Montag, 3. November 2008

1. grunderfahrungen

a.

Erfahrungen wie die, vom Psiloritis-Gipfel in Kreta abzusteigen, immerhin fast 2500 Höhenmeter und, hätte ich nicht im Übermut den Weg verloren beim Abstieg, jeweils sieben Stunden hinauf und dann wieder hinunter zu steigen, so also länger, und daher bei einbrechender Dunkelheit über die letzten Schafweiden und Steinmauern auf das Dorf Kamares zu: und dann nichts mehr gesehen! Im Blendlicht der Straßenlaternen mit den Händen weitergetastet, durch Gestrüpp und über Mäuerchen, ohne die Spur eines gebahnten Weges, bestimmt noch eine Stunde lang, am Dorfrand entlang, jeden einzelnen Schritt sorgfältig gesetzt in der völligen Entzogenheit des Bodens. Nicht zu sehen, wo man steht und wo man hinsteigt, sozusagen in der Unwegsamkeit schwebend, und nach allen Seiten tasten und irren, vor, zurück, seitwärts – und irgendwann doch einen Durchschlupf finden, und endlich befreit hinaustreten auf die Dorfstraße und hinüberschreiten zum Quartier, und dann wieder aufgefangen von der Sorgsamkeit des Wirts, dem guten Essen und dem festen Dach/

Oder voriges Jahr in Neum, der einzigen bosnischen Stadt am Meer, von der Magistrale, die an der Küste entlangführt, wo Urlauber mich mitgenommen haben, nachdem ich schon beinahe im Landesinneren gestrandet wäre an der Weiterfahrt von Medjugorje: und dann hinuntergestiegen die Kurven auf das Meer zu, im Finstern, und noch eine Kurve, nun muß doch schon das Meer sein, und noch eine, und dann der Kiesweg, der Parkplatz, und von drüben laute Musik und grelles Licht, aber kein Meer, kein Spiegel, kein Plätschern, nur schwarz. Langsam, Schritt für Schritt, mit gespitzten Ohren und aufgerissenen Augen: und dann endlich, die Umrisse eines Ruderbootes, das leicht, fast unmerklich schaukelt, da muß das Meer sein.

Und vorhin, beim Laufen, am Kiesweg entlang der Drau, in die Nacht hinein: etwas weniger Tempo, sehr aufmerksam für die Zeichen des Bodens, kleine Unebenheiten, Kies, Erde, Gras, Laub, im Freien, unter Bäumen, der Geruch des Flusses, der Widerschein der Bahnsignale, das Blendlicht eines entgegenkommenden Zuges. Plötzlich fällt der Weg ab, es hebt dir den Boden aus für einen Augenblick, oder an der finstersten Stelle wirst du angesprochen von einer Frau, die ihr Fahrrad schiebt und von einer weißgefleckten Katze umstrichen wird, so daß du ganz aus dem Rhythmus kommst, und beim Zurücklaufen nocheinmal.

Grund zum Gehen, zum Steigen, zum Laufen, zum Stehen – zum Suchen und Finden. Grund, dessen man habhaft zu sein glaubt untertags, und der sich nachts zurückzieht. Grund der Erkenntnis, der Orientierung, der Einsicht. An der Grenze, am Übergang zeigt sich, dass er dich preisgeben könnte, und dann tut er es doch nicht. Aber einen Grund brauchst du. Für alles.


b.

