Samstag, 5. Februar 2011

Das Tribunal. Wie sich Macht ereignet

a.
DIE ERREGUNGSPARABEL besteht aus zwei Kurven, die spiegelbildlich gegeneinander verlaufen, sich jedoch nicht treffen, sondern in ihrem Scheitelbereich einen bestimmten Raum beschreiben, den zu inszenieren nämlich ihr Zweck ist. Die untere Kurve ist diejenige der Entrüstung. Sie baut sich aus Ereignissen auf, die als Skandale erlebt werden. Dabei entsteht das Ärgernis durch den Übergang von etwas Geheimen im Privatbereich in die Öffentlichkeit. Je aprupter und unvermittelter der Übergang, desto größer die Freude über die Enthüllung. Man sieht deutlich, dass die Art des Übergangs der Gestaltung des Mediums seiner Erscheinung obliegt.
Über die Art der enthüllten Objekte gibt die zweite Kurve Auskunft. Denn die Erregung ist proportional mit der Höhe der gesellschaftlichen Anerkennung des bloßgestellten Subjekts – dessen Erniedrigung die zweite Kurve beschreibt. Der Absturz in der gesellschaftlichen Anerkennung entspricht also dem Steigen der öffentlichen Erregung. So eignet sich für eine breitenwirksame Skandalisierung schwerlich ein biederer Kleinbürger, der Steuer hinterzogen hat – da würde man sich eher noch solidarisieren – sehr wohl aber ein ehemaliger Finanzminister. Der emotionale Wert der Berichterstattung ist natürlich außerordentlich hoch, wenn es gelingt, O-Ton-Bänder zu präsentieren, sodass die Ungeniertheit und Selbstgefälligkeit den Sprecher sprichwörtlich nackt überführt. Die Nacktheit sowie die Fallhöhe waren auch beim Missbrauchsskandal die emotionale Rendite der Nachrichtenkonsumenten.
Neben der vertikalen Zuordnung der Kurvenelemente ist auch der schrittweise Aufbau der Erregung zu beachten. Niemals wird das gesamte Ereignis mit einem Schlag präsentiert, sondern immer wird zuerst ein nebensächliches, fern liegendes Faktum gezeigt, das erst aufmerksam machen soll. Dann werden, zuerst in längeren Abständen, in enger werdenden Kreisen schließlich die Ereignisse immer bedeutsamer platziert, mit immer höherem Risiko des Vorgeführten, bis zum Höhepunkt der Aufmerksamkeit, die dem Tiefpunkt seiner gesellschaftlichen Achtung entspricht.
Das Ziel der doppelten Erregungsparabel ist die Vorführung des Delinquenten in der zentralen Arena des Kolloseums. Bei den BAWAG-Bankern ist das die Gerichtsverhandlung, bei Waldheim der Bundespräsidentschaftswahlkampf, bei Bush war es der Irakkrieg, bei der Kirche die Klosterschulen. An den Vorgäöngen in der Arena kann das Publikum gewöhnlich nicht selbst teilnehmen, nur von den Rängen her beobachten und Zensuren geben. Umso wichtiger sind eindeutige Zuordnungen der Kampfparteien in Freund/Feind, sympathisch/unsympathisch oder Opfer/Täter.

b.

Weil das Tribunal im Wesen eine Vorführung ist, bemisst sich seine Bedeutung am Schauwert. Ganz oben auf der Wirkungsskala stehen Sexualität, Angst und Tod, gefolgt von Katastrophen, Terror und Krieg. Hunger, soziale Benachteiligung oder gesellschaftliches Engagement haben wenig Chance auf Schlagzeilen, da in der gesellschaftlichen Achtung niedrig Stehende nicht gestürzt werden können. Dasselbe gilt für Länder und Kontinente, die erst als Urlaubsdestinationen oder Firmenniederlassungen interessant werden. Eine Ausnahme wäre ein vermeintlicher Durchschnittsbürger, der seine oder fremde Kinder jahrelang in Kellerverliese sperrt und missbraucht, wegen der ans Licht gezerrten absonderlichen Intimität, oder ein Neurotiker, der durch Briefbombenterror die Nation in Atem halten kann und mit der Bayuwarischen Befreiungsarmee für Dramatik und Erlebnisdichte sorgt.

Die Vorführung besteht darin, das jeweilige Ereignis der Sexualität, der Lüge, des Terrors hinter einer steigenden Erwartung aufzubauen. Neben der wachsenden Empörung und dem abnehmenden Ansehen ist nämlich die Zeit der dritte Faktor des Tribunals. Ein Flugzeugabsturz in zugänglichem Gebiet löst wenig Erregung aus, sofern nicht Bekannte unter den Verunglückten sind. Ganz anders dagegen eine Flugzeugentführung, die tagelang Spannung erregt, indem nach und nach die Identität der Entführer bekannt wird, ihre Forderungen, die Lage der Geiseln, die näheren Umstände – aber dennoch immer genug Ungewissheit bleibt über die weiteren Pläne der Entführer und die Reaktionen von Regierung und Polizei. Eine Flut- oder Erdbebenkatastrophe erzeugt dann Erregung beim Betrachter, wenn sich ihre Darstellung über Tage oder Wochen hinziehen lässt, und dabei immer neue, verborgene Tatsachen ans Licht kommen, durch die sich eine Verschuldensfrage aufbauen lässt: die Regierung, die Baubehörden, der Staudamm, der Tourismus. Der emotionale Schauwert kann nicht allein in den Bildern von Leichen und Verletzten, Trümmern und Schlamm liegen, sondern es muss eine Variante der Betroffenheit des Betrachters gefunden werden, sei es durch den Urlaubsort, durch heimische Helferteams oder durch die auchb hierzulande tätige Ölfirma.

c.

Aber um es genauer einzugrenzen: Von Tribunal kann erst dann gesprochen werden, wenn eine bewusste Bildgestaltung vorliegt, eine Inszenierung öffentlicher Erregung. Und deshalb laufen die Kurven der Erregungsparabel auf eine Bühne zu. Dort wird der Endkampf stattfinden. Im besten Fall ist die Bühne eine Gerichtsverhandlung mit benannten und bebilderten Angeklagten und einem Richter, sowie einem finalen Schuldspruch. Die Bedeutung des Zeitfaktors ist dabei übrigens auch im jahrelangen Nachspiel zu beachten, wenn noch die Haftbedingungen oder spätere Einsprüche bereitwillig in der Aufmerksamkeit platziert werden. Der Vorrang der Emotion zeigt sich hier auch darin, dass sehr leicht das Feindbild kippen und plötzlich der Richter am Pranger stehen kann. Der Schauwert einer brennenden Ölbohrinsel ist nur einige Tage groß. Später muss mit Graphiken und Rettungsversuchen nachgebessert werden, und schließlich mit der Fokussierung auf den Manager des Ölkonzerns, der auf die Wucht des Blicks mit willkommenen Ungeschicklichkeiten reagiert, in denen er sich verheddert. Die abklingende Kurve wird von Gewinneinbrüchen des Konzerns gebildet, sowie allfälligen vorbeugenden Gesetzesmaßnahmen und Umfragewerten der beteiligten Politiker.
Ganz ähnlich verlief die Erregungsparabel bei der Afrikareise des Papstes. Die kolportierten Aussagen über die Verwendung von Kondomen waren kaum als Fakten zu begreifen, fielen sie doch im Flugzeug bei der Anreise und bestanden in der Abwehr der fragwürdigen Journalistenbehauptung, mit Verhütungsmitteln könne eine Epidemie geheilt werden. Eigentlich durchkreuzte diese Aussage die Inszenierung öffentlicher Erregung, weil sie bereits am Anfang fiel und sich kaum mehr steigern ließ, außer durch unablässige Wiederholung und Befragung Empörter. Mein Verdacht geht eher in die Richtung, diese Berichterstattung sollte von der mangelnden Präsenz und Kompetenz der Berichterstatter in den bereisten afrikanischen Ländern ablenken. Jedenfalls fand die Parabel weltweit Resonanz und überdeckte weitgehend die Anliegen dieser Pastoralreise, und zwar offensichtlich am meisten in Mitteleuropa, wo das Meinungsbild bereits das Faktum der Reise in den Schatten stellte.

d.

Es kann darin bereits eine kämpferische Abwehr der Kolonialismuskritik des Papstes gesehen werden, die ja gerade am Kondom festzumachen ist, diesem gerade in Europa so wenig geliebten Lusttöter, und wenn die sozialistische spanische Regierung sogleich ein paar Tonnen dieser Gummiwaren nach Afrika zu senden sich bemüßigte, so bestätigte sie gerade die mit feiner Klinge vorgetragene Kritik an der westlichen Herablassung. Die Erregungsparabel war also diesmal eine gesuchte Aktion, um dem Kirchenoberhaupt in die Parade zu fahren und seine sorgfältig aufgebaute Kritik des kapitalistischen Menschenbildes nachhaltig zum Verstummen zu bringen. Und so hat man stattdessen Afrika gänzlich ungestört ins Bild setzen können bei der Fußballweltmeisterschaft, als Geographie und Natur, Despoten und Kriminalität vorgeführt wurden und zuletzt in herablassende Belehrungen umgemünzt wurden. So ließ sich einmal mehr die westliche Projektion des Exotischen in Szene setzen, wie das auch gerade bei der Berichterstattung der politischen Umbrüche in Nordafrika versucht wird, ohne dass es so recht zu gelingen scheint.
Allerdings folgen auch die Geschehnisse in Tunis und Kairo genau der Erregungsparabel, indem die Raumvektoren sehr bald den Schuldigen sowie den Schauplatz definieren, auf dem er vorgeführt wird. Im Hintergrund werden weitere Tribunale in Damaskus, Amman und Sana vorbereitet, sowie zaghaft auch in Jerusalem. Wiederum hat sich der Westen die Position des Zuschauers auf der Bühne reserviert, während in der Arena die arabischen Despoten erscheinen. Nebenbei bemerkt, machen jene genau dasselbe mit der westlichen Politik, vielleicht etwas ungeschönter, wenn Gaddafi die Lockerbie-Attentäter mit einem Staatsempfang ehrt und die Schmiergeldzahlungen von BP auf allen arabischen Sendern zu sehen sind. Schon Khomeini hat die amerikanischen Geiseln benützt, und Carter schenkte ihm noch einen gescheiterten Befreiungsversuch. Wir erinnern uns auch an die gescheiterten Geiselbefreiungen im Libanon und im Gazastreifen, als jeweils die israelische Armee vorgeführt wurde. Man könnte die Eskalationskunst in der arabischen Mentalität viel mehr beheimatet sehen als in der westlichen.

Man sollte vorsichtig sein, die wie immer medial dargestellte Sachlage als allein von den Fakten geschaffen anzusehen. Was sind die Fakten bei einem Volksaufstand in Kairo? Die Sprüche auf den Transparenten? Das, was eine handvoll Befragter ins Mikrophon sagt?
Die Befindlichkeit der Journalisten oder der Touristen? Oder die Zahl der Toten und Verletzten, die sonderbarer Weise nicht nachgeprüft wird? Oder der Sachschaden durch Plünderungen. Eine Revolution ist ein selten deutliches Beispiel für den Überhang von Meinung über das Faktische, weil es ja um Meinungsbildung der Masse geht, sowie dann um deren Durchsetzung. Lesen Sie nur, wie Karim El Gawhary seine Position in der ägyptischen Revolution deklariert, die alles andere als eine neutrale und sachliche Beobachteraufgabe ist: http://www.kleinezeitung.at/nachrichten/politik/aegypten/2667518/furcht-aber-sorge.story. Inzwischen werden bereits die möglichen Szenarien des Machtwechsels medial durchgespielt, obwohl das noch immer Wunschdenken ist, das eben, häufig genug verbreitet, irgendwann tatsächlich Wirklichkeit schafft.
Auffällig dabei, wie sehr unsere Medien die Rolle von Internet und Mobiltelefon hochloben, während doch beide gesperrt sind. Anscheinend ist Mundpropaganda für die Massenmedien ein so subversives Mittel, dass sie es am liebsten zensurieren wollen.

e.

Das sicherste Mittel, ein mediales Ereignis größerer Tragweite als Erregungsparabel zu identifizieren, also als inszenierten Vorgang zur Demontage einer hierarchisch gestützten Institution, ist die bestimmte Erwartung, die den Vorgang von Anfang an begleitet. Die Bloßstellung des Verteidigungsministers ist von Anfang an beabsichtigt, mit seiner Präpotenz gibt der ehemalige Zivildiener ein gutes Opfer, und seit er in die Arena gestoßen ist, macht er einen Fehler nach dem andern. Eigentlich müsste die Abschaffung der Wehrpflicht ein massentauglichers Ziel sein in der massendemokratischen Konsumgesellschaft, aber die Medien verweigern, sich von der Politik hierfür instrumentalisieren zu lassen, und drehen den Spieß um. Mit der Erregungsparabel haben die Medien die größere Waffe als die Politik sie hat. Die zugrunde liegende Erwartung: Der rote Zivilminister wird am schwarzen Militär scheitern. Sobald sich das Übergewicht abzeichnet, wird der Minister fallen gelassen mitsamt seiner noch so populistischen Forderung. Genau darin liegt die Kunst des Wellenreitens, frühzeitig eine Entwicklung, ein Kräfteverhältnis im Entstehen zu erkennen und auf die Welle hinaufzukommen, um danach möglichst lang oben zu bleiben. Die schwarze Hochschulministerin, obwohl fotogen, wird an den Strukturen scheitern. Die rote Bildungsministerin wird an den Lehrergewerkschaften scheitern. Die schwarze Justizministerin und ihre Gegner, die Stellung beziehen. Die Staatsreform und die Landeshauptleute. Überall werden Kräfte gemessen und Klingen gekreuzt, und die öffentliche Meinung ist stets beim vermeintlich Stärkeren. Dem Schwächeren hält man sein Scheitern vor. Die Schaukämpfe sind ritualisiert. Lohnrunden und Streikbeschlüsse, Rechtssprechungen und Wahrkampfreden wecken bereits die Erwartung weiterer Ereignisse. Die Erwartung ist bereits an der Fragestellung des Interviewers erkennbar: „Was sagen Sie als praktizierender Katholik zum Missbrauchsskandal?“ „Halten Sie den Zölibat noch für zeitgemäß?“ Barbara Karlich lädt einen praktizierenden Priester ein, der den Zölibat lebt und verteidigt, und stellt ihn sechs Gegnern: einem liberalen Priester, der den Zölibat vom Amt trennen und der Entscheidung einzelner überlassen will, einem Priester ohne Amt, einem nicht Priester gewordenen Theologen, einem Pensionisten sowie einem evangelischen Pfarrerehepaar. Dazu einem Publikum, das die von vornherein festgelegte Erwartung verstärkt und durch Applaus oder missbilligende Blicke unterstützt, jeweils in Großaufnahme. Bevor nur ein Wort fällt, steht der Ausgang fest. Die feststehende Erwartung ist wie eine schiefe Ebene, auf der der Vorgeführte von unten nach oben spielen muss und keine Chance hat. Ein Gladiatorenkampf zwischen ungleichen Gegnern. Durch diese Vorsortierung sichert sich der Meinungsführer die Vorherrschaft am Wellenberg.

f.

Zuletzt noch eine Gegenprobe. Das Tribunal wurde als Machtereignis beschrieben, das mittels der Erregungsparabel seine Meinungsherrschaft am Wellenberg behauptet. Weitere Machtereignisse, die noch erläutert werden müssen, sind die Digitalisierung von Ereignissen, das Prozessdenken, das Assoziationsdenken, die Ikonenverehrung, die dem Tribunal gegenläufig ist, und die Emotionalisierung. Die Gegenprobe besteht nun darin, ein Ereignis aufzuspüren, das diesen Kriterien nicht genügt. Ich nehme als Beispiel die dürre Meldung vom 3.1.2011 im Mittagsjournal über die Ergebnisse einer Umfrage der Sozialwissenschaftlichen Studiengesellschaft über das Vertrauen der Österreicher in Institutionen: http://oe1.orf.at/artikel/266131
Vermeintlich ist von staatlichen Institutionen die Rede, aber es geht auch um die Kirche. Wenig erstaunlich ist die großteils geringe Bewertung der meisten Institutionen, also Politik, Gewerkschaft, Justiz, Polizei, Medien, Parteien, und eben der Kirche. Der Bericht nennt nur für die Politik (3%) und für den Bundespräsident (24%) Zahlen, für die Kirche wird ein angeblich geringer Wert als „wenig erstaunlich“ bezeichnet, der geringe Wert für Medien aber mit keinem Wort erläutert. Berücksichtigt man nun oben ausgeführte Emotionalisierungsstrategien, so gibt dieser Bericht wenig her. Weder Helden noch Bösewichter, spannungsreiche Entwicklungen noch Empörungen lassen sich daraus gewinnen. Nur eines läge auf der Hand: die Digitalisierung, also die Übersetzung von Tatsachen in Zahlenwerte, am besten in Rankings. Aber warum wurde hier kein Ranking erstellt? Etwa, weil die Medien so weit hinten lägen? Jedenfalls ist augenscheinlich, dass sich ein solcher Bericht wenig zum Surfen auf der Meinungswelle eignet. Dazu muss gesagt werden, dass die genannten Zahlen völlig jenen des Magazins Reader´s Digest widersprechen, die für März 2010 etwa zehnmal so hohe Beliebtheitswerte ausweisen, und dazu noch wesentlich differenzierter. Tatsache: Man hat den Bericht schnell wieder verschwinden lassen.

Mittwoch, 26. Januar 2011

Robert Musils Apokalypse

a.

