wir sehen die Widerspenstigkeit Mose vor dem Dornbusch, wir bewundern die Unbeugsamkeit des Amos. Ein ganzes Jahr lang näherten sich Propheten und Prophetinnen großen biblischen Frauengestalten. Auch prophetische Gestalten des neuen Testaments werden lebendig, ebenso Propheten der Geschichte und Gegenwart.

Und es zeigt sich, bei all den so verschiedenen Gruppen, die ich in den Pfarren kennengelernt habe: Es entsteht immer eine Dynamik, eine Gruppenidentität, es kommt zu Veränderungen der Menschen, sie werden selbstbewußter und bewußter christlich. Sie übernehmen Verantwortung für sich und in der Gemeinde. Und sie leben entschiedener.
Mit den Ferlacher Propheten erkundete ich den Hemmaberg und seine vor- und frühchristlichen Heiligtümer. Mit den Duineser Elegien Rilkes reisten wir nach Duino, Triest, Aquilea und Venedig. Mit den Ferlacher und Villacher Propheten gemeinsam untersuchten wir den Tscheltschnigkogel bei Warmbad Villach und dachten bei der Durezza Schachthöhle, wo die Kelten Opfertiere, möglicherweise sogar Menschenopfer dargebracht haben, über das christliche Opferverständnis nach. Und nun bereiste ich mit einigen Propheten Syrien, wo wir Paulus begegneten, aber auch Petrus, der Gnosis, syrischen Kirchenvätern und schließlich Mohammed. Und keiner, der zurückkam, ist, wie er vorher war!
Auch die Pfarrgemeinde profitiert. Einige neue Mitarbeiter bei den Propheten, viel neuer Geist, wache Begleitung pfarrlicher Vorgänge. Sucht nach den prophetischen Charismen!

kommunion und kommunikation

Privatisierung ist keine Entscheidung politischer Parteien, den Staatshaushalt zu sanieren. Privatisierung findet in allen Wohnzimmern statt, wo der Fernsehabend dem kulturellen Ereignis in der Stadt vorgezogen wird, wo Familienbesuche wichtiger sind als eine Pfarrgemeinderatssitzung, und wo man sich Meinungen bildet durch Zeitunglesen statt durch Diskutieren. Dass gut organisierte Ortskerne mit Kommunikationszentren, wo Menschen Gelegenheit zum Austausch hatten, durch wild wuchernde Siedlungen umschlossen werden, in denen jeder für sich selbst und seinen Garten lebt, um nach seiner eigenen Farcon selig zu werden, zementiert die Privatisierung für die nächsten Jahrzehnte.
Dagegen spricht die ganze Bibel von Volk Gottes, von Gemeinde. Die Propheten des alten Testaments erwarten den Messias, der das uneinige und zerstreute Volk sammeln soll wie der Hirt seine Herde. Die Menschen brauchen Hilfe, um ihre partikulären Einzelinteressen zu überwinden. Jesus Christus ist der Kommunikator, der die Menschen aus ihren Privatwelten, in denen sie Fischer oder Zöllner waren, herausruft und dem nahen Reich Gottes entgegenführt. Die junge Christengemeinde bildete eine Gemeinschaft – sie waren sogar ein Herz und eine Seele (Apg 2-4). Damit scheint der Auftrag an heutige Gemeinden deutlich zu sein.
Die Gemeinde versammelt sich um das Geheimnis der Gegenwart des Gottes, der sein Volk nicht im Stich läßt. Jesus Christus hat die beziehungsfeindliche Gewalt menschlicher Privatinteressen erlitten, die zum Tod führen. Die Feier seiner Auferstehung stiftet neue Gemeinschaft mit Gott sowie unter den Menschen.
In unserer Kirche steht der Gabentisch in der Mitte zwischen den Sitzreihen, und dort stehen auch die Altarkerzen. Sie zu entzünden und zum Altar zu tragen bitte ich jeweils unmittelbar vor der Messe zwei Menschen, bevorzugt solche, die noch nicht aktiv sind in der Gemeinde. Und wenn die Feier des Glaubens tatsächlich Menschen bewegt hat, dann wäre es unpassend, danach einfach schnurstracks nach Hause zu gehen. Dann wird noch nach Austausch gesucht und nach ungezwungenem Beisammensein. Wir haben deshalb ein Pfarrcafe eingeführt, das jeden Sonntag nach der Messe stattfindet. Und es hat sich bereits als Segen erwiesen! Es gibt mehrere Teams, die abwechselnd vorbereiten. Viele neue Beziehungen haben sich gebildet zwischen Mitarbeitern, die sonst nicht miteinander zu tun haben. Viele Arbeitsgespräche finden statt bei Kaffee und Kuchen. Es gibt Glaubensgespräche, besonders mit Brautpaaren, die ich in die Messe einlade. Besonders freut mich, dass es nun einen Ort gibt, zu dem auch Fremde einladen werden können, die zum ersten Mal unsere Messe besucht haben. Es wäre ein Unglück, wenn niemand sie bemerkt und angesprochen hätte!