Wenn die Schüler über Franz von Assisi nachdenken sollen, dann wäre es ein schwacher Grund, was sie über ihn bisher gehört haben. Verniedlicht, verkitscht von Volksschulzeit an, zum Tierschützer degradiert. Assisi gesehen und erfahren wäre ein besserer Grund, nach ihm zu fragen. Aber auch da: aus dem Busfenster und Luxusquartier oder mit den Mühen des Fußweges gibt sehr verschiedene Gründe. Der beste Grund wird dann erschlossen sein, wenn, auf ihm stehend, die Gestalt des Heiligen in ihrer Eigentümlichkeit erkennbar wird in ihrer ganzen Fragwürdigkeit, am Sonderweg mit Mensch und Gott, und besonders mit sich selbst. Du kannst den Schüler nicht „motivieren“, den Heiligen verstehen zu wollen oder sich mit ihm zu identifizieren. Du kannst ihn höchstens auf den Boden stellen, von dem aus er den Blick frei hat auf ihn. Und zwar im Zwielicht. Im Scheinwerferlicht erkennt man das Heilige nicht. Auf einen Blick und ohne Anstrengung.
Ich lasse sie seine Charaktereigenschaften raten. Da geraten sie an die Fragwürdigkeit der Berichte, an die Selektion der Überlieferung, und beginnen nachzufragen, wie er wirklich war. Und dann tasten wir nach unseren eigenen Eigenschaften, einzeln und gemeinsam. Auch wir selbst sind nicht eindeutig und geradeheraus. – Und schon ist eine Beziehung da zwischen uns und ihm. Kein ganz Fremder mehr, wir selbst hingegen etwas verfremdet. Und seht ihr: so entsteht ein gemeinsamer Boden. Und dann geht’s zur Sache. Dann kommen die Berufungsstationen, die immer Entfremdung bringen und Grund bieten und entziehen zugleich. Und keine Erfahrung ohne Herausforderung, ohne eigene Stellungnahme, ohne eigene Sinngebung. All das Widerstrebende muß beantwortet werden, das Widersprüchliche ausgehalten. So kommt er Schritt für Schritt weiter, und unter seinen Füßen zeichnet sich ein Boden ab, ein Weg nach und nach. Kaum ist sein Weg benennbar, kaum hat er Gefährten, kaum bekommt er Anerkennung: da ist schon wieder alles gefährdet, da beginnt sich unmerklich unter der Hand, im Weitergehen, der mühsam errungene Weg zum System einzurollen, da möchte man schon wieder alles habhaft haben, eine Gemeinschaft ordnen, Häuser bauen und um Unterstützung werben. Aber Franz gibt das Zwielicht nicht auf. Er bleibt auf dem Boden, der unter seinen Füßen entsteht. Keine asphaltierten Plätze. Ob ich ihnen das zeigen kann.


c.

Schwester Johanna hat lange Jahre quälenden Suchens hinter sich. Eine gute Ausbildung, eine gute Stelle, ein guter Freundeskreis haben ihre Unruhe nicht stillen können. Ein solches bürgerliches Leben ist nicht genug Boden für jemand, dem Gebet bereits Nahrung geworden ist, und wenn zunächst verschiedene Wohngemeinschaften und Arbeitsstellen ein Weg-Tasten waren, so führte die Spur später zu Schwesternhäusern und Ordensgemeinschaften. Diese Art Gehen ist immer mit dem nächsten Schritt beschäftigt, da helfen keine Übersichtskarten und Entfernungsangaben, da gibt es noch keine festen Kriterien. Da hat man nur Zeichen, und die müssen entschlüsselt werden anhand der wogenden und fließenden Innerlichkeit, ohne Vorbild, ohne Ratgeber, ohne Vorwissen. Eigentlich eine unmögliche Aufgabe. Aber der Boden wird unter dem Füßen.

Schwester Johanna lebt schon über zehn Jahre mit der ewigen Profeß, und heute noch können einige ihrer damaligen Freundinnen ihren Weg nicht verstehen. Obwohl sie selbst religiös sind. Aber auch für sie selbst sind noch viele Fragen offen, vielleicht noch mehr als anfangs. Und sie selbst findet sich immer wieder, und immer tiefer in Frage gestellt, sie ringt und kämpft – und löst, oder findet Auseinanderfallendes gelöst in Gott. Vielleicht würde sie zustimmen, dieses Beantwortenlassen des Fraglichen in ihr selbst und überall in Gott für das Geistliche ihres und unseres Weges zu halten/

2. grund in der bibel

a.