Gewöhnlich stellt man sich unter einer Apokalypse einen Katastrophenreigen vor, eine Untergangsstimmung in warnendem Tonfall. Wir denken an die Klimaerwärmung und die damit verbundenen Szenarien von Überflutungen, Hitzeperioden oder Artensterben. Wir denken an Erdbeben oder an Kometen. Oder wir sehen Bilder des Wütens von Menschen an anderen Menschen, die sie abschlachten. Einmal ist die Natur der Dämon, der die Welt bedroht, das andere Mal der Mensch. Jedes Mal ist es aber der Mensch, der leidet. Diese Apokalypsen beschreiben, wie etwas zu Ende geht. Der Friede, ein ökologisches Gleichgewicht, die Unbekümmertheit einer dominanten Zivilisation. Die apokalyptische Tendenz der Weltnachrichten kommt in warnendem Tonfall und gibt den Wink, es könne eine Rettung geben. Dieser apokalyptische Genus ist aber keine Literaturgattung, denn ihr ist keine Autorschaft zuzuordnen. Denn dieselben Schreiber der Klimakatastrophen preisen interkontinentale Gasleitungen oder Absatzrekorde von Autoherstellern, wie sie Bahntunnel verlachen oder Tierschützer bemitleiden. Derselbe warnende Ton gilt sowohl der Massenzuwanderung wie auch der Massenabschiebung; es handelt sich um einen leeren Gestus, der von der Erwartung der Informationskonsumenten bestimmt ist, nicht von der Sorge Wissender.
Um eine literarische Gattung handelt es sich erst dann, wenn ein Wissender schreibt. Sein Wissen stammt daher, dass er das Zuendegehen bereits im Blick hat – gewöhnlich so, dass er es beim Schreiben bereits hinter sich hat. Während die Apokalyptiker der Weltnachrichten (oder regionaler Machtinteressen) strategische Interessen bedienen, sucht der Zurückblickende nach Erklärung und Erkenntnis. So sind vom Großteil des Alten Testaments, der im babylonischen Exil verfasst wurde, apokalyptische Tendenzen zu erwarten, die den Verlust des Landes und des Tempels erklären und rechtfertigen wollen, sowie auf ganz ähnliche Weise auch vom Neuen Testament bis auf Paulus, denn es wurde nach der römischen Tempelzerstörung und der Verbannung der Juden geschrieben. Dennoch wird im folgenden gerade Paulus den Leitfaden geben zur Erschließung der Musiltexte, die ich für die Analyse ausgewählt habe.

b.

Manche Analytiker suchen Autorentexte aus den Autorenbiographien zu erschließen. So versucht man, literarische Bilder auf bestimmte Erlebnisse des Autors zurückzubeziehen. Karl Corino hat das beispielsweise für die musilschen Romanfiguren gemacht, für die er reale Vorbilder im Leben des Autors aufgespürt und prominent mit Bildern und Postkarten unterlegt hat. Wer auf solche Weise unbeschwert an die vorliegenden Textbeispiele herangeht, wird unschwer den ersten Weltkrieg im Hintergrund erblicken, wenn von der Lethargie Kakaniens schwadroniert wird, sich aber im nächsten Augenblick über den ironischen Tonfall wundern müssen, denn der im Krieg dienende Offizier hat keine Spur von Kriegsereignissen hinterlassen, keine Klagen über Niederlage und Kriegsnot, und schon gar keine pazifistischen Ratschläge.
Es wird bei den ausgewählten Textbeispielen aus dem Roman „Der Mann ohne Eigenschaften“ tatsächlich der Kriegsausbruch als die Zensur der Zeitenwende erscheinen, aber nicht aus biographischen Gründen, sondern als Markierung bestimmter Auffassungen von Zeit. Gerade im Kakanienkapitel springt das ins Auge. Aber bevor wir uns diesem Abschnitt nähern, soll zunächst der ganze Roman in den Blick genommen werden. Es wird darin ein Geschehen entfaltet, das im Sommer 1913 beginnt, und ein Jahr dauern soll, nämlich eine Entscheidungssituation einer Romanperson, die als Selbstfindung oder Selbstbestimmung bezeichnet werden könnte, und im Buch „ein Jahr Urlaub vom Leben“ genannt wird. Für den Leser erkennbar, läuft das Geschehen also auf den Kriegsausbruch zu, von dem die Romanfiguren natürlich nichts wissen. Das ist eine besondere Zeitstruktur, nämlich eine Spannung zwischen einer innertextlichen Unbestimmtheit, an der sich das Textgeschehen abarbeitet, um eine Entscheidung zu vollbringen, und einer außertextlichen Bestimmtheit und geschichtlichen Entschiedenheit, die sich doch letztlich im Text selbst wieder finden sollte, wäre er nur zu Ende geschrieben. Autor und Leser sind in dieser Textanlage zu geheimen Vorauswissern geworden, die den ahnungslosen Romanfiguren dadurch überlegen sind. Diese eigentümliche Zeitbestimmung des Romans soll in Erinnerung behalten werden, wenn nun das Kakanienkapitel untersucht wird und dessen besondere Zeitbegriffe zur Sprache kommen.

ERSTES FRAGMENT:
DER MANN OHNE EIGENSCHAFTEN
8. KAPITEL: KAKANIEN
S. 31-35
c.

Der Abschnitt beginnt mit einer kritischen Passage. Kurz gesteckte Ziele sind Ausdruck eines Effizienzdenkens, welches der Text ironisch ausführt. Es läuft auf die Aussage hinaus, die Tat sei wichtiger als ihr Sinn – heute würde man sagen, die Performance geht vor den Inhalten. Diese Polemik wird in eine Darstellung von Beschleunigung weitergeführt: kurze Ziele, schnelle Rhythmen, wenig Denken. Diese Entwicklung gibt sich wie jede Modernisierung als demokratisch gewählt – und damit auch abwählbar: aber das entlarvt sich als Irrtum. Die erste apokalyptische Wende erblickt in dem, worin der moderne Mensch zufrieden und vertraut zu leben scheint, ein Verhängnis. Die Sache hat uns in der Hand, die Schienen werfen sich selbst voraus, niemand ist dafür verantwortlich, kein Subjekt, keine Entscheidung, kein Widerruf.
Nur ein Gegenbild: Kakanien, das Reich des Guten, das österreichische Gegenmodell, das Aufatmen angesichts des Verhängnisses.
Es sind zwei Existenzweisen, die hier einander gegenübergestellt werden, es ließe sich auch sagen, zwei Epochen. Die gemütlichere ist bestimmt von Dörfern, Landstraßen durch schöne Landschaften und ein wenig Hochseeschiffahrt, durch eine klar strukturierte Gesellschaft, wo jedes Individuum seine festgelegte Zugehörigkeit hat, und eine klerikal – liberale Regierung. Ich würde sie als die bürgerliche bezeichnen, die deutlich zwischen Adel und Unterschicht positioniert ist, und in der kirchlich bestimmte sowie liberale Lebensformen gegenüberliegende Pole sind. Das Auffällige an dieser Formation ist das Maß. Großstädte statt Megastädten, moderne Technik statt hypermoderner, bewaffnete Großmacht statt Supermacht, Koexistenz statt totaler Konkurrenz bei Vernichtung der Unterlegenen. Und die Sprache, die das wiedergibt, ist eine nostalgische. Es ist ja bereits verloren, und wahrscheinlich erweist sich erst im Rückblick aus einer unmäßigen Zeit die maßvolle Haltung der untergegangenen Kultur.
Dagegen ist die Lebenshaltung, die sich durchgesetzt hat, die des Tempos und der Maßlosigkeit. Ihr Fortschrittsgeist beruht auf der Rücksichtslosigkeit gegenüber Andersdenkenden, und deren Vernichtung, wenn sie überwunden sind. Die angesprochenen Nationalitäten im Vielvölkerstaat emanzipieren sich vom Kaiser und seiner klerikal-bürgerlichen Gesellschaftsform. Die meisten Interpreten sehen in dieser Existenz schon die faschistische Biopolitik, welche Leben nach eigenen Vorstellungen produzierte, die der Autor vor Augen hatte, der vor der Diktatur fliehen musste und die gewalttätige Verfügung über den Menschen mitansehen musste. Ist schon genügend beachtet worden, dass der 2. Weltkrieg von Anfang an als Blitzkrieg konzipiert war, als ein Überrennen Europas und des Mittelmeerraums? Hastig greift der Besitzanspruch in den Raum, inzwischen eher mit ökonomischen Mitteln. Zuweilen ist in dieser beschleunigten Zeit, auch gestützt auf andere Textstellen des Romans, das Bild einer amerikanischen Großstadt gesehen worden, die für den Autor das äußerste Sinnbild der Moderne darstellte, sozusagen den Punkt, auf den die Entwicklung zulaufe. Aber es handelt sich um nichts weniger als die sich durchsetzende demokratische Massengesellschaft, die weniger durch Entscheidung und Wahl, sondern eher durch Massenproduktion und Massenkonsum gekennzeichnet ist. Diese sind es, die die Menschen gleich machen, wodurch Abstammung und hierarchische Ordnung, auch die Verbindung mit Grund und Boden, obsolet werden.

d.

Die neun Charaktere, die den modernen Menschen ausmachen, zeichnen zunächst einen alles relativierenden Pluralismus nach, der die Person in Rollenbilder auflöst. Und vollends der zehnte Charakter, die leere Sickergrube, die nichts festhalten kann, führt überdeutlich die Substanzlosigkeit des modernen Menschenbildes vor Augen, nichts Eindeutiges, nichts Festes, alles ein Fließen, ein Jenachdem. Ohne zureichenden Grund ist etwas, das nicht es selbst ist und keine Identität hat.
Die Lethargie Kakaniens ist eine Als-Ob-Existenz: viel, aber nicht zuviel, modern, aber nicht zu modern, Ordnung, aber nicht totalitär. Statt faktischer Ereignisse passiert dort etwas, mit eingeschränkter Wirklichkeit und ohne Konsequenzen. Ich möchte diese Verfassung Kakaniens als ontologischen Vorbehalt bezeichnen. Sie lässt sich mit dem vergleichen, was der Apostel Paulus als messianische Existenz beschreibt: Die Gestalt dieser Welt vergeht! Daher soll, wer eine Frau hat, sich in Zukunft so verhalten, als habe er keine, wer weint, als weine er nicht, wer sich freut, als freue er sich nicht, wer kauft, als würde er nicht Eigentümer, wer sich die Welt zunutze macht, als nutze er sie nicht (1 Kor 7, 29f). Der fortgeschrittenste Staat, der sich selber nur noch irgendwie mitmachte, war auf eine geheimnisvolle Weise seiner Vollendung nahe, bevor er durch eine Katastrophe an der Erfüllung seiner Mission gehindert wurde. Was bei Kakanien eine verhinderte Epiphanie sein mag, ist bei Paulus umgekehrt die Parusie, die Erwartung der Erscheinung des Messias. Das beiderseitige Nichterscheinen des Messianischen wird jeweils apokalyptisch markiert: Das katastrophische Ende Kakaniens verhindert seine Vollendung, während die Apolkalypse bei Paulus die Erscheinung des Messianischen in den vorläufigen Formen der Welt bedeutet. Beide Apokalypsen sind also spiegelverkehrt.
Aber beide eint der Gegensatz zum tatsächlich inzwischen erfolgten Fortschritt der Zeit, welcher jeden Vorbehalt weggeräumt hat zugunsten einer fraglosen und reflexionslosen Unmittelbarkeit, im Sinne der faschistischen Totalität der Menschenverfügung wie auch im Sinne der konsumorientierten Totalität der Menschenverfügung.

ZWEITES FRAGMENT:
KAPITEL 109: BONADEA, KAKANIEN; SYSTEME DES GLÜCKS UND GLEICHGEWICHTS
S. 527-530
e.

Der zweite Text beginnt mit einem Zitat. Credo ut intelligam, sagt Anselm von Canterbury, - „Ich versuche, nicht zu verstehen, dass ich glaube, sondern ich glaube, damit ich verstehe.“.
Der Kredit ist das gnadenhaft Gewährte, das von der Zukunft Vorweggenommene. Anselm zitiert hier seinerseits Augustinus, der Glauben ganz in Verbindung zum Denken sieht. Der Glaubensakt setzt bei Augustinus ein Gedachtes voraus: Nicht jeder, der denkt, glaubt, aber jeder, der glaubt, denkt, und glaubend denkt er und denkend glaubt er. (Sermo XL III 6,7 und 7,9) Das Gedachte ist das Gegebene – aus Gnade. Das Denken Gottes, das Denken seiner selbst, das Denken des Kommenden – Anselm geht von der antiken Identität von Denken und Sein aus und führt sie weiter bis zum Gottesbeweis mithilfe des „ontologischen Arguments“: Wenn die Idee Gottes, des höchsten und wirklichsten Wesens, im Verstand sei, dann nur deswegen, weil er wirklich sei. Wie sonst könne der unfassliche Gott ins Denken kommen als durch seine freie Offenbarung. Dass Gott sich dem Menschen zu denken gibt, dass Gott dem Menschen die Welt zu denken gibt, sich selbst, seine Zukunft – all das ist Gnade, freies Geschenk Gottes. Des Menschen Denken nimmt teil an dieser gnadenhaften Gegebenheit. Und wenn er antwortend diesem ihm im Denken Gegebenen zustimmt und es bejaht, so ist es Glaube. Glauben können ist ein zweiter Gnadenakt, so sehen es Augustinus und Anselm. Der Mensch bekommt Kredit, indem ihm Welt, Wirklichkeit und Leben geschenkt sind, und einen zweiten Kredit, um das Geschenkte bejahen und lieben zu können. Der doppelte Kredit bezeugt und schafft eine doppelte Freiheit: Gott könnte die Welt auch nicht sein lassen, und er könnte sich dem Menschen nicht zu erkennen geben, und auch diesen sich selbst nicht. Und auf der anderen Seite könnte auch der Mensch seine Zustimmung verweigern, könnte Gott, Welt und Mensch negieren und die Gnade zurückweisen. – Könnte er das wirklich? Kann der Mensch überhaupt existieren, wenn er seine eigene Existenz nicht bejaht, und zugleich die der Welt und alles Gegebenen? Man sieht ein großes Feld sich hier auftun, wie der Mensch sich nun bewegen kann in dieser ihm geöffneten Welt, und welche Bejahung und Liebe er vollbringt, und mit welchen Konsequenzen.

f.

Den Kredit entziehen heißt aber dann, die Gabe der Zustimmung verweigern. Die Welt bleibt, aber der Mensch kann sich nicht mehr an ihr freuen. Die Menschen bleiben, aber sie werden nicht mehr geliebt. Gott bleibt, aber er wird nicht mehr geglaubt. Credo ut intelligam: Mir ist kein Glaube gegeben, um zu verstehen. Die Gabe des Überschusses, der hoffnungsvollen Erwartung des Kommenden, der zuversichtlichen Anwendung und Verwirklichung des Gegebenen, wird entzogen. Der Mensch hat alles, aber er wird nicht froh damit. Und wenn mangels Kredit der Zustrom von Sein und Leben, von Zukunft und Hoffnung aufhört, dann kann der Mensch nur mehr das Vorhandene aufbrauchen und abnützen bis zur Nichtigkeit, und zuletzt sich selbst. Das ist der Horizont des entzogenen Kredits, es ist die schlimmere Apokalypse, das Heraufdämmern nicht einer neuen Zukunft, sondern des Endes von allem. Es lässt sich ganz leicht darin die Lebenshaltung der Maßlosigkeit wieder erkennen, die Tempo hat, aber keine Substanz, rücksichtslosen Fortschritt, aber keinen Sinn. Nun ist aber ein Licht darauf gefallen, warum der Mensch die Sache nicht in der Hand hat, warum er den Gang der Zeit nicht ändern, vom Zug nicht abspringen und nicht ins alte Kakanien zurückkehren kann: Er hat keinen Kredit mehr, hat über seine Verhältnisse gelebt, hat mehr verbraucht als bejaht. Das Geschick, in das er hineingelaufen ist, ist sein Glaubensschicksal. Und nun erscheinen wie von Geisterhand der massenhafte Rohstoffverbrauch, der die Erdoberfläche verwüstet und die Atmosphäre erhitzt, die rücksichtslose Ausbreitung und Selbstbehauptung der Völker und ihrer Ansprüche, und ganz besonders die wahnwitzigen Spekulationen auf ganze Währungen und Volkswirtschaften, bis zum Zusammenbruch von Staaten und der Weltwirtschaft, als ein einziger Vorgang des unrechtmäßigen Verbrauchs ohne Kredit, also gnadenlos.
Und dagegen stand Kakanien.
Als utopisches Gegenbild zum rücksichtslosen hedonistischen Massenkonsum. Die Gestalt der Welt vergeht, aber Kakanien? Nun, dieses Biotop wird erst nach seinem Untergang zum Gegenbild und Ankerplatz der Hoffnungen. Ist nicht die Europäische Union eine Wiedererfindung des Vielvölkerstaates? Nur der kakanische Geist und Atem lässt sich in diesem Europa nicht finden, den atmen höchstens noch die Reste der Beamtenschaft oder der Verwaltung. Stattdessen sind Politik und Wirtschaft nur Prozedere, nur wiederholbare leere Abläufe ohne Inhalt und Substanz. Bildungsreform? Wer fragt danach, was Bildung ist, wie Menschen sich bilden wollen, mit welchem Ziel, wie sie dann sein wollen. Keine Vorstellung, die über einen gut bezahlten Job hinausginge.

g.

Bevor nun die messianische Zeit genauer untersucht wird, einerseits vom biblisch-paulinischen Gesichtspunkt, andererseits von Musil aus, soll unterdessen den beiden Lebenshaltungen nachgegangen werden, die sich bisher angedeutet haben in den verschiedenen Geschwindigkeiten. Ich greife dabei auf die Analyse von Panajotis Kondylis, „Der Niedergang der bürgerlichen Denk- und Lebensform“ zurück, die 1991 erschienen ist.
Kondylis beschreibt eine typisch bürgerliche Lebenshaltung, die sich als soziale Größe seit dem Mittelalter etabliert und die ehedem hierarchischen Denk- und Lebensformen des Mittelalters nach und nach umformt. Auf diesen Faden können die aufkommende Naturwissenschaft, die geistige Aufklärung, die absolutistische Staatsform ebenso gereiht werden wie die Entwicklungen der Künste und der Literatur. Kondylis setzt Höhepunkt und beginnenden Niedergang des Bürgertums in der Mitte des 19. Jahrhunderts an, also etwa in der Mitte zwischen Klassik und Klassizismus, zwischen absolutistischem Staat und Parlament, zwischen Hegemonialkämpfen und den totalen Kriegen ganzer Bevölkerungen im 20. Jahrhundert.
Hohen Symbolwert hat Kondylis´ Beschreibung des Klassischen, wie es in Architektur und Musik, Malerei und Literatur bis heute maßstäblich ist. Dessen innere Ordnung sucht Harmonie, die dem Menschen und der Natur innewohnenden Gesetzen folgt. Es geht um Zusammenklänge und Werkstrukturen in der Musik, Größenverhältnisse von Gebäuden, um ästhetische Proportionen, für die auf die griechische Klassik zurückgegriffen wird. Dadurch wird eine Zeitlosigkeit ausgedrückt, eine zeitlose Gültigkeit bestimmter Normen, anthropologischer Konstanten sozusagen, nach denen sich Kultur und Kunst zu richten haben, und an denen sich das Bildungsideal orientiert. Der bürgerliche Roman dieser Epoche folgt dem autonomen Zusichkommen des Menschen, der in sich die großen Zusammenhänge erkennt und sich in Gefühl und Liebe, Denken und autonomer Lebensführung über die engen Grenzen der feudalen Gesellschaft hinwegsetzt. Wenn Goethes „Die Leiden des jungen Werthers“ als Schlüsselroman betrachtet werden kann, dann lassen die Briefform, die Kämpfe um die gesellschaftliche Position und Anerkennung, und besonders das Ringen um Lebensorientierung in der Liebe den sehr klaren Vorrang des Persönlichen und Authentischen erkennen, der für den bürgerlichen Stand so typisch war. Man sieht aber auch die Gegner, das feudale System mit seiner unumstößlichen Ordnung, die von der Herkunft abgeleitet war, also von etwas Gottgegebenem. Epochemachender Ausdruck des Kampfes gegen diese höhere Ordnung ist wohl der Faust, der mit Hilfe von Denken und Wissenschaft, von pragmatischer Bündnispolitik und metaphysischer Kaltschnäuzigkeit eine Selbständigkeit und Unabhängigkeit erreicht, die ihn zugleich aber völlig isoliert.
Ohne dass Kondylis auf solche konkreten Beispiele einginge, zeigt er dennoch klar die Zusammenhänge auf, die zwischen solchen persönlichen Bestimmungen bestehen wie dem Streben nach wirtschaftlicher und geistiger Autonomie, der neuen Dominanz des Persönlichen, Privaten, des Gefühls und der Liebe, sowie den öffentlichen und gesellschaftlichen Vorgängen der Selbstbehauptung von bürgerlichen Formationen durch Wissenschaft und Bildung, Markt und Handel, demokratischer Mitbestimmung und künstlerischer Autonomie.
Es ist auffällig, wie bürgerliches Denken zwar weiterhin an Gott und Religion festhält, aber ohne Metaphysik, sondern bloß als Garantie einer Ethik. Der bürgerliche Agnostizismus akzeptiert Gott als Stütze der Moral, der wissenschaftliche Deismus erkämpft völlige Freiheit der Forschung, die gesellschaftliche Entwicklung wendet sich zum Diesseits und zur Praxis. Und als treibende Kraft dieser Entwicklung, und das betrachte ich als das Verdienst Kondylis´, kann das Bürgertum festgemacht werden, das auf diese Weise seine eigene gesellschaftliche Stellung und seinen Einfluss erkämpft und durchsetzt.

h.