im zentrum: taufe, eucharistie, firmung als gemeindesakramente

Boden der Gemeinde und Quelle ihrer Erneuerungskraft sind Taufe, Firmung und Eucharistie. Das ist keineswegs überall sichtbar in unserer Kirche. Somit gilt meine erste Investition diesen drei Sakramenten – hier muß alles ausgeschöpft sein: Die besten Mitarbeiter, die größte Motivation, Freude beim Feiern. Gott hat jede Gemeinde mit den nötigen Charismen ausgestattet, daher: Pflege der Dienste in der Liturgie. Ein sinnerfüllter Vortrag der Lesungstexte, dem man gerne lauscht. Das ist der erste und wichtigste Zugang zum Wort Gottes. Die Liturgietradition hat Kreativformen entwickelt: kunstvoll geschmückte Bücher, feierliche Prozessionen, festliche Gesänge. Kantoren und Kirchenchor, die die Gemeinde zum singenden Lobpreis anleiten, nicht Konzerte geben. Wiederum ein Dienst am Glaubensleben der Gemeinde. Ebenso Mesnerdiest zur Führung des Kirchenhaushalts, Ministrantendienst für eine schöne Feier, von Kindern und Erwachsenen ausgeführt, und viele andere Dienste bringen zum Ausdruck: Die Eucharistie ist Sakrament der Gemeinde, nicht die Sache des Pfarrers.
Sie wird so schön und feierlich, wie Menschen ihre besten Gaben investieren. Hier bildet sich christliche Identität, hier wächst die Gemeinde.
Das gleiche gilt für die Taufe. Wer soll sie wahrnehmen, wenn sie nur im kleinen Privatkreis gefeiert wird? Wie soll sich die Gemeinde freuen können über ihre Stärkung, wenn sie anonym und privat geschieht? Ich bemühe mich, die Tauffeier in die Öffentlichkeit des Sonntagvormittags zu holen, und nach der Predigt stehen Kinder und Angehörige um den Taufbrunnen, und beim Glaubensbekenntnis betet die ganze Gemeinde mit. Das ist ein Gemeindefest! – und doch: In der Taufe nehmen nicht wir einen Menschen in die Gemeinde auf (Rekrutierung), sondern Christus nimmt den Menschen an und verbindet sich unauflöslich mit ihm! Ich beharre auf einer christologischen Tauftheologie, von der alle Tauffamilien sagen, sie hätten sie noch nie gehört. Hier entscheidet sich, ob Kirche als lebendiger Leib Christi gesehen wird oder als fade Institution mit Mitgliedsbeitrag.
Auch im Firmsakrament wird Gemeinde sichtbar. Gerade an der Entscheidungsschwelle: Ringt sich ein Mensch dazu durch, selbstbewußt in die kirchliche Öffentlichkeit zu treten? Hat er Unterstützung von Eltern und Gemeinde? Findet er zu einer reifen Bejahung des Erlösungshandelns Christi? Ich betone die Verantwortung der ganzen Gemeinde: Was sie bereit ist, in die Zukunft und in die Glaubensentwicklung zu investieren, wird am Stil der Vorbereitung und an ihren Konsequenzen ablesbar: Das Sakrament an der Schwelle offenbart die Ambivalenz der Gemeinde. Firmung soll Gläubige und Gemeinde stärken und sammeln!

Innovative Pastoral beschuldigt weder Gesellschaft, Pfarrer noch Kirche, sondern identifiziert sich mit den Aufgaben.

was ist i.p.? ein plädoyer

Keine Minute meines Lebens habe ich die Unterscheidung zwischen konservativ und progressiv ernst genommen, obwohl die Kirche Wiens, in der ich aufgewachsen bin, gänzlich in diese zwei Lager geteilt ist. Das Begriffspaar suggeriert eine Alternative, die es im Glauben nicht gibt, und ist wahrscheinlich der Parteipolitik entlehnt. Suchte man stattdessen theologische Begriffe, käme man auf Neuevangelisierung, Lebendigkeit oder Aggiornamento, den von Papst Johannes XXIII. geprägten Leitbegriff, der dann im zweiten vatikanischen Konzil zum Ausdruck kam. Und zu diesen Vorgängen der Erneuerung der Kirche gibt es keine Alternativen, weil es für Christen bei Lebendigkeit nur eine Wahl gibt: Christus ist Licht und Leben, der Tod entmachtet.
Wozu ich in der Kirche keine Alternative sehe, soll nun innovative Pastoral genannt werden. Das ist kein Anpassungsvorgang, wie etwa Soziologen menschliches Wachstum manchmal beschreiben. Kirche ist nicht anpassungsfähig, denn was sollte da herauskommen, wollte man die Botschaft vom menschgewordenen Gott verdiesseitigen? Eher schon müßte Kirche die Welt sich anpassen, nämlich einem wahrhaft humanen Verständnis vom Menschen, seinen Sozialformen, seiner Verantwortlichkeit, seiner Freiheit, seiner Geschlechtlichkeit, seiner Bedürftigkeit.
Aber innovative Pastoral hat nichts mit Anpassung zu tun, sondern sie lebt aus dem Geist, der lebendig ist und lebendig macht. Innovative Pastoral findet und geht neue Wege. Sie löst sich von Kümmerformen des Glaubens und investiert in Zukunftsformen des Glaubens. Sie achtet darauf, was Leben und Gemeinschaft fördert. Und sie konzentriert sich auf Zeichen.
Statt Anpassung empfielt Paulus, alles zu prüfen und das Gute zu behalten. Innovative Pastoral ist somit experimentell: Vieles muß untersucht und ausprobiert werden, neue Formen von Jugendpastoral ebenso wie neue Musik im Gottesdienst. Und sie ist künstlerisch-entwickelnd: Wie ein Kunstwerk eine Gemeinde, und Freude und Lust wird es bereiten, an ihr weiterzubauen und in den Schätzen der Künste und der Phantasie neue Vorstellungen, neue Denkmöglichkeiten zu finden. Nicht nur Kunsthandwerk, sondern berauschendes Strömen des Geistes!
Und nun, Hand aufs Herz: Wieviel Prozent Ihres Engagements in der Gemeinde ist innovativ? Darf es weniger als die Hälfte sein?

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