Das Gleichnis vom Sämann (Mt 13,1) entfaltet sogleich alle Arten des Grundes: als Weg, als Felsen, als überschattet von Dornen, sowie als Boden - γη. Ihre Differenz liegt darin, wie sie aufnehmen können und festhalten: der Samen muß sich geradezu einwachsen können, also mit dem Grund verbinden und einswerden, dann kann er zu sich kommen und den Halm entspringen lassen, der am Ende Frucht bringt. Die Fruchtbarkeit ist das Kriterium des Gründens – daran ist der Grund erkenntlich.
Als guter Boden wird der Gläubige herausgestellt (13, 23), der Gottes Wort hört und versteht, der also Gottes Sprechen in sich aufnimmt und damit schwanger geht, bis es sich verwirklicht.
Wesentlich ist das Grundsein des Gläubigen: kein Wissen, kein Überblick über den Vorgang, kein Einfluß darauf, kein Zugriff, sondern die Offenheit und Empfänglichkeit, sodaß das ergangene Wort sich einnisten kann im Grunde, ein geheimnisvoller, entzogener Vorgang. Und wenn es soweit ist, läßt der Gläubige das Wachsende entspringen: das ist bereits seine Fruchtbarkeit vom Grunde. Ja, Entspringenlassen braucht Mut und Selbstüberwindung, aber es ist eigentlich ein Gewährenlassen, was sich von selbst Bahn bricht. Zur Frucht am Ende trägt er bei: Festigkeit und Feuchtigkeit – zwei beinahe widerstrebende Dinge, die zueinander in Dynamik stehen. So ist der Gläubige also selbst ein beweglicher, lebendiger Grund seiner Berufung – und keinesfalls ihr Herr.

b.

Das Gleichnis von den Arbeitern am Weinberg (20,1-16) thematisiert weniger den Boden, als den Ertrag. Es muß nicht die Ernte selbst sein, auch das Zurückschneiden der Reben ist Arbeit, die viele Arbeitskräfte braucht. Der Boden ist als fruchtbar vorausgesetzt – das starke Wachstum erzeugt Arbeit. Das Anlegen des Weinbergs, das Aussäen bleiben unerwähnt, im Blick sind die Mühen der Pflege oder Ernte. Hier geht es nicht um die, in denen der Samen der Berufung bereits austreibt, sondern um die Berufungspfleger oder Seelsorger. Ihre Mühen werden problematisiert – von ihnen selbst, während der Gutsbesitzer sich auf diese Problematisierung nicht einläßt. Die Mühe ist nicht das Kriterium, sondern die Verfügungsbereitschaft, um am richtigen Ort eingesetzt zu werden. Jetzt geht es bei ihnen um das Hören auf den Auftrag, und um die elfte Stunde werden einige mit leisem Vorwurf als Schwerhörige oder Abwesende kenntlich. Sie alle aber werden nach und nach zum Grund geschickt, um daran zu arbeiten: so vergeht der Tag.

c.

Das dritte Gleichnis von den bösen Winzern (Mt 21, 33-43) erzählt nun vom Ertrag des Weinbergs. Das Problem ist nun, was mit ihm geschieht: der Gutsbesitzer will den Ertrag abholen, aber die Pächter haben ihn für sich selbst verwendet. Darin offenbart sich ihr Mißverständnis von Erbe: von der Beseitigung des Erben ergeht keineswegs ein Anspruch auf dessen Besitz. Auch hier ist der Boden als fruchtbar vorausgesetzt; er tritt insofern ins Bild, als es um seinen Besitz geht – also wieder um den Verfügungsanspruch. Die Pächter können keineswegs als mit diesem Boden verbunden angesehen werden - ihr Aneignungsversuch setzt sich ja über seine Entstehungsgeschichte und Bedeutung hinweg und tut ihm/dem Besitzer Gewalt an. Die Lösung läge darin, den Grund zu bearbeiten und seine Früchte zu pflegen und zu übergeben/

3. berufungsoffene gemeindebilder

a.

Erste Schlußfolgerungen: Von der Bibel her ist die Fruchtbarkeit des Grundes kaum problematisiert, eher der Umgang mit ihm. Selbst die Einnistung des Wortes, also des Gottesrufes, ist entzogen und geheimnisvoll und ereignet sich, sofern der Grund aufnahmebereit ist. In dieser Offenheit allerdings liegt ein Existenzproblem: die kann verstellt, verhärtet oder bestandslos sein, so daß es zu keiner Befruchtung kommt. Aber das wurde nicht als Schuld herausgestellt!