Was bedeutet das für Kakanien? Nun, Figuren wie Tuzzi und Fischel, Walter und der General, Diotima und Bonadea sind eindeutig Vertreter dieser Ordnung, Arnheim und Leinsdorf sozusagen deren bleibende aristokratische Antipoden. Die Parallelaktion bildet ein repräsentatives Forum dieses kakanischen Kosmos´. Sie sorgt sich an der Schwelle des Übergangs zur neuen Epoche, die sie eigentlich vorbereiten soll, um die bürgerlichen Tugenden wie Ordnung und Pünktlichkeit, Fleiß und Weitblick, Berechenbarkeit und Anständigkeit. Sie sucht nach Idealen und nach der goldenen Mitte, und nach der richtigen Trennung oder Verbindung zwischen dem Privaten und Öffentlichen, zwischen Wirtschaft, Gesellschaft und Staat. Es geht um das rechte Maß, und die entsprechende Geschichtsauffassung ist die evolutionäre, nach der stetiger Fortschritt eine immer weiter zunehmende Weltbeherrschung bringen soll.

Es ist diese Geisteshaltung, der der Kredit entzogen wird. Das lethargische Kakanien hat den Glauben an sich und seine Zukunft verloren, es macht sich selbst nur mehr irgendwie mit. Darum tritt es aus der Geschichte aus, und darum kann die Parallelaktion den Sinn nicht finden, die leitende Idee. Kakanien glaubt nicht mehr und hat keinen höheren Sinn mehr. Die neue Zeit bringt Unglauben, Hedonismus und Maßlosigkeit. Der Kaiser hatte die Schutzmacht verkörpert, der die Untertanen sich mit Treue überantwortet haben, die berit – der Bund: das war einmal der Glaube Kakaniens gewesen.

i.

Als Vertreter dieser neuen Zeit muss Ulrich angesehen werden, der Mann ohne Eigenschaften. Als Ingenieur ist er Repräsentant der technischen Weltbeherrschung, die Kondylis in der Massenproduktion der Güter weit über die unmittelbaren Bedürfnisse der Menschen hinaus die neue Geisteshaltung des schrankenlosen Konsumismus bestimmen sieht. Als Militär mag er Vertreter des neuen Sicherheitsdenkens sein, das in Kriegen und Unruhen lediglich eine Störung der Wohlfahrt entwickelter Staaten betrachtet – oder, näher am Autor, Teilnehmer am Untergang des alten Systems, sowie des darauffolgenden militaristischen Staates. Und als Mathematiker vertritt er eine neue Art von Philosophie, die nicht metaphysisch spekuliert, sondern an der Berechenbarkeit und Entzauberung der Welt arbeitet. All diese Berufe und Tätigkeiten gab es natürlich auch davor. Aber ihre Zusammenfassung in einer Person drückt doch einen viel größeren Herrschaftsanspruch aus, noch dazu, wenn es dezidiert um Fragen vom Sinn von Welt und Leben, um die angebrochene neue Zeit und um die radikale Selbstbestimmung ohne Kompromisse mit althergebrachten Normen geht. Im Leben Ulrichs zeigt sich von Anfang an ungenierter Hedonismus und extremer Individualismus, erst vor diesem Hintergrund wird die Leidenschaft seines Kampfes um Wahrheit – besser: um das richtige Leben verständlich. Sein Einzelkämpfertum steht der großen, mehr oder weniger harmonischen Einheit Kakaniens diametral entgegen. Wie ein Dandy oder ein Bohemien missachtet er Norm und Ordnung, sein Weltbild ist angriffig und vom Kalkül bestimmt. Wie im Bild der neun Charaktere ausgeführt, haben die Vorstellung von Form und Substanz sowie von der Einheit der Person ausgedient, und an ihre Stelle sind stets wechselnde Funktionsbestimmungen getreten. Wie die Figuren auf den Buchseiten zu leben und einander zu lieben, geniert sich Ulrich, zu Diotima gesagt zu haben.
Der extremen Fragmentierung der Welt entspricht ihre beliebige Konstruierbarkeit, wofür die letzten Bestandteile zu finden sind, aus denen jedes beliebige neue Funktionsganze synthetisch aufgebaut werden kann. Solche Elemente hat man einst in Atomen und Zellen zu besitzen gemeint, in Arten und Gattungen, in Ich, Es und Über-Ich, in Organen und Organfunktionen, in Genen, und schließlich überhaupt nur mehr in Funktionen, aus denen irgendwann jedes beliebige Material aufgebaut werden kann, synthetische Materialien, Tiere, Menschenkörper, Wohlbefinden, ein Gesellschaftskörper, Bildung, Politik, Geist oder Kirche. Sobald man weiß, wie es funktionieren soll und die Materialgrundlagen erforscht hat, kann es hergestellt werden. Kondylis nennt es das massendemokratische synthetische Zeitalter, ermöglicht durch industrielle Massenproduktion von weit mehr als nötigen Gebrauchsgütern, verbunden mit einem Menschenbild des Produzenten und Konsumenten, mit frei wählbaren Werthaltungen ohne Verpflichtung, da Normen nicht abgeleitet oder hierarchisch geordnet, sondern jeweils individuell verfügt und eingesetzt werden – was gerade der Sinn des demokratischen Leitbegriffs wäre. Diesem Synkretismus der Werte und Religionen entspricht auch ein Synkretismus des Wissens und Denkens – alles ist mit allem kombinierbar und bedeutet nichts, jedenfalls nichts außer seiner eigenen unmittelbaren Verwertbarkeit.

j.

Kondylis nennt die bürgerliche Denk- und Lebensform zeitbestimmt, nämlich evolutionistisch und fortschrittsoptimistisch. Es ist diese Haltung, die andere Völker und Kulturen als primitive Entwicklungsstufe bezeichnet, von Pizarro bis zur Sklavenpolitik der Südstaaten noch vor einigen Jahrzehnten. Der massendemokratische Hedonismus sei dagegen raumorientiert. Statt einem kalkulierten Fortschritt käme es nunmehr zur permanenten Wachstumsforderung unter Ignoranz und Missachtung sowohl der Vergangenheit wie der Zukunft. Es ist nun diese Haltung, die Raubbau und Verwüstung unseres Planeten rechtfertigt mit der Erwartung, künftige Generationen würden die jetzt erzeugten Probleme lösen. Gleiches lässt sich von der Nukleartechnik sagen, gleich ob für zivile oder militärische Zwecke, gleiches von synthetischen Nahrungsmitteln, gleiches von der beschleunigten Lebensweise unter immer synthetischeren Umständen. Nachbürgerliche Lebensweise ist per se ein Leben auf Kredit, ohne Maß für das Leistbare, gleichgültig, ob gedeckt oder nicht.

An Romanen zeigt Kondylis das Schwinden der Handlung, denn eine Geschichte zu erzählen wird allmählich unmöglich. Es gibt einerseits eine weitschweifende Subjektivität, die sich in lauter Reflexionen ergeht, und andererseits Taten, die wie Ereignisse plötzlich dastehen. Man sieht leicht, dass Musil selbst ein gutes Beispiel für diesen Wandel in der Literatur abgibt. In der Frage des Zeitablaufs erscheint er zunächst klassisch, in der Handlungsarmut und dem Reflexionsreichtum dagegen sehr modern, besonders in dem beinahe lyrischen Sprachausdruck und den vielen Experimenten und Wortschöpfungen. Aber selbst die epische Zeitform steht vor der Auflösung, da es so gut wie keine (geplante und entwickelte) Handlung gibt, dafür aber die Parole zur Tat.

Die massendemokratische Lebensform sei nach Kondylis nunmehr am Raum orientiert. Wir denken an Weltkriege und Globalisierung, die moderne Form des Kolonialismus. Kondylis spricht von der Verräumlichung der menschlichen Psyche oder der neuen Musikschöpfungen, die sich nicht mehr vorwiegend an linearen Abfolgen orientieren. Die völlige Auflösung des Substanzdenkens zeigt sich in der Rückführung von Werten und Normen auf Herrschaftsinteressen. Statt einer Wahrheit existieren nur Konventionen, die sich fortlaufend ändern. An die Stelle der bürgerlichen Vorstellung eines harmonischen Ganzen aus Teilen und Proportionen ist nun die Struktur getreten, die Materie selbst wird aufgelöst in Funktionsfelder, die alltäglichen Erfahrungen von Raum, Zeit und Kausalität werden abstrahiert, aber auch das physikalische Weltbild selbst wird als Fiktion betrachtet mit einem gewissen, vorübergehenden Erklärungswert.

DRITTES FRAGMENT:
KAPITEL 116: DIE BEIDEN BÄUME DES LEBENS UND DIE
FORDERUNG EINES GENERALSEKRETARIATS DER GENAUIGKEIT UND SEELE
S. 589-600
k.

Um nun endlich zum Roman zurückzukehren, nämlich zum dritten Textfragment, so ist nun wohl bereits einiges Licht auf die Parole der Tat gefallen. Eine Tat wird gefordert, etwas soll geschehen, ohne dass ein bestimmtes Ziel, Sinn oder Absicht auszumachen sind. Also eine Tat, keine Handlung. Um diese fiktive Tat kreist die ganze Parallelaktion. Es ist wie ein Forschungslabor zur Herstellung eines neuen Stoffes, nämlich der Selbsterschaffung Kakaniens, der multiethnischen Nation, der geistigen Substanz. Pate des Experiments ist Graf Leinsdorf, der Druck auf die Bürgerlichen in seiner Runde macht. Zwischen ihm und Ulrich, dem Bürgerschreck, kommt es zu unerwartetem Einverständnis. Die Erzeugung der Seele in der Fabrik, das kommt dem Landadeligen verständlich vor, wenn schon alles von Grund und Boden gelöst ist. Und gerade in diese Richtung ist auch Ulrich geführt worden in seiner geheimen und geheimnisvollen Vision von den beiden Bäumen inmitten des Gesprächskreises im Salon.

Wenn unter Gewalt, nach den tastenden Umschreibungen und Erklärungen, soviel wie die rücksichtslose Existenzform des Lebens auf ungedeckten Kredit hin verstanden werden darf, und wenn dafür der weniger lyrische Ersatzbegriff Zynismus erlaubt ist, und der Erzähler führt selbst die Grausamkeit des Mathematikers an, so lässt das Bild der Liebe eher an eine unbekannte Weise innerer Zusammengehörigkeit denken, eine dem Synthetischen nicht zugängliche Form von Identität, die nicht herstellbar ist, sondern sich nur von selbst ereignen kann.
Auffällig ist an dem Bild sogleich, dass eine Vision ja ein Widerfahrnis ist, etwas Ungeplantes und Unverfügbares, und damit sofort im Gegensatz zu Ulrichs angriffiger Haltung, die ja im Baum des Tages dargestellt wird. Und auch der Inhalt des Bildes zeigt ein passives Geschehen: Ulrichs Leben wächst in zwei Bäumen, die einander gegenüber stehen und sehr unterschiedlich sind, aber polar zusammengehören. Es gibt nichts zu entscheiden und nichts zu tun. Alles Kämpfen und Forschen erscheint umgekehrt wie ein ruhiger, unbeirrbarer Vorgang des Wachsens. Und was kann dieses etwas bizarre Bild bedeuten? Nun, im Paradies stehen zwei Bäume, der Baum des Lebens und der Baum der Erkenntnis. Da die Geschichte sich um den Baum der Erkenntnis und seine Früchte dreht, ist der andere Baum viel weniger prominent. Der Baum des harten, genauen und berechnenden Umgangs mit der Welt, dieser Baum des Kalküls, wird dem Baum der Erkenntnis entsprechen, dessen Früchte ja zum Verlust von Heimat und Einheit geführt haben. Der andere, schattenhafte Baum steht für die gleitende Logik der Seele, also für ein anderes Denken und Leben, und für Leben überhaupt. Ulrich sieht hier etwas gegenüberstehen, was zusammengehört. Damit ist seine Geschichtsdeutung, anders als bei Kondylis, nicht das zweier Epochen, die aufeinander folgen. Sondern das Existieren ereignet sich in zwei verschiedenen Weisen, die aufeinander bezogen sind: Glaube und Erkenntnis.

l.

Die gleitende Logik der Seele ist eine im Menschen verborgene Lebensweise, die der kalkulierenden und planenden Verwirklichung widersteht. Ulrich sieht sie verbunden mit seinen großen Ahnungen von Liebe und Heimat, Ursprünglichkeit und Ganzheit, Vertrauen und Hingabe. Als vom ontologischen Vorbehalt Kakaniens weiter oben die Rede war, ist bereits Paulus zu Wort gekommen. Ich möchte nun nochmals auf seinen ersten Korintherbrief zurückkommen, und auf seine Besprechung der Geistesgaben, ab dem 12. Kapitel. Es geht zunächst um eine Aufzählung und vorläufige Bewertung, indem die einzelnen Gaben als aufeinander verwiesen gezeigt werden. Von den aufgezählten neun Geistesgaben sind die ersten beiden, Weisheit und Erkenntnis zu vermitteln, in der Nähe des Baumes der Erkenntnis, die anderen könnten eher dem Baum des Lebens zugeordnet werden. Bei der Aufzählung des Mannigfaltigen geht es aber darum, alles aus dem einen Geist stammend zu sehen. Darauf folgt das Gleichnis der Gemeindegaben als Glieder eines Leibes, die aufeinander verwiesen sind. Damit kommt der Argumentationsgang scheinbar zum Ziel: verschiedene Begabungen dienen dazu, eine Gemeinde in Eintracht aufzubauen – das Gegenüberliegende soll der Einheit und dem Wachstum dienen.
Es mündet aber diese Argumentation in das Hohelied der Liebe: prophetische Rede, Erkenntnis, Glaubenskraft oder Wohltätigkeit sind für sich gesehen noch gar nichts. Erst die Liebe gibt ihnen ihre Bedeutung. Alle diese Tätigkeiten sind begrenzt und laufen auf ein Ende zu. Was sie schließlich zum Verschwinden bringen wird, ist die Erscheinung des teleion, des Vollendeten – damit ist die Ankunft des Messianischen gemeint. Bis dahin ist Erkenntnis nur Stückwerk – ex merous – wie durch einen Spiegel gesehen, dann aber, in der Erscheinung, oder im Zuge der Erscheinung des Messianischen, ist es ein Schauen von Angesicht zu Angesicht – ein Geschautsein und Erkanntsein ebenso wie ein Erkennen. Dieses Ereignis des Messianischen, von dem Paulus spricht, hat seine Eigenart im Personal-Dialogischen: Nicht nur Erkennen, um das Erkannte vor sich zu haben und über es verfügen zu können – das drückt der Baum der Erkenntnis aus, oder bei Ulrich der erste, stärkere Baum der Gewalt. Sondern zumal Erkennen und Erkanntsein, also selbst mit der eigenen Person betroffen sein, nicht nur für die Folgen des Erkennens, sondern vom Erkenntnisgeschehen selbst betroffen, also miterkannt. Das erkennende Gegenüber wird nicht genannt. Prosopon pros prosopon, von Angesicht zu Angesicht. Das Erblicken im messianischen Ereignis ist ein Erblicktwerden. das Reden ein Angesprochensein, das Schenken ein Beschenktsein usw. Dieses Prosopon pros prosopon ist kein Gegenüber zweier Subjekte, die ihre Zuwendungen kalkulieren würden. Prosopon ist Angesicht – also die Weise der Zuwendung. Dieser Begriff wird im 4. Jahrhundert verwendet, um das Zueinander zwischen Jahwe und dem Messias-Menschensohn auszudrücken: Vater-Sohn, 1. Person – 2. Person. Dasselbe Zueinander, dasselbe Anschauen/Angeschautwerden nimmt Paulus als Ereignis des Messianischen.

Dieses messianische Ereignis sieht Paulus in drei menschlichen Vollzügen stattfinden: in Glaube, Hoffnung und Liebe. Es sind also nicht besondere Tätigkeiten, und es hat keinen Sinn, sie einzumahnen oder zu fordern. Denn Glauben ist ja ein Selbst-Geglaubtwerden, Hoffen ein Selbst-Erhofftwerden, und Lieben ein Selbst-Geliebtwerden, nicht hintereinander, nicht zuerst du, dann ich, nicht zuerst Glaubwürdigsein, dann Geglaubtwerden usw. sondern beides als ein umgreifendes Ereignis. Dieses Ereignis ist das Messianische. Es ist nicht herstellbar, kein Ergebnis irgendeines Planes oder Bemühens, es existiert nur als Geschenk, es wird gegeben. Es gibt Liebe. Weiter nichts.

m.

Paulus sieht im Von-Angesicht-zu-Angesicht die Gemeinde wachsen. Im liebenden, vertrauenden und hoffenden Zueinander der Gläubigen, in dem sich zugleich das messianische Ereignis realisiert. Die Liebe der Menschen, die gläubige Gemeinde ist selbst der Ort des Messianischen. Nicht ihr Ergebnis, diese oder jene Liebestat oder Glaubenshandlung, sondern sie selbst. – Außerhalb des Messianischen aber sind diese Ereignisse rätselhaft – ainigma: undeutlich, weil indirekt. Durch einen Spiegel gesehen nämlich. Außerhalb des Messianischen sieht der Mensch nur sich selbst. Im andern, im Glaubensbruder, im Vorgang sieht er jeweils das, was er selbst hineingelegt hat. Als Bestätigung, als Kritik oder als Aufgabe.

Und nun zurück zu Ulrichs Vorstellung von den beiden Bäumen seines Lebens. Es geht nicht darum, dass es zwei sind statt einem. Es geht nicht darum, diese Spannung zwischen ihnen aufzulösen, indem sie zusammengebracht werden oder einer der beiden eliminiert. Gerade in der Spannung liegt ja das Entscheidende, sie ist ja das, was sein Leben wachsen lässt, als innere Gewissheit des Gegenüber, das ein Zueinander ist, ein Füreinander, ein einander Beantworten. Wüsste Ulrich nicht im Grunde von seinem eigenen Auf-etwas-aus-Sein, das nicht und nicht zur Ruhe kommen will, er hätte sich schon längst abgekoppelt und wäre zur Ruhe gekommen, in irgendeinem Brotberuf und einem Familienidyll. So aber gehört sein Aus-Sein zu seinem Wesen.

n.

Bevor wir uns nun dem Ende des dritten Fragments zuwenden können, nocheinmal zurück zum Korintherbrief, zu einer Stelle, die bereits genannt wurde. Die Zeit ist zusammengedrängt, hat Paulus erklärt, und damit ein Leben im Messianischen begründet, das ein Als-Ob ist. Kairos synestalmenos, die Zeit des Zwischen, nämlich zwischen der gewöhnlichen, chronologischen Zeit, und dem Ende der Zeit, also der Ewigkeit. Es geht hier nicht um das Ende selbst, das Eschaton. Das Messianische ist nicht das Ende, sondern das zusammengedrängte Zwischen. Dieses Zwischen ist das Geliebtsein/Lieben bzw. Lieben/Geliebtsein, also das Zumal des Liebens, des Hoffens und des Glaubens. In diesem Zwischen findet das Messianische statt.

Die Zeit, die uns bleibt, sagt in seinem großartigen Paulus-Kommentar Giorgio Agamben (2000), ist die Zeit, die wir haben. Daraus folgt das Frauen Haben als ob nicht Haben, Weinen als ob Nichtweinen usw. – Agamben identifiziert dieses hos me als einen Vorgang wie das Segeleinziehen oder die Kontraktion eines Tieres vor dem Sprung. (81) Die Parusie, die häufig als Naherwartung der Wiederkunft Christi übersetzt wird, bedeutet nach Agamben einfach Anwesenheit – wörtlich para ousia: Neben-Sein. „Die messianische Anwesenheit ist neben sich selbst, weil sie, ohne je mit einem chronologischen Zeitpunkt zusammenzufallen oder ihm hinzugefügt zu werden, ihn gleichwohl ergreift und ihn im Innern zur Vollendung bringt.“ (84) Es ist dasselbe Zeitverständnis, das mit dem Sabbat gemeint ist, dem Tag der Ruhe, der heiligen Zeit, der Zeit der Vollendung und der Unterbrechung. Die Ereignisse um Mose führt Paulus figürlich (typologisch) als messianisches Ereignis an, für uns, „in denen sich die Enden der Zeiten gegenüberstehen – ta tele ton aionon katenteken“ (87) – antao heißt entgegenkommen, begegnen, teilhaftig werden. (EH: uns, die das Ende der Zeiten erreicht hat) Von Angesicht zu Angesicht, betont Agamben. Dieses Gegenüberstehen der Enden der Zeiten, „dieses Angesicht zu Angesicht, diese Kontraktion ist die messianische Zeit.“ (88) In ihr gewinnt die Vergangenheit (das Abgeschlossene) wieder Aktualität, während die Gegenwart auf andere Weise abgeschlossen wird. (89)

o.

Wie aus der Zeitlosigkeit tritt Ulrich in die Zeit zurück und macht in der verdutzten Runde der Parallelaktion den Vorschlag vom Erdensekretariat für Genauigkeit und Seele. Es geht um eine Abschließung der Zeiten. Sie soll für das Jahr 1918 angesetzt werden, in welchem ja die Parallelaktion das österreichische Jahr vorbereiten soll, da Kaiser Franz-Josef das siebzigste Thronjubiläum begehen soll. Bis dahin – 1913 bis 1918 – also verdichtete Zeit, Zeit der Abrechnung. Die geistige Generalinventur soll den Geist Kakaniens zur Vollendung bringen und zum Messianischen hinwenden, bzw. sein Abgewendetsein beenden und sein Hingewendetsein bestätigen. Jüngster Tag wird dieser Chronos genannt, er soll die Spannung auflösen und das Gegenüber der gegenläufigen Zeiten beenden. Die messianische Anwesenheit, die Parusia, das Neben-sich-Stehen, das Als-ob-nicht, soll aufgelöst werden und mit dem Chronos zusammenfallen.
Im Roman werden die darauffolgenden Ereignisse tatsächlich als verdichtete Zeit erzählt. Dramatische Entwicklungen bei zwei Paaren, mehrere Annäherungen an Ulrich, eine Erhebung Kakaniens gegen die vermuteten Pläne der Parallelaktion, ein nächtlicher Heimweg und eine alles in neues Licht setzende Veränderung kommen in den folgenden hundert Seiten auf Ulrich zu, ohne dass er irgendetwas davon ahnt.
Aber auch die geschichtliche Entwicklung, die Autor und Leser kennen, zeigt eine verdichtete Zeit, zeigt Aufbäumen und Untergang Kakaniens, dem endgültig der Kredit entzogen wurde und das 1918 zu existieren aufhört.

Wenn man Ulrichs Vorschlag ernst nehmen will, dann läuft er auf ein neuerliches In-Kraft-Setzen des credo ut intelligam hinaus. Das Glauben wäre eine Übereignung an das Messianische, ein neuer Bund also, ein Glauben, Hoffen und Lieben, als ob man selbst geglaubt, erhofft und geliebt wäre, also nicht mehr ein Leben-als-ob-nicht, wie Paulus sagte, sondern ein Glauben – Hoffen – Lieben als ob. Geht das?

p.

Vielleicht hat das 20. Jahrhundert tatsächlich einen solchen Versuch gemacht. Ich wäre geneigt, mit Kondylis das Bürgertum, welches sich das Christentum angeeignet hatte, erneut einen verspäteten Herrschaftsversuch unternehmen zu sehen, nunmehr bereits kein Stand mehr, sondern Mittelklasse, und mittels der sozialen Formation der Volkskirche nochmals anschließen wollend an der klaren Eindeutigkeit der bürgerlichen Ordnung der Familie, der Gemeinde, der Bildung, des Wohlstands und Fortschritts, und im Schutz dieses Nestes zugleich seine völlige Abschaffung vorbereiten zu sehen, während in relativ kurzer Zeit die hedonistische Konsumgesellschaft hervorbricht und im selben Aufbäumen zugleich Bürgertum und seine Werte, wie auch das bürgerlich gewordene Christentum an die Wand drückt. Bezeichnenderweise gibt es nun zwischen den drei entstandenen Positionen, den Bürgerlich-Liberalen, den Messianisch-Christlichen und den unbeirrbar Konsumorientierten, Flügelkämpfe und Konversionen, besonders zwischen den ersten beiden. Dabei wird das Christliche konsequent auf das Institutionelle reduziert, und die bürgerlich verkrusteten Christen versuchen, sich ins Juristische zu retten. Konsumorientierte interpretieren das Christliche als eine bestimmte Erlebnisqualität, die dann und wann in Anspruch genommen wird. Die konsumorientierten Christen antworten mit Events und Populismus. Und das Messianisch-Christliche? Gibt es das schon?

Die Parusie würde sich in besonderer Präsenz ankündigen: in menschlicher Aufmerksamkeit, im Interesse am Menschen um seiner selbst willen, im Großdenken vom Menschen. Aber auch in der Herausarbeitung der Präsenz der Dinge, der Artefakte, der Natur. Deren eigener Anwesenheit. Eine messianische Kirche würde sich wie jede ernsthafte Kirche um die Armen und Bedürftigen kümmern – aber sie hätte viel weniger Sorgen um die Rechtmäßigkeit und institutionelle Verankerung als bürgerliche Kirchen. Sie würde sich sehr leicht mit anderen Dienern der Präsenz verbünden, mit Künstlern etwa, mit Philosophen, mit Kämpfern für die Menschenwürde. Und eine messianische Kirche würde die Entscheidung suchen – nun, sie würde überhaupt von der Entscheidung leben. Von der Entscheidung Gottes, welche wir Gnade nennen, Kredit geben. Und der des Menschen, der den Kredit annimmt und seine Talente vermehrt.

Mittwoch, 22. Dezember 2010

Weitere Texte zur Rolle des Bürgertums

Ein literarisches Finale Tremendum gibt Michael Scharang, der verlässliche Linke, welcher das Zeug zum Apokalyptiker hätte, fehlte ihm nicht a priori jegliche Metaphysik. Gerade darin erweist er sich aber als typischer Vertreter des Bürgertums des 19. Jahrhunderts, so wie Karl Marx und die Industriekapitalisten. Eine Kapitalismuskritik aus bürgerlicher Sicht ist soetwas wie eine Kritik am Antisemismus aus faschistischer Sicht oder eine Kritik am Wettbewerb aus der Sicht des Leistungssports.

Aber seine Benennung des Finanzkrieges als zeitgemäße Gesellschaftsform, mitsamt seinen Protagonisten und Ritualen, ist zutreffend. Das Duckmäusertum, der Meinungsterror, und besonders die Abscheulichkeit des Kapitalismus, konsequent das Gemeinschaftswesen auszuhöhlen, um sodann seine Karambolagen von ebendiesem sanieren zu lassen. Pikant vielleicht sein Angriff auf Ö1, dessen Attitüde des letzten Mohikaners der Kultur und Intellektualität immerhin aufreizend ist. Aber mindestens so zutreffend müssten seine Angriffe auf Geschwätzigkeit und Kuschen vor der Macht im Gewand der Weltoffenheit den Printmedien gelten, besonders jenem, dessen mit staatlicher Medienförderung protegierter Autor Scharang eben selber ist.

Hier sein Artikel:
http://diepresse.com/home/spectrum/zeichenderzeit/617515/Finale-Raserei?_vl_backlink=/home/spectrum/zeichenderzeit/index.do


Der Gastkommentar von Marcus Franz ist ein wehmütiger Abgesang. So stellt man sich den Herrn Primarius im Lodenmantel vor, wie er seiner Limousine entsteigt und am Gehsteig von iPod-verkabelten Teenagern angerempelt wird - die ihn womöglich an die eigenen Kinder erinnern. Sonderbarer Weise klammert er sich nicht an die Kirche - die fällt ihm gar nicht ein, obwohl er doch in einem kirchlichen Institut arbeitet und sogar Vorstand des Franziskanerinnenspitals ist - sondern nur an die Küche.

http://diepresse.com/home/meinung/gastkommentar/619554/Buergerlich-ist-nur-noch-die-Kueche?from=suche.intern.portal (Übrigens hat Franz eine beruhigende Replik von Sibylle Hamann bekommen, die versichert, die bürgerlichen Werte seien nicht ausgestorben. Na denn!)

Vielleicht ist das aber gar kein Unglück, wenn zur Rettung des Bürgerlichen heutzutage nicht mehr die Kirche bemüht wird, wozu sie nämlich jahrhundertelang missbraucht wurde. Da bin ich ganz mit Paul Schulmeister, dem wahrscheinlich letzten kirchlich denkenden (oder Kirche verstehenden) Bürgerlichen dieses Blatts, wenn er die Verschwisterung der Kirche mit der ungerechten Gesellschaft geißelt, und dabei Max Weber, Michel Foucault und Gerhard Lohfink zitiert.

http://diepresse.com/home/meinung/gastkommentar/617902/Vom-Kind-in-der-Krippe-dem-Ende-am-Kreuz-und-der-Macht?from=suche.intern.portal

Mittwoch, 17. November 2010

Die Wut und die Gier.Von Kathrin Röggla (Die Presse)

SICHER, MANCHE BENANNTEN DIE UNGEHEUERLICHKEIT DER VORGÄNGE, ABER AUCH DIE KONNTEN SIE IN IHRER DIMENSION NICHT FASSEN. DIE FINANZKRISE, DIE SPRACHLOSIGKEIT – UND IHRE ÜBERWINDUNG IN DER LITERATUR.


Elfriede Jelinek hat mir Sprechen beigebracht. So viel ist sicher. Sie hat aber auch einer Reihe anderer Personen und Figuren das Sprechen beigebracht, zum Beispiel den Kleinanlegern und den kapitalen Greisen. Sie können sich jetzt ausdrücken. Endlich. Vorher war da ja nichts Deutliches zu hören. Man hat es nicht verstanden, es war mehr ein Geflüster, ein Sich-Zurufen von Fachvokabeln, Formeln, quer über das permanente Börsenparkett, das sich über alle wirtschaftlichen Verhältnisse zu legen schien. Und jetzt: Eindeutig eine klare Artikulation, das heißt, man kann ihnen folgen! Wenn das auch ein wenig kreisförmig verläuft, aber das ist nur im Sinn der Sprecher. Doch immer noch besser als diese Pseudolinearität ihrer früheren Aussagen.


Seltsamerweise sprechen sie immer zusammen, im Chor, vereint, während unsereins einzeln dasteht. Oder soll ich etwa dem Chor der Kleinanleger beitreten? In diesem Punkt bin ich etwas ratlos. Es gibt keinen Identifikationshaushalt für mich in diesem Stück, der kleine Mann in mir ist aufgebraucht, sage ich jetzt auch schon lauthals, aber man muss mir auch nicht trauen, das heißt, ich selbst muss mir ja nicht unbedingt trauen. Das ist auch etwas, was man aus Jelineks Texten lernen kann. Zeigt sie uns nicht unermüdlich seit mehr als 40 Jahren, wie die Verkleinbürgerlichung unserer westlichen Welt voranschreitet? Und wer steckt hinter dem Kleinanleger anderes als der Kleinbürger?

Darüber ließe sich jetzt streiten, was es aber in jedem Fall noch gibt, ist die Wut, seine Wut über die permanente Enteignung, die er erfährt und die sich mit der Gier, dem Wunsch, da oben mitzuspielen, paart. Diese Wut bleibt nur unter dem Schlagwort „Populismus“ in der Öffentlichkeit stehen, sie hat keinen anderen Anker mehr, sie wird sofort erledigt. In Jelineks Texten darf diese Wut über die Obszönität der Vorgänge einen ganzen Moment lang in Bewegung bleiben, nein, sie darf sich nicht setzen, sie wird permanent gejagt über ebenjenes Börsenparkett, durch die Gerichtssäle, die sich mit Wirtschaftskriminalität zu befassen scheinen und die Annual Meetings windiger Offshorebanken. Und es ist die Wut, auf die wir so heiß sind, jene Punk-Atmosphäre ihrer Texte, die Wut, die wir endlich in Reinkultur spüren wollen, und die Enthüllung der Gewaltverhältnisse, die wir erleben wollen, wir, die Ängstlichen, die Undeutlichen, die Uneindeutigen, die nicht wissen, wer wir noch sein sollen und wer eigentlich dauernd gegen uns arbeitet. Wir haben kein Analyseinstrumentarium mehr, gesellschaftliche Widersprüche erscheinen uns als Schnee von gestern, Klassenverhältnisse erscheinen uns zerfahren, uneindeutig. Uns? Ja, selbst in dieser Beschreibung kassiere ich noch die Interessengegensätze ein, suggeriere ein Wir, das es nicht gibt.


Die Obszönität kenntlich machen

Bleibe ich also lieber bei mir – nehmen wir die subjektive Haltung ein, zugegebenermaßen eine armselige Alternative zum schwammigen Wir –, nach dieser Wut grase ich die Texte ab. Nach der Deutlichkeit der auf Widersprüchlichkeit beruhenden Machtstruktur, die natürlich nicht deutlich daherkommen kann, sondern ambivalent, paradox, ja, unsinnig. Ich, die ich der Generation der Ängstlichen angehöre, derer, die nicht mehr wissen, wo links und rechts ist, oben und unten, die keine Koordinaten für eine Wut haben, sondern immer gleich eingeschüchtert sind. Ich freue mich an der Zurschaustellung, der Kenntlichmachung der Obszönität. Durch Kalauer und Unsinnswitz. Denn nur mit Unsinn lässt sich die Rechtfertigungsstruktur der sogenannten Entscheider darstellen, es ist ihr Privileg, nicht wirklich Rede und Antwort stehen zu müssen. Das ist zumindest mein Eindruck, der aus der öffentlichen Nicht-Besprechung dieser gewaltigen Enteignung resultiert. Ja, man muss es als eine öffentliche Nicht-Besprechung bezeichnen, obwohl alle Medien eine Weile lang von nichts anderem zu sprechen schienen. Aber ihr Sprechen blieb stumm und geschwätzig zugleich und erscheint mir im Rückblick äußerst merkwürdig. Sicher, werden Sie sagen, wen muss es wundern, dass sich die bürgerliche Presse gedreht und gewunden hat, dass die Boulevardpresse auf populistische Ressentiments setzte, also auf Ausweichbewegungen, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen zu einem pervertierten Aufklärungsunterricht aufbrach, passend zu jener „Nachhilfestunde in Sachen Wirtschaft“, als die der Soziologe Dirk Baecker die Finanzkrise bezeichnet hat, nur, dass die Nachhilfestunde sich im Leeren verläuft, in Sackgassen, in unbrauchbarem Wissen über Begriffe wie „Leerverkäufe“. Man braucht sich nur eine Bundestagsdebatte über den Umgang mit der Finanzkrise anzuhören, um den ganzen Widersinn der Diskussion zu erfahren.

Und wenn sich jetzt Politiker die Köpfe über Basel2 plus und Basel3, über stärkere Bankenregulierungen zerbrechen, scheinen sie keinen Schritt weiterzukommen. Sicher, manche Zeitschriften- und Zeitungsbeiträge benannten auch die Ungeheuerlichkeit der Vorgänge, aber sie konnten sie in ihrer Dimension nicht fassen. Das kann nur die Literatur, da ihr immer mehrere Ebenen zur Verfügung stehen, sie immer mehrere Räume gleichzeitig bewohnt. Schließlich stehen ihr auch die geeigneten Mittel zur Verfügung, die Mittel der Groteske, der Inversion, der wörtlichen Übertragung, gute, alte sprachliche Verfahrensweisen, die den Aufklärungsmodus der Medien verspotten, der ja Teil der ganzen Umverteilungsmaschinerie ist. Es sind ästhetische Mittel, die hier dringend gebraucht werden, denn das Verhältnis von Abstraktion und Konkretion, das für die moderne Literatur so bestimmend ist, ist in diesem Themenfeld äußerst gespannt, die Darstellbarkeiten scheinen sich angesichts der Komplexität und Abstraktion der Verhältnisse zu entziehen.