Die Bereitung des Grundes wird im Demütigwerden zu sehen sein, also im Aufgeben des Zugriffs, im Unruhigsein, im Suchen und Ringen um den eigenen Weg, um die Entschlüsselung des Wortes, um seine vorläufige Identifizierung. Und dann kommt das Entspringenlassen, das Heraustreten aus dem Boden. Das ist grundsätzlich in zweierlei Richtungen zu verfolgen: einerseits, was die individuelle Berufung betrifft, also die persönliche Identität mit dem Wort Gottes, und andererseits als Aufgabe für die ganze Gemeinde.

Eine Gemeinde, die Berufungen fördert, wird viel Gewicht legen auf die individuellen Glaubenswege der Einzelnen. Da wird nicht so sehr die Funktion des Gesamtsystems im Vordergrund stehen, auch nicht unbedingt der Servicebetrieb für alle Bedürfnisse, denen ein überforderter Priester hinterherhetzt. Da wird die Predigt ein offenes Ende haben, statt für jede Lebenslage eindeutige Anweisungen zu geben, da wird Selberdenken gefordert sein, und da werden keine Phrasen wiederholt, sondern unaufhörlich neue Wege beschritten, im Denken und in der Methode. Der Kanon gedenkt fürbittend des Papstes, der Bischöfe, Priester und Diakone – warum nicht auch der Ordensleute, Ehepaare, Eltern, Jugendlichen und Kinder? Und aktuell sollen nicht nur Verstorbene, sondern auch Neugetaufte und Vermählte genannt werden!

Die Pflege der Berufungspflänzchen braucht einen langen Atem. Schnellschößlinge werden wieder zusammenfallen, menschliche Reifung braucht Jahre – aber regelmäßige Zufuhr von Wasser, also ein kontinuierliches kirchliches Gemeindeleben mit vielen Stegen, an denen einer anlegen kann. Zumindest eine Station muß es geben, die ausdrücklich persönliche und Glaubensentwicklung fördert und begleitet. Dort sollen auch Neue auftauchen können und angenommen werden – nicht nur theoretisch, sondern eingeübt. Ein Beispiel: Unsere „prophetische Gruppe“ setzt bei der Salbung in der Taufe zum „Priester, König und Prophet“ an und setzt daher prophetische Berufungen in der Gemeinde voraus. Diese werden gesucht, zu einer Gruppe gesammelt (die notwendig veränderlich ist!) und dann den prophetischen und Berufungstexten der Bibel gegenübergestellt. Und hier soll ein Wiedererkennen stattfinden: dieses Wort, jene Verheißung, diese Erfahrung ist in meinem Leben ja bereits verwirklicht! Die meisten unserer Propheten haben bereits eine richtige Bekehrung erfahren.

Der Zuwachs an berufbaren Personen sollte nicht das Hauptproblem sein. Es gibt Gemeinden mit Dutzenden – 50, 70, 100 Erstkommunionkindern oder Firmkandidaten pro Jahr: aber sie schleusen sie durch eine Schnellabwicklung und trachten, sie loszuwerden, damit sie bald – und irgendwo – gefirmt werden und dann auf Jahre verschwinden. Es gibt Tauffamilien, die mit kaum einer Glaubenserfahrung völlig unbelastet kommen – und dann nur Zurechtweisungen hören. Bei Bebräbnisansprachen wird ja oft den größten Erwartungen zu begegnen sein, aber auch das könnte weniger rituell und dogmatisch und mehr glaubensstärkend und entwicklungsoffen sein: wir sprechen ja nicht für die Toten, sondern die Erben. Ehepaare kommen mit größter Zukunftshoffnung, und sind meist versucht, ihre Liebe abzusichern in privater Subjektivität. Und die Meßbesucher, Sonntag für Sonntag bereit, sich auf ein Geschehen und Wort einzulassen. Viele Menschen also, darunter auch offene, empfängliche. Die Frage ist eher, das richtige Wort zu finden.

Die Mitarbeiter: mit ihnen beschäftigen sich die Gleichnisse am meisten. Wir können sie dazu kommen, selbst zu Berufungspflegern zu werden? Bestimmt durch entschiedenste Beobachtung und Förderung aller Talente gerade bei ihnen selbst. Durch viel Freiraum, sich zu entwickeln, auch wenn nicht immer zum (unmittelbaren) Vorteil der Gemeinde. Das darf nicht mit Laissez-faire verwechselt werden, mit Einfach-laufen-Lassen: Engagierte Menschen sich nur selbst zu überlassen wäre pastoral fahrlässig.

Im Zentrum einer berufungsoffenen Gemeinde wird eine Liturgie stehen, in der alle Gemeindedienste vollständig verwirklicht und gepflegt werden, von den Ministranten bis zum Mesner, den Lektoren, Kantoren, Kommunionsspendern, Wortgottesdienstleitern, Segensfeierbeauftragten, Diakonen, Fürbittenverfassern, Liedplanerstellern, Organisten und anderen Musikern, Chören, Kollektensammlern, Kirchenreinigern und Gärtnern. Auch eine integrative Eucharistiefeier ist zu empfehlen, die immer offen ist für Kinder, Jugendliche, Ehepaare, Kranke, Arme, Taufen, für alle Arten Musik und Kunst. Aber es gibt auch Mitarbeiter-Ausbildung. Manche Hausfrauen haben gedacht, ihr Glaube wäre genug für eine Eucharistiekatechese. Diese Selbstgewißheit mußte ein wenig aufgebrochen werden. Der „Grundkurs Theologie“, den ich eigens für meine in der Verkündigung tätigen Mitarbeiter halte, wirft viele Fragen auf und problematisiert das Vordergründige. Ich verstehe ihn als Entwicklungshilfe für die Wandlung des mitgebrachten Kinderglaubens in einen erwachsenen, der auch vor Kinder- und Jugendfragen standhält und Wegweisung geben kann.

b.

Zweite Reflexionsstufe: Ich will die Grunderfahrung in der Gemeinde – und auch in der Schule! – als das unaufhörliche Kommen von Menschen ansprechen. Auf geheimnisvolle Weise treten Menschen auf, werden sichtbar, entfalten Wirkung und Ansprüche. (Selbst wenn die Kinder schon vorher bekannt waren, selbst wenn man sie von klein auf kennt: als Erstkommunikanten, als Firmkandidaten erscheinen sie neu, in einem neuen Rahmen, und sind/werden neu.) In unserer Pfarre kommen auch immer wieder Urlaubsgäste und auch religiös Suchende zum ersten Mal und neu in den Sonntagsgottesdienst. – Aber dann müssen sie angesprochen werden! Das ist eine Existenzfrage für die Gemeinde, und das nicht nur zur Mitarbeiterrekrutierung. Hier erweist sich, ob die Gläubigen für Berufungen offen sind. Und ob sie den Ruf weitergeben können, den sie selbst empfangen haben. Das entscheidet sich im und nach dem Gottesdienst selbst, das ist aber auch an den Strukturen der Gemeinde ablesbar. Ob immer wieder gleiche Programme abgespult werden, oder ob auch die jeweiligen Menschen – als Gemeindemitglieder oder Mitarbeiter – in ihrer Eigenart zur Geltung kommen.

Nach sieben Jahren in einer Gemeinde mit äußerst schwacher Religiosität und vorerst sehr wenigen, altgedienten Mitarbeitern zeigt sich: der Grund trägt! Immer wieder erscheinen Menschen in der vielfältigen Öffentlichkeit der Gemeinde, interessante Menschen, neugierige, suchende. Nach und nach entschließen sich solche, die bisher nur am Sonntag erschienen sind, zuerst nur in der Messe, später auch im Pfarrcafe, dann auch einmal, in nähere Bekanntschaft zu treten, in der einen oder anderen Gruppe, und dann schließlich einmal, selbst irgendwo Verantwortung zu übernehmen. Beinahe alle jetzigen Mitarbeiter, ehrenamtliche wie hauptamtliche, sind auf solche Weise aus dem Grunde erwachsen.