Die Konkretion scheint immer nur aus heruntergebrochenen Beispielen zu bestehen, als könnte man sie auf einzelne Fotos reduzieren, die sofort eine historische Anmutung bekommen: Zeltlager in Nevada, Schlangen vor Banken in Großbritannien, entleerte New Yorker Geschäftsstraßen. Ich weiß nicht, welche Fotos der Öffentlichkeit zum Bawag-Skandal zur Verfügung standen, ich stelle mir nur Gesichter vor beziehungsweise harmlose Filialfotografien – mir ist das deswegen nicht bekannt, weil die Skandale der Alpenrepublik in Deutschland allenfalls unter der Rubrik „Farce“ oder „Seifenoper“ oder „Bananenrepublik“ erscheinen, ob Hypo-Alpe-Adria- oder Bawag-Skandal. Ob Meinl-Story oder Jörgl-TV, bis hin zu Naziaufmärschen, und ich habe den Verdacht, dass diese auch in Österreich nur noch als Farce gesehen werden. Aber wie kann man so eine Farce noch literarisieren? Sicher nicht in Form eines well-made Play. Auch der Multiplot-Wirtschaftskrimi, nach dem das zu Globale, zu groß Gestrickte der Finanzkrise, das sich Konkretion und Situierung erstmal Widersetzende dieser Thematik zunächst zu schreien scheint, geht natürlich sofort in irgendeiner Genremechanik baden, und so muss man schon mit barockeren Mitteln kommen. Jelineks Entscheidung, an den öffentlichen Rhetoriken und juristischen Rechtfertigungsnummern, die wir darin erleben, anzusetzen, ist plausibel. Insofern erhalten wir auch in den „Kontrakten des Kaufmanns“ keinen Überblick über die Geschehnisse, die kausalen Zusammenhänge, wir bekommen keine Vogelperspektive, sondern werden mehr zur Froschperspektive verdammt, auf die die Rechtfertigungsmodi der herrschenden Klasse niederprasseln. Schließlich wird bei all der öffentlichen Volksaufklärung gerne vergessen, dass die Wirren des Finanzkapitalismus konkrete Auswirkungen auf konkrete Menschen haben, dass irgendjemand für das alles zahlt.

Wir geraten in ein weiteres Infantiltheater, denn das Stück verfügt in guter alter jelinekscher Manier über zahlreiche eingebaute Infantilsprengsel bis hin zu den Regieanweisungen, weil Elfriede Jelinek klar ist, dass das Theater nur als Infantilanstalt auf diese Vorgänge reagieren kann, es kann nicht die gute alte seriöse Aufklärungsanstalt mimen, weil sich alle Seriosität in den öffentlichen Rhetoriken verbraucht und desavouiert hat.

Elfriede Jelinek hat mir das Sprechen beigebracht, vielleicht war ich so 19, als ich „Die Liebhaberinnen“ las, in einer Salzburger Vorortstimmung, nahe dem jelinekschen Steirischen, vielleicht zu nahe, in einer Stadt, in der das wüste Landleben jeden Moment in das Weltstädtchenhafte hereinzubrechen vermag – und in der erstaunlich viel Prekariat anzutreffen ist, wenn man nur hinsieht.


Schreiben – ein radikaler Akt

Jedenfalls habe ich ganz genau gewusst, wovon die Rede ist, und verstanden, wie diese Rede sein muss: So und nicht anders. Meine Ausgabe der „Klavierspielerin“, die ich 1990 erstand, ist schon voller Unterstreichungen, Weiterschreibungen, Widersprüchen. Ich hatte den Faden sichtbar aufgenommen, den Jelinek-Faden, der bis heute mitmischt und mitstrickt auf meinem Schreibtisch.

Es ist aber bis heute jene Punk-Energie geblieben, jene sprachliche Kraft, die mich anzieht und daran erinnert, dass Schreiben ein radikaler Akt ist, nach wie vor, nach all den Moderne- und Postmodernetotsagungen, die wir in den vergangenen 20 Jahren kontinuierlich erleben durften. Jelineks Komik, das Groteske, das sich jeder gewaltsamen Glattstreichung Widersetzende rufen die eigenen Widerstandsgespenster auf den Plan. Sicher, diese Form des Sprechens wollte ich, wie alle Autoren, die davon betroffen sind, und das sind viele, eine ganze Autorengeneration, von Zeit zu Zeit loswerden, weil es etwas Gewaltsames hat, es hockt da wie ein Vampir im eigenen Schreiben. Man kann sich von diesem Schreiben nur schwer emanzipieren, es ist eines, das den Vorgang des Plagiierens automatisch hervorzurufen scheint und danach gleich eine Distanznahme, die zu neuen Nachahmungsgesten führt, bis man irgendwo anders landet, im berühmten eigenen Ton, in der berühmten eigenen Stimme, die doch von anderen lebt, sich aus anderen Stimmen zehrt.

Doch diese eigene Stimme wird Frauen, darauf hat Elfriede Jelinek unermüdlich hingewiesen, ohnehin nicht zugeschrieben, und so sprächen sie immer für alle anderen mit, darüber sei sie sich bewusst. Ist es nicht die Ironie ihrer Geschichte, dass mehr als eine Generation von Autorinnen sich in einem Abgrenzungs- und Faszinationstaumel zu ihr befindet und befunden hat? Es ist die paradoxe Figur der Originalität im Zeitalter der ständigen Selbstneuerfindung und Selbstvermarktung, die Elfriede Jelinek an der Nase und uns vorführt. Mit Karacho! ■

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.11.2010)

Sonntag, 26. September 2010

Wer braucht ein Dispositiv?

Gesetzt, ich würde mit bestimmten Fragen kommen.
Ich würde zum Beispiel zwischen so verschiedenen Dingen wie dem allgemeinen Misstrauen gegenüber der Politik, der unverhohlenen Rückführung des Menschen auf seinen Gebrauchswert als Arbeitskraft und Konsument durch – ja durch wen eigentlich?, der Handhabung von Sexualität als selbststeigerndes Gebrauchsgut, der systematischen Zuführung der in Europa einströmenden Migrantenscharen auf die Gemüseplantagen Südeuropas sowie der Reduktion der gesamten Komplexität von kirchlichem Leben in Theorie und Praxis auf die seit Jahrzehnten immer gleichen zwei oder drei Fragen einen Zusammenhang sehen. Ich würde solche und weitere Erscheinungen, von denen niemals angegeben werden kann, wer sie ausgelöst hat (höchstens, wer daran verdient), als ein bestimmtes Freiheitsstadium des heutigen extremen Individualismus ansprechen. Und zwar als Stadium abnehmender Freiheit.
Ich würde nämlich diese Freiheit als Fiktion darstellen, ausgedrückt als fiktive Wahl zwischen gleichbedeutenden Möglichkeiten. Aber als unfreie, ahnungslose und unkritische Akzeptanz dieser disparaten komplexen Situation, höchstens, bei selbständigen Geistern, durch ein Gefühl von Unbehagen begleitet.

Und ich würde nun in dieser wirren Lagebestimmung einen Vorgang zwischen Gott und Mensch suchen, aber ohne fundamentalistische Reduktionen. Dann könnte mir Agambens Erörterung des Begriffs des Dispositivs Klärung und Antwort bringen.

Zunächst, wenn Agamben diesen Begriff bei Foucault aufspürt und darin so etwas wie eine heterogene Gesamtheit von sprachlichen und nichtsprachlichen Appellen und Strategien erkennt. Wenn er über Foucault hinaus bis zu Hegels Entgegensetzung von „natürlicher“ und „positiver Religion“ vorstößt. Und schließlich völlig überraschend beim Begriff der göttlichen Ökonomie ankommt, der Gottes Sein und Gottes Handeln als Nichteinheit auffasst. Hier fällt das Wort Schizophrenie. Von der göttlichen Ökonomie, verstanden als Weltregierung, ist es ein kleiner Schritt zur göttlichen Vorsehung (Prädestination). Von da aus zeigt der Blick die Lebewesen (Substanzen), die Dispositive und dazwischen als Drittes die Subjekte. Hatte Foucault immer wieder überraschende Einsichten in die Geschichte der Subjektwerdung des Menschen geliefert, sei es als Selbstdisziplinierung oder Mechanisierung von Lebensvorgängen, so spricht Agamben hier von einer maßlosen Vermehrung der Subjektivierungsprozesse, welche das Subjekt zunehmend als bloße Maske erscheinen lassen. Am Ende dieses Essays steht eine gigantische Desubjektivierung, eine Regierungsmaschine, ein folgsamer und feiger Gesellschaftskörper, ein harmloser Bürger, der als Bloom verspottet wird.

Trotz möglicherweise als gewagt empfundener großer Gedankensprünge, trotz der philosophischen Argumentation halte ich es dennoch für zweckmäßig und sinnvoll, sich den Begriff des Dispositivs anzueignen. Vermutlich kann damit noch mehr als die oben genannten disparaten Zeiterscheinungen zugänglich und verstehbar werden. Vielleicht schlicht die Erscheinung der Menschenvermassung bei fortgeführter Vereinzelung, ein Phänomen, das Elias Canetti noch nicht im Blick hatte (Masse und Macht).

(Ab 27.9. sollte Agambens 35 Seite-Essay hier zum Download bereitstehen:
http://www.kath-kirche-kaernten.at/pages/bericht.asp?id=8525)

Samstag, 31. Juli 2010

Tendenziöse Beispiele

Wer immer noch meint, die Medien wären als vierte Gewalt im Staat an Wahrheit und Aufklärung interessiert, der möge zwei jüngere Beispiele studieren:

http://oe1.orf.at/artikel/251891

Im heutigen Mittagsjournal befragt Dorothee Frank den im Journal als Gast geladenen Klaus Maria Brandauer, anlässlich seiner Rolle in Ödipus auf Kolonos bei den Salzburger Festspielen. Ödipus der Asylwerber und die heutige Asylpolitik. Und dann kann es Frank nicht lassen, den, von dem sie weiß, dass er praktizierender Katholik ist, nach der "Kirchenkrise" zu befragen. Nach dem "Missbrauchskandal". Nach dem, was in der Öffentlichkeit geredet wird. Nach Kirchenleitung und Zölibat. - Und nachdem Brandauer nichts herausrückt, kommt sie darob ins Schwimmen - und fängt zu bohren und zu stochern an. Er spricht von seiner eigenen Sünde, sie spricht vom Skandal. Ihm ist das Thema zu langweilig, sie beharrt. Glaube ist das eine, Kirche das andere, sagt sie. Kirche sind Menschen, sagt er. Die Frage ist nur, ob die Kirche zu schrumpfen droht, sagt sie. Ich glaube, dass die Kirche eine große Chance hat, sagt er. Sie fragen mich nur, weil ich der KMB bin, aber ich habe keine Ahnung. Ich möchte mich aus diesen kleinkarierten Dingen heraushalten, sagt er.

Hören sie auf ihre Stimme. Sie erwartet und entwirft eine Gesprächssituation, wo mit Stichwörtern sogenannte Informationen abgerufen werden sollen, Meinungen, Brocken. Das soll so gehen wie ein Computermenü: Du klickst diesen Button an, und dieses Fenster geht auf. Die bunte Galerie nach vorgefertigter Ästhetik wird Interview genannt, oder Informationssendung, oder Berichterstattung. Und gerade an der Anstrengung der Stimme ist zu hören, wie das funktionieren soll, was sich jetzt sträubt: Von Stichwort zu Stichwort surft die Meinung der Moderatorin/des Hörers von Wellenberg zu Wellental. Die gedehnten Vokale: der Missbrauchskandaaaal, Kirche als Institutiooooon, der Zölibaaaat. Und leider: Brandauer apportiert die Hölzerl nicht, er springt nicht jappend hinterher, von der Journalistin übers Feld gehetzt. Sondern er entgegnet: kleinkarierte Dinge. Wir Sünder. Und horchen Sie, wie der Burgschauspieler da niedergeredet wird. Er, der Meister von Stimme und Wort, von ihr, der Meisterin von Gefälligkeit und schneller Wirkung. Ein Lehrbeispiel, wahrlich.

Das zweite Beispiel stammt von Michael Prüller, Presse-Chefredaktion, Meinung vom 24.7.2010:
Missbrauch revisited

http://diepresse.com/home/meinung/kommentare/leitartikel/583234/index.do

Da liest man: "Jeder weiß, dass sexueller Missbrauch keine kirchliche Spezialsünde ist – aber außerkirchliche Fälle, Vertuschungen und Verantwortlichkeiten werden kaum diskutiert. Ein bisschen Odenwaldschule da, ein bisschen „Profil“-Artikel zu staatlichen Kinderheimen hier, damit hat es sich. Als ob es peinlich wäre, Missbrauch anzusprechen, wenn er nicht hinter Klostermauern passiert. Und die ganze riesige Missbrauchskiste des öffentlichen und privaten Bereichs bleibt unaufgearbeitet."

Man liest vom Medienversagen, das eine Kirchenkrise herbeischreibt und herbeiwünscht. Von den medialen Austrittsbeschleunigern und der wirklichen Relation. Von der Massentreue zur Kirche. Vom Nichtübertritt zu den zölibatsfreien und frauenmitbestimmten Kirchen. Und von wirklichen kirchlichen Sorgen, nämlich der Fremdheit im Glauben, der Ahnungslosigkeit über Glaubensinhalte.
Zum Schluss landet Prüller allerdings wieder bei einem der Stichworte, das eine Entkrampfung der Situation bringen soll: "Ein Anfang wäre etwa, auf das Kirchensteuersystem zu verzichten. Ich weiß, das sagt sich so leicht – aber sonst hört der Krampf ja nie auf." - Vielleicht muss man soetwas sagen als Medienmacher. Bei diesen Kollegen, bei diesen Lesern, bei diesen Inserenten. Bei dieser Konkurrenz. Aber zum Artikel passt dieser Schluss gar nicht. Er ist überflüssig. Es ist genug, die halbjährliche Debatte zusammenzufassen und das Bild zurechtzurücken.
Michael Prüller hat mir schon im Mai in einem Brief geantwortet auf meine Beschwerde über die tendenziöse Berichterstattung. Ungefähr in demselben Ton. Von der Medienseite mag man es damit als überstanden erklären. Mag es damit sein Bewenden gefunden haben. Ist man wohl in dem Augenblick des landesweiten Überdrusses gewahr geworden, als wenige Stunden nach der Ernennung von Ägidius Zsifkovics bereits Cerberus Zulehner aus Wien polterte über die undemokratische Kirche, während Zsifkovics sich bereits an seine Gläubigen wandte und eine Chance erbat. Da hatten wir wahrlich genug.

Es gab noch den Versuch einer Neuauflage mithilfe der Wiener Schulbrüder. Die Geschichte, die bereits vor Jahren von der Staatsanwaltschaft zurückgelegt wurde, weil die Vorwürfe einer Mutter eines inzwischen erwachsenen ehemaligen Schülers nicht zu belegen waren, sollte nochmals aufgewärmt werden. Am ersten Tag wurde noch berichtet, dass der Vorwurf die Wiederholung eines bereits abgewiesenen Vorwurfes war. In den darauffolgenden Tagen wurde die Ordensleitung schlecht gemacht. Und schließlich löste sich das Thema auf wie eine Seifenblase. An Überspannung zugrunde gegangen.

Was mich nun wirklich interessiert, sind die Hintergründe einer solchen Berichterstattung. Und die kirchliche Reaktion darauf.

Dienstag, 11. Mai 2010

Zu einer Theorie der Fraglichkeit

Es sollen zwei Beispiele vorgestellt werden, die das Aufeinanderprallen des Gottesglaubens mit der modernen Welt wiedergeben, die als liberal und fortschrittlich empfunden wird. Es wird sich zeigen, inwieweit die noch ungeschriebene Theorie der Fraglichkeit dabei von Erkenntniswert ist, und auf welcher Seite sie auftaucht.


1. Dostojewski, Der Großinquisitor


Dimitri, der Soldat, Iwan, der Intellektuelle, und Alexej (Aljoscha), der Novize, der ins Kloster eintritt, sind die Brüder Karamasoff. Der Roman erzählt ihre dramatischen Lebensgeschichten, und v.a. das Aufeinandertreffen ihrer unterschiedlichen Lebenskonzepte. Der Soldat, der älteste von ihnen, im Konflikt mit dem Vater wegen einer Frau. Der zweite, der an der Universität studiert, ist der religiöse Zweifler, infiltriert mit dem westlichen Aufklärungsdenken, aber im inneren Konflikt mit dem Gefühlsüberschuss der russischen Religiosität und Menschlichkeit. Und Aljoscha, der Jüngste, hat seine Seele Gott verschrieben, und er möchte Frieden und Versöhnung stiften.

a.

Iwan erzählt Aljoscha die Geschichte vom Großinquisitor, die er sich ausgedacht, aber nie aufgeschrieben hat (wieder ein ungeschriebener Text!). Im Sevilla des 16. Jahrhunderts wütet die spanische Inquisition. Gerade am Tag nach der öffentlichen Hinrichtung von 100 Häretikern erscheint Christus persönlich in der Stadt – und wird augenblicklich von allen erkannt und verehrt. Er tut Wunder und erweckt ein totes Kind am Tor der Kathedrale. Da quert der greise Großinquisitor den Platz und lässt Jesus ergreifen und einkerkern. In der Nacht tritt er in dessen Zelle und stellt ihn zur Rede. Es ist ein Monolog, Jesus sagt kein Wort. Der Kardinal rechtfertigt sich, und nach und nach stellt sich sein Unglauben heraus. Er wirft Christus vor, die Menschen zu überfordern durch die Zumutung der Freiheit der Nachfolge, und stellt sein und der katholischen Kirche Gegenprogramm des Menschenglücks auf Kosten der Freiheit vor. Der Gegensatz kulminiert in der biblischen Erzählung der Versuchung Jesu in der Wüste. Der Kardinal wirft Jesus vor, falsch entschieden zu haben, und Brot, Wunder und Macht abgelehnt zu haben. Der Großinquisitor und das von ihm repräsentierte Denken geht hier andere Wege und korrigiert Jesu Entscheidungen - zum Wohl der Menschen, wie er beteuert.

b.