Zur Pflege dieses Grundes zählt auch die Arbeit an der Öffentlichkeit. Das hat gar nichts damit zu tun, eilfertig es allen recht machen zu wollen, oder bei allen Festen anzutanzen. Mir liegt mehr an der Errichtung einer diskursiven Öffentlichkeit, indem Themen aufgeworfen werden – einerseits mittels der eigenen Medien der „Sonntagsöffentlichkeit“, des Schaukastens, des Pfarrbriefes, der Kirchenzeitung – andererseits aber auch in nichtkirchlichen Medien. Kooperationen mit der Stadtgemeinde, z.B. bei der Errichtung eines Parks um die Kirche, haben solche erweiterte Öffentlichkeit gebracht, Konzerte und andere künstlerische Veranstaltungen, besonders aber auch die Themen (und Vortragenden!), die der „Kritische Oktober“ gesetzt hat. Da haben wir die Fragen gestellt, und Bürgermeister, Chefredakteur, Spitzensportler, Firmenchef haben geantwortet – vor unserer Pfarröffentlichkeit. Und die Themen waren Entwicklungsthemen: „Öffentlichkeit“, „Frau in Kirche“, „Kritischer Konsument“, „Entschiedenheit“, „Die am Rande sind“.

c.

Dritte Reflexionsstufe: Das Entspringenlassen ist der Hauptvorgang einer berufungsoffenen Pastoral. Ich will den springenden Punkt an einem Beispiel verdeutlichen: mit Kunst haben auch andere Gemeinden zu tun. Kirchenchor, Vernissagen, Kirchenführungen. Ich aber verstehe pastorale Kunstförderung nicht als Einladung namhafter, teurer Kunstdarsteller, sondern gerade umgekehrt als Förderung unbekannter, junger, abseitsstehender Künstler, und das nicht mit Geld, sondern mit eben unserer Öffentlichkeit! Wir finanzieren übrigens alle Kunstveranstaltungen über Subventionen. Aber auch unsere eigenen Vollzüge wachsen an der Kunst: ich denke an den jährlichen Kompositionsauftrag zu Christi Himmelfahrt, der unser liturgisches Feiern jedesmal neu herausfordert. – Mehr noch lassen wir uns herausfordern von den jährlich neu erscheinenden Kindern (und ihren Eltern), die sich auf die Eucharistie vorbereiten. Um die 50 Kinder sind ab Advent in der Sonntagsmesse und finden dort jedesmal, bis zum Frühjahr, eine auf sie abgestimmte Gestaltung. Manchmal ein Lied, manchmal ein Umzug, manchmal eine Dialogpredigt. Und immer ist die ganze Gemeinde dabei: so ist Entspringen-Lassen aus der Mitte der Gemeinde.

Das bringt mich auf die Widerstände. Unsere Sonntagsgemeinde lernt in kleinen Schritten, dass die Aufnahmefähigkeit des Bodens auch eine Belastung ist. Man braucht Geduld, guten Willen, Überwindung, auch eine neue Sprache, ein neues, ursprünglicheres Denken zu lernen. Kinder sprechen Dinge geradeheraus an. Wenn zwischen den Ansprüchen altgedienter Gemeindemitglieder oder denjenigen von Kindern oder neu Dazugekommenen zu entscheiden ist, bevorzuge ich eher die Neuen. Wenn ein Thema Staub aufwirbelt und auf Widerstände stößt, hält mich das nicht im geringsten ab. Das bedeutet, dass pastorale Entscheidungen ein gewisses Risiko eingehen. Eine solche Gemeindeentwicklung fördert daher viel weniger die Systementwicklung und –verhärtung, sondern die Elastizität. Es gibt Dinge, die scheitern, und das braucht nicht verschwiegen zu werden. Als diesen Sommer keine Jugendreise zustande kam, hab ich das jene Eltern merken lassen, die ihre Kinder woandershin schickten. Die Widerstände zeigen die Festigkeit des Grundes, das Risiko den Willen zum Entspringenlassen.

Der wesentliche Vorgang in einer berufungsoffenen Gemeinde (analog auch: Religionspädagogik) als Dialog, als Ansprechen des Grundes besteht also einerseits in gestalterischen Initiativen, und andererseits in der antwortenden Pflege dessen, was diesem Grund entspringt: nach und nach mit dem auf uns Zukommenden etwas anfangen können!

Dienstag, 19. August 2008

In seinem Element

Vielleicht koennte das ein Schluessel sein zu dem, was ein "geistlicher Beruf" bedeutet: Dieses Schweben zwischen Himmel und Erde wie im Netz, in dem man hunderte Meter entlang des Felsens hochgezogen wird zu den Meteora-Kloestern. Oder das Bewusstsein, dass Wasser traegt und begehbar ist, sodass man das Boot zu verlassen bereit ist.
Aber das alles ist nicht bloss ein Entschluss, der Beschluss, ein Wagnis einzugehen. Ganz deutlich ist in beiden Bildern die Gegenkraft, von der einer entgegen aller Erfahrung erfasst wird. Und beide Male ist es ein Vektor, der nach oben weist.