Die Selbstrechtfertigung des Großinquisitors ist stets mit der römisch-katholischen Kirche und ihrem Machtstreben in Zusammenhang gebracht worden. Aus der Sicht des Romans, seiner Figuren wie seines Autors, handelt es sich aber um ein europäisches, aufklärerisches Denken, im Gegensatz zum russischen großen Gefühl, und die Jesuiten geben weniger die Kirchenvertreter als die Aufklärer innerhalb der Kirche. Die römische Kirche ist dem Russen also zu aufgeklärt, zu skeptisch und rational. Ähnlich wie Bert Brecht fordert der Kardinal, zuerst die Menschen zu sättigen und dann erst von Freiheit zu reden. Indem er das satanische Angebot, aus Steinen Brot zu machen, annehmen würde, deklariert sich der Kardinal als in Sorge um die Menschen. Seine Position erscheint als die verantwortungsvolle, während die Position Jesu radikal, aber für einfache Leute nicht nachvollziehbar wäre.
Auch in der zweiten Versuchung habe Jesus abgehoben reagiert und das Wunder verworfen, während die Menschen doch der Wunder bedürfen und ihrer Verehrung in der Gemeinschaft der Gläubigen. Wieder steht der Kardinal auf der Seite der einfachen Menschen und des Volkes, und die Geschichte und Massenpsychologie gibt ihm Recht.
Auch als Jesus Macht und Herrschaft ablehnte, habe er nach Ansicht des Kardinals unklug und unbarmherzig gehandelt, denn die Menschen bedürften der Unterordnung; fehlten kirchliche Autoritäten, so suchten sie eben andere Abhängigkeiten, weltliche, politische oder kommerzielle.
Der Kardinal führt vor, wie und warum er und seine Institution Jesus korrigiert habe – während dieser schweigt.

c.

Der Großinquisitor erscheint als abgeklärter Asket, wissend und willensstark, verantwortungsbewusst und dem einfachen Menschen verpflichtet. Er hat sich darum aber von Jesus lossagen müssen, dessen Wahrheits- und Führungsanspruch er einschränkt. Der alte Mann hat die Argumente auf seiner Seite, ebenso die Erfolge und die Erfahrung, während Jesus daneben bloß ein stummer Einzelner ist, in Liebe, aber ahnungslos. Aber zweifellos weiß der Alte um das Prekäre seiner Position, sonst würde er den Heiland nicht einsperren und zu Wort kommen lassen. Immerhin wagt er die Konfrontation und glaubt, sich vernünftig rechtfertigen zu können – was ihn auch aus protestantisch-paulinischer Sicht ins Unrecht setzt. Seine Sorge um die Menschen entpuppt sich somit auf allen Fronten als selbstgerecht und im eigentlichen Sinn als ungläubig, und gerade das ist der Grund, warum er sie überhaupt vorzubringen wagt im Angesicht des Herrn, den er nicht anerkennt.

d.

Die von Großinquisitor vertretene Position soll als Prinzipialisierung bezeichnet werden. Da er auf die Rückführung seiner Motive auf Christus verzichtet, braucht er ein anderes Prinzip seines Handelns, und als solches fungiert die Sorge um die Menschen. Dieses Vernunftsprinzip erscheint zunächst dem bloß existenziellen, aber schwer nachvollziehbaren der Nachfolge Jesu doch klar überlegen zu sein. Jedenfalls repräsentiert es deutlich die tatsächliche Geschichte des Abendlandes und seiner Herrschaft von Vernunft und Effizienz. Der russische Vorbehalt erscheint dagegen eher rückständig.
Natürlich ist nicht von der Hand zu weisen, wie korrupt dieses System ist. Was der Großinquisitor als seine Erfolge ausgibt, lässt sich ganz und gar auch in der Sprache von Leid und Klage vernehmen, seien es die Hingerichteten oder die zwar gesättigten („glücklichen“), aber Machtlosen. Und in diesem Gegensatz zwischen Herrscher (in Sorge) und Beherrschtem (unfrei) tritt nunmehr die ganze Unerbittlichkeit dieser Position hervor, vollkommen verkörpert in der Gestalt dieses asketischen, verbitterten, illusionslosen Alten. Wenn Effizienz das Prinzip ist (Brot, Wunder, Autorität), dann wird unweigerlich bald über Leichen zu schreiten sein. Konzentrationslager und Gulags haben das unmissverständlich vorgeführt, für beide der hier verhandelten Mentalitäten, die westliche wie die östliche, und weltweit scheint keine Mentalität frei von dieser Versuchung.

e.

Gegen solches Handeln aus Prinzip, das zunächst von der größeren Sorge um die Menschen geleitet ist, alsbald sich aber gegen diese wendet, stellt die Geschichte vom Großinquisitor ein anderes Motiv. Das Auftreten Jesu erscheint völlig uneigennützig, planlos und spontan. Ohne didaktisches Prinzip schreitet er durch die Mengen, und wer und was ihm begegnet, wird gewandelt und geheilt. Etwas unbiblisch fällt auf, dass Jesus überall erkannt und anerkannt wird, und von lukanischen Polemiken und johannäischen Zurückweisungen ist keine Rede. Jesu Aura ist reflexionslos und unmittelbar, und deshalb den einfachen Menschen näher als dem gebildeten Kirchenführer.
Weiters fällt Jesu Sprachlosigkeit auf, die gewiss auch nicht biblisch ist. Aber indem der Herr ohne Erklärungen und Anweisungen den Menschen nahe kommt, erweist sich doch eine bestimmte Art von Präsenz, die keiner Erklärung bedarf, wo doch von ihm und über ihn, wie der Kardinal provokant bemerkt, schon alles gesagt ist. Seine Gegenwart wird beantwortet mit Wiedererkennen, und vom gläubigen Volk kommt Zustimmung – vom Kardinal aber, der sich seiner Präsenz ebenfalls nicht verschließen kann, Ablehnung.
Diese Situation einer Präsenz, die sich nicht aus irgendeinem Prinzip ableiten kann, sondern nur aus der Existenz, und die in der Folge auch hinterfragt und abgelehnt wird, soll nun Fraglichkeit heißen. Es wird in der Folge dieser Name in allen Richtungen ausgebreitet werden, und seine Bedeutung mag sich fast ins Gegenteil verkehren, aber dabei kann immer das hier dargestellte Gegenüber im Auge behalten werden, nämlich von derjenigen Präsenz, die in sich selbst unmittelbar ist, aber an Systemen und vernünftigen Beweggründen gemessen durchaus fraglich erscheint.


2. Lenaers, Der Traum des Königs Nepukadnezar


Auch mit großer Geste kommt Lenaers, als Bannerträger der zeitgemäßen Adaptierung des Christentums. Alles bisherige sei mittelalterlich, skandiert der Priester und Jesuit, es müsse alles in eine neue, zeitgemäße Sprache übersetzt werden. Wunderglaube, Marienfrömmigkeit und Papstverehrung seien Show, dogmatische Formulierungen unverständlich oder falsch, der hierarchische Kirchenapparat museal, die kirchliche Morallehre lachhaft und unbeachtet. Lenaers fegt alles vom Tisch, was unseren Glauben und unsere Kirche ausmacht, bestenfalls hegt er gewisse Sympathien für den Protestantismus. Was ist aber das Fundament dieser umfassenden Dekonstruktion? Ist hier ein Ungläubiger am Werk, oder ein Agnostiker, der alles offen lässt, nachdem er es entwertet hat? Oder ist es ein Gläubiger einer neuen Art zu glauben, einer neuen Religion, die sich auf den Trümmern der alten aufrichten will? – Nun, Lenaer ist Priester, noch immer.

f.

Zunächst zieht Lenaers gegen Heteronomie ins Feld. Eine Kirchenführung bevormunde das Kirchenvolk, das sich indessen längst seine eigene Meinung gebildet habe und sich um Anweisungen und Regeln nicht mehr kümmere. Basis der Heteronomie sei aber das Axiom der beiden Welten, sprich, neben der realen erfahrbaren Welt noch eine Oberwelt: die Welt Gottes, der Engel, der Wunder, und die Welt der Toten. Diese Oberwelt reguliert strafend und richtend das Geschick der Menschen, in der Gestalt des Gott-im-Himmel, soweit Lenaers mit bestimmt der Mehrheit der modernen Europäer, gläubig oder nicht.
Diesem mittelalterlichen Denken stellt er einen modernen, autonomen Glauben gegenüber. Und auf diesen darf nun der Leser gespannt sein. Denn nun wird, wie im Traum des babylonischen Königs, der alle Machenschaften seines Volkes zerbrechen sieht, die Trinitätslehre, die Christologie, die heilige Schrift, von der Glaubenstradition und dem Lieblingsfeind, die Marienverehrung mit den Begriffen der Jungfräulichkeit, der Gottesmutter, der Himmelfahrt und der unbefleckten Empfängnis gar nicht zu reden, aber auch die Kirche, die sieben Sakramente und das Leben nach dem Tod Schritt für Schritt zum Mythos erklärt. Und dennoch bleibt ein christlicher Gottesglauben zurück. Er stützt sich auf ein Kernereignis des neuen Testaments, die Botschaft Jesu, gereinigt von den späteren kirchlichen Zusätzen. Lenaers nennt den verkündigten Gott den Gott-in-der-Tiefe. Er sei in der Schöpfung selbst erfahrbar, und ein Gläubiger würde in Gemeinschaft mit ihm leben.

g.

Zentrum des christlichen Glaubens ist Jesus Christus. Sein Lebenszeugnis ist auch für Lenaers unbezweifelbar, beziehen sich doch seine Jünger auf ihn, sowie auch ganz andersgläubige Zeitgenossen. Seine Geburt in Betlehem jedoch sei literarische Fiktion, die der Anbindung an die alttestamentliche Messiaserwartung diene. Ebenso wäre das Bekenntnis seiner Auferstehung eine biblische Zurechtlegung. Lenaers anerkennt die Erfahrung der Jünger, er lebe! – aber er dekonstruiert die Rede von am dritten Tage auferstanden als biblische Metapher, die überdies durch keine alttestamentliche Prophezeiung vorbereitet sei, weder Tod des Messias, noch dessen Auferstehung, und auch nicht die Dreitagesfrist. Lenaers Argument ist die Heteronomie der biblischen Sprache. Die Auferstehung selbst sei gar nicht berichtet, die Erzählungen vom leeren Grab, vom Stein und von den Erscheinungen des Auferstandenen bloße Verbildlichung der tiefen Erfahrung der Seinen, er lebe, auch nach seinem Tode, und er lebe in ihnen fort, und in ihren Taten.
Das Bekenntnis der Gottheit Jesu würde ebenfalls nachträglich die große Wirkung dieses Menschen in bildliche Worte zu fassen versuchen, die aber anderen biblischen Christustiteln gleichzustellen wären.
Was bleibt? Jesus von Nazaret.

h.

Was Lenaers in seinem Buch durchdekliniert, ist die Fraglichkeit des Glaubens. Sie tritt zunächst dadurch in Erscheinung, indem jedes seiner Elemente hinterfragt werden kann. Das ist zwar keine Neuigkeit, und bereits in den biblischen Texten selbst angewendet, die sich ja gegenseitig interpretieren und umdeuten. Es handelt sich aber um eine besondere Fragegestalt, die erst in der heutigen Zeit möglich ist. Lenaers nennt es realistisches (= mythologiefreies) und theonomes (statt heteronomes) Denken. Die Befragung geht von bestimmten Prämissen heutigen Denkens aus und selektiert daraufhin die Glaubensinhalte. Dabei kommen die üblichen historischen Rekonstruktionsmethoden zur Anwendung, indem älteren Zeugen mehr vertraut wird als jüngeren, oder wenn bestimmte Interessen eines Autors berücksichtigt werden. All das ist ja in der Bibelexegese des 20. Jahrhunderts zur Selbstverständlichkeit geworden. Und man kann den Eindruck haben, hätte Lenaers erst in den achziger Jahren (oder später) Theologie studiert, so müsste er über Dogmenhermeneutik kein Buch mehr schreiben, denn jede Dogmatikeinführung handelt von der zeitbedingten Sprache der Glaubensformulierungen.
Aber Lenaers will nicht verständlich machen, was wir glauben, und an wen, sondern er will zeigen, dass der bisherige Glaube unmündig und unfrei macht. Er zeigt von Anfang an seine Karten, er spricht von Autonomie, Heteronomie und Theonomie, und er nennt die Rede vom Himmel eine Parallelwelt. Und so muss gesagt werden: Gewiss ist der Glaube selbst etwas Fragliches, ist er niemals völlig identisch mit seiner jeweiligen Gestalt. Gewiss ist der Ursprung seiner inneren Fraglichkeit in der Beziehung des Menschen zum geheimnisvollen Gott zu sehen, an der jede bestimmte Ausdrucksform sich zu bewähren hat – wie das übrigens ja auch von jeder rein menschlichen Beziehung zu sagen ist. Aber gerade diese innere Unwägbarkeit kommt bei Lenaers mitnichten zum Vorschein, sondern wird geradezu zugehämmert, indem er auf seinen eigenen Positionen beharrt.

i.

Lenaers würde im Sevilla des 16. Jahrhunderts vielleicht wenig Sympathien für den Machtmenschen haben, der Abweichler hinrichten lässt. Aber wenn er von seiner eigenen, unbehelligten Position aus Jesus und seine Zeugnisse hinterfragt, dann gebiert er sich wie der Inquisitor. Ohne von der inneren Bedeutungsgeschichte der Texte gerührt zu sein, vergibt er objektive Zensuren und übergibt dem Feuer, was seinem Urteil nicht standhält. Und wie jener spekuliert er auf Rückhalt in den Massen. Man möchte ihn sich wie Iwans Erzählung bei Jesus in der Zelle vorstellen und ihm andemonstrieren, dass er weder auferstanden noch Gottes Sohn sei, und es ist wie oben leicht einzusehen, dass der Befrager sich keine Pause und keine Gegenrede Jesu leisten kann. Eine solche wäre es nämlich, wenn die besprochenen Glaubenszeugnisse nach ihrem wirklich Gemeinten befragt worden wären, und nicht nur nach der heutigen Messlatte.
Also erweist sich Lenaers Position ebenfalls als Prinzipialisierung: Statt mit den Gläubigen ihre Erfahrungen in all ihren Sprachen durchzubuchstabieren und dabei das zu suchen, was sich darin anfanghaft ausdrückt, ohne schon ganz zur Erscheinung zu kommen (man möge sich die Fraglichkeit der Glaubensformen wie einen dreidimensional geöffneten Raum vorstellen, in dem das geschichtlich Werdende des Ausdrucks, das immer besser Verstandene und das sich niemals zur Gänze selbst Zeigende sich unaufhörlich neu ereignet), wendet er sich seinem Autonomieprinzip zu und verharrt dort.

j.

Was noch zu Lenaers zu sagen wäre: Zwar wehrt er sich gegen den Vorwurf des Pantheismus, den seine Rede von Gott-in-der Welt provoziert. Aber der Transzendenzbegriff, Hauptzeuge des christlich-jüdischen und islamischen monotheistischen Gottesbegriffs, ist nirgendwo gewahrt. Man kann schon verstehen, dass diesem modernen Glaubensverkünder mit seiner modernen Gemeinde die Vorstellung einer mit Engelklassen und Heiligenscharen bevölkerten und von der Gottesmutter dominierten Himmelswelt nicht behagt und er damit auch nicht argumentiert. Aber solche Bilder sind doch nicht identisch mit der Transzendenz, sondern bestenfalls ein Hinweis! DSC01615
Ein angemessenes Transzendenzverständnis aber hätte Lenaers zu mehr Freiheit gegenüber den Ausdrucksformen des Glaubens führen können, wie es etwa das zweite Laterankonzil gelehrt hat. Es hätte nämlich die Bedeutung der jeweiligen historischen Glaubensgestalt relativiert angesichts des sich offenbarenden Schöpfergottes. Auch die behauptete moderne. Auch die eigene Lenaers.

k.

Man könnte ihm noch ein aufs Juristische reduziertes Sakramentenverständnis vorwerfen, das er folgerichtig bekämpft, ohne die eigentlich personale Dimension in den Blick zu bekommen – Personalität hat er aus seiner Theologie genauso wie Transzendenz ja ausgeschlossen. Und die dritte fehlende theologische Dimension ist die ontologische, die zwar einen Gleichklang mit modernem Liberalismus erleichtert, aber allen besprochenen Phänomenen die sogenannte Tiefendimension beschneidet. So kommt Lenaers zu einem evolutionistischen, nicht aber zu einem theologischen Schöpfungsverständnis.
Dass er solcherart zerzaust wird, muss er sich wohl gefallen lassen, ist er doch selbst in seinen Methoden nicht zimperlich. Wer auf 150 Seiten die gesamte Theologie- und Kirchengeschichte abmontieren will, muss doch Gegenreden einstecken können. Lenaers tritt im Gewand des radikalen Erneuerers auf, der schon längst beargwöhnte Glaubensinhalte für nichtig erklärt, dem aber entgegenhält, dass dennoch eine Art von Glauben möglich sei. Als Retter geriert er sich, so wie der Großinquisitor.


3. Von Fraglichkeit und Prinzipialisierung


Dieses Begriffspaar fand bisher hermeneutische Anwendung. In der Textanalyse wurden damit Argumentationsmuster markiert, die dann zwischen den Texten vergleichbar wurden, sowie auch mit der Eigenart von den Glaubensformen, die von den Texten interpretiert wurden. Nun soll aber ihrer jeweiligen Eigenart nachgegangen werden.

l.


Der Begriff Fraglichkeit beschreibt die Erfahrung, dass eine Sache befragt werden kann, dass sie sogar in gewisser Weise diese Fragen hervorruft oder provoziert. Wenn z.B. ein Gesetzestext, von dem Eindeutigkeit erwartet wird, verschiedene Auslegungen und Anwendungen zulässt, dann gilt er als fraglich. In diesem Sinne kann die ganze Welt als fraglich dargestellt werden, denn sie lässt ja eine unendliche Zahl von Fragen zu. Besonders das Aufkommen der Naturwissenschaft hat dazu beigetragen, denn davor war manches durch apodiktische Aussagen verstellt. Die Erforschung der Naturphänomene hat einerseits die Erfahrung der Fraglichkeit gefördert. Als nicht mehr die Erde, sondern die Sonne im Zentrum der Welt zu stehen schien, konnte das Menschen buchstäblich den Boden unter den Füßen wegziehen, denn sie konnten ihren leibhaften Erfahrungen nicht mehr vertrauen. Als auch die Sonne zu einem unbedeutenden Gestirn wurde, schien der Mensch ins Bodenlose zu stürzen. Das ist eine treffende Einführung in die Erfahrung der Fraglichkeit. Scheinbar feste Maßstäbe schwinden, der Boden wankt, den Menschen schwindelt.

m.

Dagegen weht sich eine Gegenbewegung. Heute spricht man vom Urknall und hat den Eindruck, damit etwas Endgültiges und Eindeutiges gesagt zu haben. Dabei steht der apodiktische Charakter der Aussage in keinem Verhältnis zu ihrer hypothetischen Konstruktion, und die anschauliche akustische Metapher suggeriert eine Sinnlichkeit, die tatsächlich auf keiner Stufe des Theoriegebäudes gegeben ist. Warum geben sich dennoch so viele gebildete und kritisch denkende Menschen mit dieser ans Mythologische reichenden Metapher zufrieden und reihen sie in ihre Dogmatik ein?
Weil die Fraglichkeit allein unerträglich ist. Der Mensch sucht Antworten. Und wenn das, was zur Frage steht, schon schwer zur Gänze erkannt werden kann, und erst recht kaum umfassend beantwortet, so neigt der Mensch dazu, Antwortmuster auszubilden, um die hereinbrechende Fraglichkeit der Phänomene abzudrängen. Es werden Antworten behauptet, ohne sie wirklich anzuwenden. Z.B. die Meinung, die moderne Naturwissenschaft hätte Antworten auf alle wichtigen Fragen – und wenn jetzt noch nicht, so würden sie doch gewiss in absehbarer Zeit gefunden. Dieser hypothetische Optimismus ist gewiss vergleichbar mit der unkritischen Autoritätsgläubigkeit, der Papst hätte auf alle Fragen die richtige Antwort, oder er würde sie bald finden. Gegenwärtig sind anscheinend die Massenmedien damit beschäftigt, ihre Autoritätsgläubigkeit zu falsifizieren, indem sie genau das den kritisierten Gläubigen andemonstrieren.
Diese behauptete Antwort wird hier Prinzipialisierung genannt. Um der Überprüfung ihrer Antworthaftigkeit zu entgehen, gibt sich diese (ungeprüfte) Antwort als Axiom, d.h. sie beruft sich auf unüberprüfbare Grundsätze. Lenaers spricht von Autonomie (Theonomie, womit eigentlich so etwas wie die islamische Scharia gemeint ist, oder die zehn Gebote), der Großinquisitor von seiner Sorge um das Glück der Menschen.

n.

Die Fraglichkeit ist gewiss nicht in erster Linie eine religiöse Erfahrung. Die Grundlagen des Lebens werden in jeder Notsituation fraglich. Fragen der Liebe, der Gerechtigkeit, der menschlichen Beziehungen, aber auch der Moral, oder naturwissenschaftliche Fragen nach Bestandteilen der Materie oder des menschlichen Erbgutes, offenbaren jeweils auf andere Weise, dass die Welt nicht aus bloßen Fakten und Tatsachen besteht, sondern in jeder Hinsicht überaus fraglich ist.
Genau das gilt auch für Glaubenswahrheiten. Ob Trinität oder Inkarnation auch als absolute Wahrheit dargestellt werden: Ihre Wahrheit liegt darin, was genau sie eigentlich beantworten. Die Präsenz des Schöpfers in der Schöpfung, des Christus in der Gemeinde, das sind Erfahrungen, die nicht unfraglich sind. Der einzelne Gläubige sucht nach Vergewisserung, die Gemeinschaft nach Erklärung und Ritual, mithin nach Antworten auf das, was in der erfahrenen Präsenz fraglich wird. Fraglichkeit und Antwort gehören zusammen und verstärken einander. Sie gehen Schritt für Schritt auf eine Radikalität zu und nähern sich so der Wahrheit. Ein Antwortversuch, der sich hingegen vor der Fraglichwerdung abschneidet, indem er an nicht zur Frage stehenden Grundsätzen anschließt, heißt Prinzipialisierung. Das ist an ideologischen Argumenten, an apodiktischen Aussagen, an Gefühlsdogmatismus und an vielen anderen Beispielen zu beobachten, wo man das Nachfragen aufgibt. Aber unschwer ist zu erkennen, dass Fragen das Ursprünglichere ist, nicht das abschneidende Antworten. Ist nicht ein Beten, das nach Gottes Willen fragt, das Höhere?

o.

Trotz allem ist es gut nachvollziehbar, wenn jemandem die erfolgten Darlegungen zu schnell gegangen sind. Denn eine wesentliche Sache fehlt noch in dieser Darstellung, und damit gerade die Mitte und der Ursprung beider, der Erfahrung der Fraglichkeit wie der menschlichen Aufbäumung in der Prinzipialisierung. Denn zuerst und grundlegend ist eine Präsenz. Der Gott, um dessen Verständnis und angemessene Darstellung gerungen wird, und sei es auch als Negation, hat sich allererst mitgeteilt und zu erkennen gegeben. Und auch die Phänomene der Welt geben sich kund, sodass der Mensch nach ihnen fragen und Weisen ihrer Erforschung ersinnen kann. Präsent ist, was sich zu erfahren gibt. Und die heute höchstentwickelte Weise, diese Erfahrung zu erschließen, ist die hermeneutische. Auch die theoretische Physik ist in diesem Sinne nichts anderes als Sprachwissenschaft: Ausreizen der Denkmöglichkeiten, um den Phänomenen gerecht zu werden. Auch im Ringen um den Willen Gottes, um die Bedeutsamkeit seiner Offenbarung und zugleich ihre Entzogenheit, sowie im Nachvollziehen aller unserer Antwortgestalten im Denken und Tun, geht es ja immer gerade um dieses eine, auch wenn es nicht und nicht genannt und angesprochen wird: nämlich um seine Präsenz, um seine Anwesenheit. Dies ist zuerst, und dies ist in der Erfahrung aufzusuchen. Dann erst stößt die Erfahrung auf das Fragliche, und schließlich produziert sie immer wieder, anscheinend unumgänglich, auch die Prinzipialisierung. Aber damit muss man nicht aufhören

Dienstag, 4. Mai 2010

Visionen aus dem vorigen Jahrhundert

*künstlerisch-entwickelnde
pastoral*
Positionspapier zu einer
pastoralen Konzeption

1.

a.

MEINE PASTORALEN ERFAHRUNGEN: Ich wuchs im Wiener Arbeiterbezirk Floridsdorf auf, ging dort zur Schule, kannte „Pfarre“ nur als Gottesdienstbesucher. Geprägt hat mich damals ein Religionslehrer und Pfarrer eines Jugendzentrums. Nach meiner Übersiedlung in die Leopoldsstadt engagierte ich mich in St.Josef, „Karmeliterkirche“. Mit ver-trauensvoller Hilfe vom damaligen Kaplan übernahm ich Jugendarbeit - bald auch Firmkatechese, für die wir während eines ganzen Jahres gemeinsam ein Konzept entwickelten. In dieser kleinen, vielfach benachteiligten Pfarre kam ich mit dem „Geist der Entwicklung“ in Berührung, der während der Kriegsjahre schon den von mir verehrten Otto Mauer in dieser Pfarre infiziert hatte, und der sich vorerst in dem stillschweigenden Übereinkommen äußerte, für Firmkatechese und Jugendarbeit, aber auch Gottesdienstgestaltung nur Primärtexte zu verwenden, also selbstverfaßte Beispielsgeschichten oder literarische Texte hoher Qualität, Identifikationsspiele, oder etwa einen Abend zum Thema „Schuld“ in der Karwoche zu gestalten - in jenen Tagen, als über Waldheims Vergangenheit viel diskutiert wurde. Ich las lange Passagen aus Horwaths „Jugend ohne Gott“, ein Jugendlicher hatte dazu Bilder gemalt, die auf Dias präsentiert wurden, und mein Kompagnon Andreas spielte zum Text mit Freunden live Selbstkomponiertes in Leitmotivtechnik ein. Meine wichtigste Aktion aus dieser Zeit und meine erste Begegnung mit Neuer (atonaler) Musik.
Seit 1985 unterrichtete ich in der Hauptschule und lernte dort professionell Entwicklungsarbeit. Ich war z.B. im ersten Jahr Klassenvorstand von 36 vierzehnjährigen Burschen. Mein drittes Unterrichtsjahr verbrachte ich in Karenz und widmete mich meiner eigenen Entwicklung. Im Philosophiestudium, in Schreibversuchen über die menschliche Freiheit und in ungebremstem pastoralen Engagement verfolgte ich die Frage nach meiner eigenen Lebensentscheidung - solange bis die Frage mich verfolgte, warum ich nicht endlich nachgäbe und Priester würde. Bei dieser Frageumpolung hatte die Lektüre von Musils „Der Mann ohne Eigenschaften“ entscheidenden Anteil.
Am 1.April 1988 meldete ich mich bei Regens Toth an. Das war ein Karfreitag, und dieser sollte sechs Jahre dauern. Studium und studentisches Leben waren zwar freudvoll, aber geistige und spirituelle Enge von Priesterseminar und Leitung ein schwerer Klotz und eine Zwangsjacke, die mir die Luft abschnürte. Ich wurde durch Studenten und Leiter mit einem Ausmaß an Existenzangst und Zwanghaftigkeit konfrontiert, das einen auf sich Gestellten, der gewohnt ist, „auf eigene Faust zu leben“ (Zitat Musil), völlig überfordern muß. Glücklicherweise war ich nicht allein, sondern gestützt und umsichtig geleitet durch einen erfahrenen Entwicklungsförderer, der selbst aber, als eigenständig Denkender und Unangepaßter, denselben Anfeindungen ausgesetzt war wie ich. Wohl kaum jemand hat die Vorgänge in der Erzdiözese Wien so aufmerksam verfolgt wie jener Pfarrer, und ist für so viele Menschen helfend und fördernd eingetreten, und höchstens prominente Vertreter haben ähnlich viel Häme und Neid geerntet wie er. Schließlich fand man nur mehr seine Pensionierung als Ausweg.
In den Vorzeigepfarren, in die man mich schickte, um mich „geradezubiegen“, lernte ich verschiedene Spielarten des immergleichen Versorgungssystems kennen. In Kagran lehrte mich der Pfarrer das „Konzept der Blumenwiese“, wo alle Blumen wachsen dürfen. Nur ich wurde von Schnellerwüchsigen abgedrängt und dem Regens schlechtgemacht, sodaß ich von der Diakonweihe meines Jahrgangs, der insgesamt kaum pastorale Erfahrung besaß, ausgeschlossen wurde. Dann kam ich nach Ober St. Veit mit seinen elaborierten Umgangsformen und seinem gutbürgerlichen Dorfcharakter. Hier lehrten mich die jungen Damen und Herrn Mitarbeiter, was gewünscht war. Die Propheten aber, die ich damals rief, sind noch immer aktiv und in spirituell und existenziell sehr tiefer Verbindung mit mir. Ich begann damals, die Entwicklungsförderung auf prophetische Charismen zu konzentrieren, die in jeder Pfarre vorhanden sind, wenn auch nicht unbedingt im Zentrum des Aktionismus. Die größte Erfüllung in diesen Jahren aber erfuhr ich in der Arbeit mit den Kindern, besonders in der Waldorfschule, wo ich von 1994-98 Religion unterrichtete. Die Kinder begleiteten mich 1995 zur Diakonweihe, 1996 zur Priesterweihe in den Dom und saßen dort ganz in meiner Nähe. Von da an gab es Schulmessen in der nicht gerade katholischen Waldorfschule. 1998 fuhr ich mit der 6.Klasse ORG und dem Lateinlehrer und der Geschichtelehrerin und Klassenvorständin für eine Woche nach Rom. Die lebendige Geschichte (eigentlich ein waldorfpädagogi-sches Ziel ersten Ranges) der römischen Antike, der christlichen Anfänge und der Renaissance bewegten Lehrer und Schüler aber schon Monate davor (jeder Schüler hatte ein Referat gehalten an Ort und Stelle) und hoffentlich auch noch später.
Meine erste Kaplanspfarre in der Brigittenau führte mich wieder in eine Arbeiter- und Kleineleute-Soziologie wie in Kagran, diesmal aber inhomogen durch den außerordentlich hohen inländischen und ausländischen Migrantenanteil. Die Bildungslosigkeit, Kommunikationsarmut und Beziehungskälte dieser Milieus treibt den Rechtspopulisten in Scharen die ehemaligen Linkswähler zu - was die Bezirksvorsteher wissen und darum durch Kontakte zu den Pfarren zaghaft gegensteuern. Mir kam das in Allerheiligen zugute, als ich ein regionales Integrationsprojekt mit öffentlicher Unterstützung durchführte. Ich holte (im Alleingang) Schulen, Moscheen, Künstler, Politiker und, am wenigsten beteiligt, auch Pfarren zusammen, um ein Monat lang die gemeinsamen Wurzeln in der Türkei in der Region zu thematisieren. Wenn heute die Medienpräsenz als Gradmesser des Erfolges gilt, dann sind 50 Minuten Ö1 und 10 Minuten ORF2 ein gutes Ergebnis. Auch der Besuch der beiden Veranstaltungen am Anfang und am Ende ließ nichts zu wünschen übrig. Der wirkliche Erfolg dürfte aber in der Herstellung mancher Kontakte zwischen Bevölkerungsgruppen liegen - eine Einstellungsänderung wird kaum stattgefunden haben.
Das zweite Projekt dieses Arbeitsjahres holte vier befreundete albanische Künstler nach Wien, wo sie in der Votivkirche ihre Werke präsentierten (ich unternehme gerade weitere Anläufe, um die damals mir überlassenen Werke auch zu verkaufen), und wo in einer Eucharistiefeier auch musikalisch neue Wege begangen wurden. „Kunst in Kirche“ erscheint mir immer mehr als pastorale Notwendigkeit, keineswegs als Luxus (wie in meiner damaligen Pfarre mit ihrer Garagenkirche mit Linoleumboden und abwaschbaren Tapeten).


b.

DIE LITURGIE: Wie ein Fenster in die inneren Vorgänge einer Pfarrgemeinde ist mir immer die Liturgie erschienen. Die Umgangsformen (sie haben nach meiner Erfahrung den größten Prägecharakter und bestimmen am meisten die „Identität“ des Kollektivs - alles andere ist ihnen ideologisch nachgeordnet), die Arbeitsformen (einer statt allen, oder Konformismus, meistens mit oligarchischer Ausprägung), und v.a. was man für das Wichtigste im Glauben hält. In den Wiener Pfarren, die ich kenne, ist das meist Anpassung an Modernismusideologie, entweder im vornehm intellektuellen Ö1-Stil (Hietzing) - oder eben wie Ö3: anbiedernd, schrill, geschmacklos, inhaltsarm. Das orientiert sich nach der Platitüde „Zu den Leuten gehen“. Auch meine engagierteren Jungpriesterkollegen, die in Niederösterreich arbeiten, folgen solchen Leitbildern. Ein anderes, weniger häufiges, aber stark bindendes Leitbild gibt Caritas und Mission, weil handfeste Hilfe für Andere (Ferne) europäisch abstrakte Lebensformen veran-kern kann.
Die Verunsicherung der in den späten 60ern und v.a. in den 70ern dogmatiklos ausgebildeten Priestergenerationen in ihrem Selbstverständnis äußert sich meist in der Selbstpräsentation, antiklerikal aufzutreten und mit dem „System Kirche“ möglichst wenig in Verbindung gebracht werden zu wollen - gepaart mit dem populistischen Unbehagen gegen jegliche Obrigkeit (dessenungeachtet sie alle autoritär über Reste regieren). Daher wird die Liturgie zur Protest- und Kontraveranstaltung - bei den Engagierteren -, und zum großen Teil ist der wildwachsende Eigenbau völlig inkompatibel mit der Liturgie schon der Nachbarpfarre - ein Problem schon bei Vertretungen, aber v.a. ein Motor zur Erzeugung eines Konkurrenzdrucks zwischen den Pfarren. Das Miteinander im Klerus, das längst stillschweigend durch Freundeskreise in den Pfarren ersetzt wurde (oder kompensiert?), ist daher geprägt durch heimliche Mißbilligung der Sonderwege der anderen, die den eigenen Sonderwegen diametral entgegenlaufen.
Darüber hinaus sind die liturgiegestaltenden Einflüsse auf die Einzelinteressen von Mitarbeitern beschränkt und von ihren Vorlieben für konservative oder aktionistische Formen. Dem schweigenden konservativen zufriedenen, sich versorgen lassenden Gemeindeteil steht der junge, sich inszenierende gegenüber, der sich mit bestimmten bevorzugten Liederbüchern selbst eine gefällige Umgebung bereiten möchte, die jedoch selten inhaltlich zu binden vermag.
Die Steuerung solcher liturgischer Entwicklungen erfolgt nach persönlichen Vorlieben, meist nach Zweckrationalität - aber kaum noch habe ich einen pastoral Tätigen kennengelernt, der nach der sachlichen und personalen Notwendigkeit gefragt hätte. Das Studium der Liturgiegeschichte oder der liturgischen Überlegungen des Konzils und der Kommissionen erfolgt höchstens, um eigene Vorlieben zu rechtfertigen. Liturgische Bildung und Interesse der Mitarbeiter wie der Gemeinde ist marginal. Was ich v.a. immer wieder vermißt habe, ist, sich mit dem Sinn liturgischer Handlungen auseinanderzusetzen. Wenn Volks- oder Hochaltar danach beurteilt werden, ob man die Gemeinde sehen will oder nicht, wird das Wesen des Altars gar nicht zur Frage. Wenn eine Participatio der Gemeinde darin gesehen wird, daß Menschen zur Gottesdienstzeit den Gottesdienstraum betreten und sich eine Weile darin aufhalten, dann erscheint der Gemeindegesang, die Sammlung, die Umschreitung der Versammlung, die Darbringung der Gemeinde-Gaben als Schnickschnack, für den niemand ernsthaft einen Finger rührt. Wenn Gotteswort und Orationen als litaneiartige lautmalerische Atmosphärengestaltung verstanden werden (von etlichen Mitarbeitern auch in Kärnten ausdrücklich so bezeichnet!), dann wird sie je nach Qualität und Geschmack möglichst gekürzt oder durch allerlei Lokaltraditionen ausgeschmückt werden. Wenn Chorgesang als feiertägliche Herablassung würdiger Damen und Herrn erwartet wird, dann ist Volksgesang nur mehr Pausenfüllung, und Anleitung desselben Fleißaufgabe. Daß sich trotz jahrzehntelanger Chorgesangsausbildung nahezu niemand auftreiben läßt, der sich als Kantor einer Ge-meinde gegenüberzustellen bereit ist, bestätigt diese Beobachtung von Selbstein-schätzung und Liturgieverständnis der Mitwirkenden und Verantwortlichen. Und da, wenn überhaupt etwas am Gottesdienst bereichernd sein kann (z.B. besuchen 80-90% meiner Taufgesprächspartner in Ferlach und Maria Rain die Kirche falls überhaupt, dann am liebsten allein, wenn sie leer ist), dies nur von der Predigt selbst erwartet wird, versinkt man davor und danach in eine Art Dämmerschlaf, um dann moralistisch bestätigt oder beunruhigt zu werden (im Falle älterer Priestergenerationen). In allen meinen pfarrlichen Bibelgesprächen (auch in Wien) wurde stets eine moralische Auslegung erwartet und geboten - mitunter in psychologischer Verbrämung im Stil Drewermanns -, und ohne daß man überhaupt auf den Text schaut und hört, weiß man schon, was dadurch erlaubt, gefordert und verboten wird.
Und zuletzt und zuerst maßgeblich sind die Erfahrungen der Menschen mit dem vorherrschenden Stil liturgischen Feierns, der ihnen in der eigenen Pfarre begegnet, als kanonische Meßlatte. Und den empfinden sehr viele Menschen unter 30, ja sogar unter 40, als langweilig und nichtssagend, reine Pflichterfüllung zur Beruhigung und Reinigung des Gewissens (auch der älteren Verwandtschaft). Alle meine Gesprächspartner bei Taufgesprächen in Kärnten haben Taufen in der Sakristei oder im Spital erlebt, die unter 10 Minuten gedauert haben. Alle sind ahnungslos über Inhalt und Bedeutung der Taufe, niemand (100%) hat jemals zuvor eine christologische Begründung der Taufe gehört und brächte von sich aus das Taufgeschehen mit Christus in Zusammenhang statt mit Ängsten wie: „Wenn das Kind stirbt, damit es in den Himmel kommt...“, oder mit kopfschüttelnd widerwillig vorgebrachtem „Wegen der Erbsünde...“. 2/3 der Firmkandidaten gehen wegen der Verwandtschaft zur Firmung, etwa 1/2 bezeichnet sich selbst als ungläubig.
Ich fasse diese Erfahrungen zusammen in dem Begriff Relevanzverlust. Die Ritualisierung des Sonntagvormittags, angereichert mit Anektotischem aus der Predigt, motiviert durch die tangentiale Begegnung mit (lieben) Menschen; das alles zusammengehalten und unterfaßt von der Ahnung von innerer, allerdings verborgener Richtigkeit und abstrakter Heilsbedeutung des Vollzugsganzen. Eine solche Motivationslage wäre vielleicht ausreichend in einer hermeti-schen Nachkriegsgesellschaft mit hohen Pflicht- und Anpassungswerthaltun-gen, profilierter Ausdruck eines wählbaren, stark kollektiv orientierten christlichen Ethos. In individualistischer Motivationslage erscheint solche Liturgie- und Gemeindekonzeption vorwiegend interessant für ältere Generationen und Anpassungsbedürftige. Ansonsten bietet die Pfarre jede Menge Freizeitgestaltung und Sinnstiftung, die auf gleicher Ebene erscheint wie Sportvereine, Feuerwehr und Musikgruppen. Die Notwendigkeit der Funktionen ergibt sich jeweils daraus, daß es sonst ja niemand machen würde - aber nicht aus dem Sinn des Ganzen. Und dieser Sinn des Ganzen müßte m.E. in der existenziellen Relevanz der Liturgie zusammengefaßt zum Ausdruck kommen - transparent und zugänglich für jeden Teilnehmer, affektiv und intellektuell kommuniziert und vollzogen. Ich halte die zugesagte Präsenz Christi in der Eucharistie für so bedeutend, daß auch die antwortende Präsenz der Gemeinde entwickelt werden muß, weil die Gegenwart des einen die Gegenwart des anderen erschließt.