Natuerlich besteht der Stoff eines Priesterlebens in der Liebe zur Eucharistie, im Umgang mit den Menschen, in der Treue zum Gebet oder in organisatorischen Faehigkeiten, verbunden mit innerer Festigkeit und der Hinordnung auf das Kirchenganze. Aber sind das nicht die Eigenschaften innerhalb des Bootes? Seemaennische Faehigkeiten. Das Geistliche aber ist das Hinausgehen aufs Wasser, auf den Zuruf hin.

Vielleicht erklaert sich so, warum der Anteil von Reflexionsverweigerern, Unangepassten oder Gottesnarren seit Jahren immer groesser wird. Unter den Kandidaten immer mehr solche sind, die lange Zickzackwege hinter sich haben, auch manche Scheitergeschichte. Natuerlich muss geprueft werden, ob nicht gerade noch die buergerlichen Sicherheiten des Berufs wie eine Planke sind, nach der der Ertrinkende greift. Ob nicht vielleicht auch die Amtierenden sich zu sehr von diesen Sicherheiten bestimmen lassen und dadurch den Gemeinden ein entsprechendes Bild von Amt einpraegen. Denn der Schwankende, Irrende und Wagende kann gerade das gelernt haben, sich schnellstens vor dem naechsten Wellengang ein festes Stueck zu ergreifen und sich daran festzuklammern: ein fester Gebetsrhythmus oder die Zuneigung von Menschen -- oder aber er hat das Element selbst kennen gelernt, auf dem das Boot schaukelt, und geht zuweilen darauf ein paar Schritte.

Um dem Bild einen Rahmen zu geben, ist zu sagen, dass dieses elementar Geistliche natuerlich keineswegs auf ein bestimmtes Amt beschraenkt ist. Schon die Verheissung, die Brautleute einander sind, verweist sie auf das Wasser hinaus, auch der Mut, Kindern Leben zu schenken, auch andere verantwortliche gesellschaftliche Aufgaben. All das steht ja dem extremen Individualimus entgegen, mit dem unsere Zeit dem Menschen eine Palette von Wahlmoeglichkeiten aller Eventualitaeten bereitstellt und damit das Boot mit Decks und Aufgaengen vollraeumt, bis jeder seine eigene Abteilung hat. Aber vom Walten des Elements ist das alles gleich nahe oder gleich weit entfernt.

aus Delphi

Samstag, 17. Mai 2008

Schluß mit den unzähligen Feiertagen!

Ich fordere, die vielen kirchlichen Feiertage abzuschaffen, die kaum mehr jemand versteht, und deren einzige erkennbare gesellschaftliche Funktion in kurzen Urlaubsreisen zu bestehen scheint. Ich sehe gar nicht ein, wieso eine überwiegende gesellschaftliche Mehrheit, die sich in Radioumfragen mit beispiellos vollständiger Unkenntnis bereits über den Sinn des Weihnachts- und Osterfestes brüstet, dann genau zu diesen Zeiten von der Erwerbsarbeit ausruhen soll, die aber gerade von dieser Mehrheit zum Sinn und Zweck des Lebens erklärt wird, und wenn nicht das Arbeiten selbst, so zumindest das uneingeschränkte Kaufen, und das bedeutet ja doch auch wieder Arbeiten – und der demokratische Gerechtigkeitssinn dieser Mehrheit wird gewiß einsehen, dass der Konsum als Lebenspriorität nicht nur für Lebensmittel- und Tourismusbranchen gelten können soll, für Transportwesen und soziale Hilfsdienste, sondern dann schlechtweg für alle.