2.

a.

VORÜBERLEGUNGEN ZUR GEMEINDE- UND LITURGIEKONZEPTION: Ich sehe Sinn und Aufgabe pastoraler Arbeit in der Heranführung der Menschen an die Gegenwart Christi in der Eucharistie. Das eröffnet mehrere in unserer Situation zugängliche Dimensionen von Seelsorge:
• Ein entwickelnd-heilender Umgang der Menschen miteinander: Nicht die Funktionserfüllung steht im Mittelpunkt, sondern die Menschwerdung der Gläubigen. Personzentrierte Gesprächsformen mit therapeutischem An-spruch (i.w.S.) sowie suchende, fragende und gestaltentwickelnde Vollzüge prägen das Gesamtbild. [Das pure Gegenbild dazu: eine „Wir sind wir“- Club-mentalität, die starre Vollzüge mit großem Aufwand in Gang hält, um fixierte Identität aufrechtzuerhalten]
• Ausgang und Ziel Liturgie: Festkreise, liturgische Elemente und Symbole (Wasser, Blut, Fleisch, Wein, Brot, Kreuz, Chrisam, Prozessi-on/Gehen, Hören, Sprechen/Singen, Stille, Schauen...) bestimmen Aufgaben und Vollzüge. Sie sind Themen der Auseinandersetzung und Vorbereitung von Gruppen. Die Aktivität dieser Gruppen ist somit themenbezogen und auf die An-eignung durch die Gemeinde orientiert. [Der Kontrast dazu: die Präsentation ei-nes an sich bedeutungslosen Wandteppichs in der Kirche, den die Gruppe ... gemacht hat und damit ein Lebenszeichen von sich gibt]
• Ein sich fortwährend reflektierender und weiterentwickelnder Selbstvollzug: Persönliche und gruppendynamische Stabilisierung soll durch Auseinandersetzung und Kompetenz erreicht werden, nicht durch abgeschlos-sene und ausschließende Formen. Z.B. soll die fünfte Neukonzeption der Oster-liturgie nicht fixe Bausteine und festgelegte Aufgabenverteilungen bereitstellen, sondern Erfahrung im Gestalten und Nachfragen nach dem Sinn. Gleichwichtig wie die Durchführung selbst ist demnach die tiefschürfende Vorbereitung und die umfassende Erfolgskontrolle durch Beobachtungen und Befragungen. Damit eng in Zusammenhang steht die
• Intellektuelle Entwicklung: Das durchschnittlich vorhandene Glau-benswissen auf Volksschulniveau, angereichert mit massenmedial produziertem Meinen, ist unserer hochintellektualisierten Welt nicht angemessen, in der schon die Bedienung von Computer und Fernsehfernbedienung den Geist mehr heraus-fordert als die Religion. Aber zum „Wissen“ gehört Verstehen, Erkennen und Interpretieren gesellschaftlicher, politischer (bes. in Kärnten), kultureller und re-ligiöser (i.w.S.) Erscheinungen. Entwickelte Theorie und entwickelte Praxis be-dürfen einander.
• Künstlerischer Anspruch: „Kunst“ ist hier nicht akademisch ver-standen, auch nicht nur vom Werk her, sondern als Prozeß der Auseinanderset-zung. Es geht nicht um möglichst perfekten Nachvollzug von Formen (z.B. Lie-der), sondern um experimentelles Beschreiten neuer Wege, ohne konfliktscheu zu sein. Das führt zu einer Ausweitung der Bereiche und Dimensionen. Musik im Gottesdienst führt über die Schubert- oder Katschtaler Messe hinaus zu Neuer Musik, Gregorianik, atonalen, seriellen oder elektronischen Experimenten, Perkussion, zu Musik anderer Völker und v.a. zu verschiedenen Formen von Gemeindebeteiligung in Hören, Mit/Nachsingen, Tanzen, Text, Klang, Melodie verinnerlichen usw. Andere Bereiche: Kirchenraum, Bewegung, Licht, Literatur. Diese Dimension zeigt am deutlichsten die Zukunftsorientierung der ganzen Konzeption.
• Integrative Vollzüge: Eine Isolierung und Abschottung von Grup-pen ist vorübergehend möglich, um konzentriert bei einer Sache bleiben zu kön-nen - im ganzen aber ist die Bildung von Sondergruppen unerwünscht. Auch das Sonderbewußtsein der Gemeinde soll sich darauf beschränken, für andere schon erprobte Wege bereitzustellen. Eine solche Gemeinde müßte ein regiona-les Zentrum darstellen, das suchende und/oder in irgendeiner Weise kompeten-te Menschen anzieht. Bevorzugte Ansprechpartner müssen alle pastoral Tätigen sein, z.B. Religionslehrer. Kooperation mit anderen Gemeinden und der Kirchen-leitung müssen selbstverständlich sein. Auf jeden Fall müssen Kompetenzen im-portiert werden, d.h. Menschen, die etwas für die Entwicklung der Gemeinde Relevantes können, eingeladen werden. Auch soziale, religiöse und ethnische Begegnung ist ein wichtiges Ziel dieser Dimension (somit die Bereiche Caritas und Mission).
• Spirituelle Dimension aller Vollzüge: Spiritualität erschöpft sich nicht in Gebetsübungen. Meditation, Bildung von Leib und Seele, v.a. ein ganz-heitliches Menschenbild prägen Liturgie und Alltag. Mystische Tiefe wird nicht auf Sonderbereiche ein-(aus-)gegrenzt, sondern in der Vertiefung aller Dinge gesucht. Vielleicht ist auf diesem Wege eine Verbindung mit den sog. Fernste-henden am ehesten möglich, die sich häufig an bestimmten Vollzügen stoßen, deren Offenheit aber durch die Konfrontation mit der als Institution erfahrenen Kirche Begrenzungen erfährt.
Die beiden letzten Dimensionen halte ich für die wichtigsten in Bezug auf die kirchliche Erneuerung auf personeller Ebene. Ich habe nirgends soviel Ausgrenzung und Oberflächlichkeit erlebt wie im Priesterseminar und im Zu-sammenhang mit der ganzen „Priesterausbildung“. Ich habe dutzendfach gese-hen, daß man mit kreativen, lebhaften und spirituell tiefen und ernsthaften Men-schen nichts anzufangen weiß und ihnen nichts zu bieten hat, weshalb sie selbst gewöhlich nicht lange im Seminar aushalten. Das verdünnt die Begabungen im Klerus ungemein, ohne die Angepaßten zu stärken . Das hier zu entwickelnde Konzept will einen Raum zur Reifung solcher Menschen bieten.

b.

ZIELFORMULIERUNGEN: Hier sind eine praktische, vom Vollzug bestimmte Ebene von der Ebene der inhaltlichen Auseinandersetzung zu unterscheiden. Außerdem müssen allgemeine, weit ausgreifende Formulierungen konkreten, anwendungsbezogenen gegenüberstehen. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit eines Leitbildes für Gemeinde und Liturgie, das Identifikation von Mitarbeitern und Gemeindemitgliedern ermöglicht (auch Ablehnung). Für jede Dimension (s.o.) müssen Grobziele formuliert werden, anschließend (von Arbeitsgruppen) operationalisierte Etappenziele (deren Erreichung überprüfbar ist). Außerdem ist für die Durchführung wohl am wichtigsten, über die nötigen finanziellen, personellen und baulichen Mittel Bescheid zu wissen.

c.

VERFAHRENSFRAGEN: Ein solches Konzept einer bestehenden Pfarre zu implantieren erscheint gewaltsam. Entweder läßt sich der Einstieg in eine solche Arbeit mit einer Neugründung verbinden (das könnte den Vorteil eines konzepti-onellen Kirchenneubaus haben), oder eine Pfarrübernahme könnte das Konzept schrittweise einführen, adaptieren und aneignen . Das Einzugsgebiet müßte groß genug sein, um Austausch und Kommunikation zu ermöglichen. Z.B. würde ich Kontakte zur Universität, zu Künstlern und kulturellen Institutionen vertiefen und erweitern. Für kulturelle Aktivitäten wird eine professionelle PR-Arbeit u-nerläßlich sein. Begegnung und künstlerische Arbeit erfordern Räumlichkeiten, Werkstätten und Ateliers sowie Unterbringungsmöglichkeiten.
Die finanzielle Einbindung sollte die Anstellung und Unterbringung einiger hauptamtlicher Fachleute ermöglichen, die eine ganze Region versorgen könnten - z.B. für musikalische Entwicklung, für spirituelle Vertiefung, für therapeuti-sche Begleitung, für künstlerische Anleitung und pädagogische Führung. Ande-rerseits könnte bei entsprechender PR-Arbeit auch ein künstlerisch-pastorales Zentrum entstehen, das sich durch den österreichweiten Verkauf selbst herge-stellter liturgischer Geräte und Gewänder oder durch Beratung und Hilfe bei künstlerischen Kirchenraumgestaltungen z.T. selbst erhalten kann. Diesbezügli-che Kontakte zu Künstlern, Therapeuten, Gesangausbildnern und Universitäts-professoren und -Assistenten baue ich seit Jahren auf.

3.

ANSÄTZE IN MEINER BISHERIGEN ARBEIT: Das vergangene Arbeitsjahr in Maria Rain bot Gelegenheit zu manchen Experimenten. Am auffälligsten und wirkungsvollsten waren zwei Dinge, die Hinführung der Kinder zur Liturgie und die Taufliturgie, jeweils unter Einbezug der ganzen Gemeinde. Die entwickelte Präsenz der Kinder wirkte auf alle belebend. Das Charisma einiger, Zusammen-hänge schnell zu durchschauen und auszusprechen, oder das Charisma anderer (recht vieler), so intensiv im Lauschen, Gehen oder Beten anwesend zu sein, daß sie alles andere vergaßen, überzeugte die Gemeinde, allen voran die Eltern (meist Mütter) der Kinder, die deren Bewegtheit spürten.
In der Taufliturgie setzte ich meine von Schulkindern gemachte Taufstola ein, die mit Bildern aus dem langen Taufwasserweihgebet und mit Symbolen für Leben und Tod geschmückt ist, weiters verwende ich Chrisamöl in einem gläsernen Fläschchen und vermeide es, nach der Salbung die Hände abzuwischen, als hätte ich mich mit Ekeligem beschmutzt (wie bei den grünspanigen watte-verfilzten Blechdöschen), sondern verreibe und verstreiche behutsam das Öl auf der Haut des Kindes. Dabei entsteht außerordentliche Berührungsintensität. Bei Predigtgespräch und Gesanganleitung (GL 46) wurde Fremdheit schon aufgelockert und Kontakt hergestellt, bei der Versammlung um den offenen, mit Was-ser gefüllten Taufbrunnen Intensität erzeugt, beim Eintauchen der Hände ins Wasser (Epiklese) auf dieses konzentriert. Die stärkste Wirkung und Überzeu-gung geht von der vollendenden und abschließenden Präsentation des getauften Kindes am Altar aus, wenn die Gemeinde um diesen versammelt ist und das Vater unser betet.
Weiterzuführen wäre die Beteiligung der Kinder an allen Gottesdiensten als Normalform, die Vertiefung der Wassersymbolik, das Taufgedächtnis, die Verankerung der Taufe in der Osternacht, überhaupt das Taufbewußtsein und -Charisma der ganzen Gemeinde.
Durch Selbstgestaltung mancher liturgischer Gegenstände (Kelch, Evan-geliar) wurde Aufmerksamkeit auf diese gelenkt. So habe ich etwa des öfteren Stolen und Meßgewänder eigener Fabrikation verwendet - und zum Abschied eine von den Kindern selbst gestaltete Seidenstola bekommen (was sogar unbe-teiligte Gemeindemitglieder als Lernerfolg der Gemeinde bezeichneten). Die Erneuerung alter (vergessener) Bräuche, wie z.B. der Gabenprozession, hat manchmal Verwunderung und Fragen ausgelöst. Das Gespräch über solche Vollzüge wäre allerdings noch weiterzuführen. Ein großer Dorn im Auge ist mir nach wie vor die Beschränkung der Gaben auf die große Hostie (welche wo-möglich, in den kleinen Pfarren, samt Kelch schon am Altar wartet, um keine Umstände zu machen), die dann feierlich konsekriert im Mund des Priesters verschwindet, worauf er für die Gemeinde die schon längst verstauten (und versteckten) Gaben aus dem Tabernakel holt wie aus dem Kühlschrank. Die Einheit des Vollzugs ist dadurch gestört, Priestervollzug vom Gemeindevollzug abgehoben und zwei zusätzliche, sachlich nicht gerechtfertigte Wege zurückzulegen. Die ohnehin unterentwickelte eucharistische Frömmigkeit unserer Gemeinden wird dadurch weiterhin behindert.
Besonders wäre der eigene Kirchenraum zu erschließen, denn wenig Menschen in Maria Rain wissen etwas darüber, obgleich die meisten ihn sehr schätzen. Die den wunderbaren Steinboden verdeckenden Teppichböden, die vielen herumstehenden kleinen Bänklein, der monumentale Gabentisch, der üppige Blumenschmuck auf dem Hochaltar und vieles andere wäre genauer in Augenschein zu nehmen.
Für alles das und vieles mehr wäre natürlich ein ständiges Gespräch über und Interesse an liturgischen Vollzügen nötig - die Fragen danach wurden aber geweckt.
Ein Zwischenschritt aber bis zur künstlerischen Durchdringung und Verwesentlichung liturgischer und pastoraler Vollzüge, der auch in der gegen-wärtigen Praxis längst zu vollziehen wäre, ist die Einübung der Gemeinde in ihre eigenen Gemeindedienste wie Lektor (sinnerfülltes, bewußtes Lesen), Kantor, eigenes stilles und verbalisiertes Gebet (Orationen als Zusammenfassung wo-von?, Fürbitten), Antworten (Monsignore gibt sich immer selbst die Antwort und behindert damit die Gemeindeantwort) und v.a. Gesang (nicht nur zu besorgen von Stellvertretern) und Körperhaltung (gegen das zum Dösen verleiten-de Aussitzen). Dafür zumindest allmählich ein Bewußtsein zu schaffen wäre ein gutes Ziel für mein zweites Jahr in Ferlach, Dollich und Unterloibl.


Bisherige künstlerisch-entwickelnde Aktionen:
• Filmprojekt mit 15 Jugendlichen vom Rosental bis St.Veit: Schnee von ge stern - Tau von morgen
• Rilke-Lesereise nach Duino, Triest und Koper
• Musil-Lesegruppe I & II zum Mann ohne Eigenschaften
• Kindermesse in Grado
• Evangeliar aus Email mit Jugendlichen aus Maria Rain und Schülern der HTL Ferlach
• Evangeliar aus Keramik-Mosaik von Kindern aus und für Ferlach
• Ausstellungen moderner Künstler aus Albanien in St.Georgen, im Schloß Ferlach und in der Pfarrkirche Greifenburg
• Konzert Neuer Musik: Engel von Ensemble Hortus Musicus in der Stadt- pfarrkirche Ferlach (im kommenden Advent)
• Rockmesse mit selbstkomponierten Liedern zum Prophet Elija in Berg/Dr.








Ferlach, im Oktober 1999

Dieses Positionspapier wurde zwei Bischöfen vorgelegt und von einem als undurchführbar verworfen, vom anderen als pastorales Programm angenommen. Sie führte schließlich zu meiner Inkardinierung und in meine heutige Pfarre. Nach zehn Jahren prüfe ich nun die Umsetzung des damals Geschauten

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