Denn die Minderheit der bekennenden und praktizierenden Christen, die schon seit Jahren zusieht, wie Gott aus der Verfassung ausgegrenzt wird, aber Homosexuelle heiraten können sollen, während heterosexuelle Paare immer seltener zum Traualtar kommen, wird zwar mit der gleichen Wehmut statt wochentags am Vormittag, dann am Abend eines Arbeitstages, oder am darauffolgenden Sonntag den Feiertag in der Kirche feiern, wie sie den Einzug von Santa Claus in die Warenhäuser oder von Halloween in das Allerseelenfest erduldet hat. Aber der Sinn der Feiertage ließe sich aufrechterhalten.

Was uns Katholiken aber zum Gewinn würde, wäre, wenigstens in diesem Punkt nicht mehr als langweilige, gestrige Verhinderer dazustehen. Ich rate ja nicht dazu, auf den Schutz des ungeborenen Lebens zu verzichten, das gehört natürlich zu den kirchlichen Kernanliegen, oder der Schutz der Frau vor der allgegenwärtigen sexuellen Verfügbarmachung. Auch die industrielle Reproduktion des Menschen mittels Gentechnologie wird Hauptkampfgebiet bleiben, und alle Fragen der sozialen Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft wie in der Weltgesellschaft. Das ist unverzichtbar mit dem jesuanischen Sendungsauftrag verbunden, an den wir uns zu Pfingsten (!) erinnern.

Gewiss werden manche nun um die gesellschaftliche Präsenz der Kirche besorgt sein, denn die zahlreichen kirchlichen Feiertage ragen ja immer noch in unsere säkulare Welt hinein wie die Kirchtürme. Aber man wird die Kirchtürme auf lange Sicht nur mit Beteiligung der öffentlichen Hand, nicht nur der katholischen Kirche halten können, und wenn nicht, denn müssen sie verkauft werden. Ebenso ist es schon dem 8. Dezember ergangen, andere spätherbstliche kirchliche Refugien ziehen bereits begehrliche Blicke an sich.

Mir ist aber bei diesem Rückzugsgefecht auf breiter Front äußerst unbehaglich. Mir erklären Pfarrfamilien mit großem Ernst, dass sie die Feiertage für die Familie brauchen, schon lange ist ein Urlaub nötig, ein paar Tage am Meer mit den Kindern, oder für die alljährliche Party auf der Almhütte, ein wichtiges gesellschaftliches Ereignis. Und ich stehe mit geschwächtem Mitarbeiterstab in der Kirche, der halben Ministrantenschar, gottlob einige Feriengäste, welche die Lücken zudecken, wir sind ein beliebter Tourismusort, und auf diese Weise könnte sich die Verschiebung ja ausgleichen, aber unsere verreisten Katholiken tun das an ihren Urlaubsorten mitnichten, sie erzählen es mir.

Natürlich äußert sich die Kirchenleitung ganz anders, das sind ja auch keine Strategen, sondern Seelsorger, und ihre Domkirchen stehen meist in Urlaubsorten. Natürlich wissen sie, dass unser säkulares Mitteleuropa sich weit mehr kirchliche Feiertage leistet als wirklich katholische Länder, und sind stolz darauf. Aber sie geben damit das Gesetz des Handelns aus der Hand und verlegen sich aufs Bewahren, während ich einen kirchlichen Fortschritt darin sähe, in bestimmten Bereichen die Themenführerschaft zu haben und die Gegner reagieren zu lassen. Die Politik würde augenblicklich die Segel streichen, nicht nur, weil sie außerordentlich mit sich selbst beschäftigt ist, sondern weil sie schon lange (und unbemerkt) auf jegliche gesellschaftliche Gestaltung verzichtet hat. Die Politik ist Dienstleistung im Sinne der Interessensvermittlung, hat unser Bürgermeister vor versammelter Sonntagsgemeinde erklärt. Die Gewerkschaften würden nicht so schnell beigeben und in manchen Reihen auch überrascht und enttäuscht sein, sich aber umso stärker mit der Kirche verbünden können in der Verteidigung des Sonntags, und ebenfalls mit Erleichterung nicht mehr als ewige Verhinderer dastehen müssen. Ein großer Gegner würde mir natürlich in der Lehrerschaft erwachsen, und das würde mich ja auch selbst betreffen. Aber vielleicht käme die Unterrichtsministerin auf die Idee, die freigewordene Zahl schulfreier Tage nun in die autonome Verantwortung der Schule zu übergeben! Dann könnten endlich wirklich kompakte Reisezeiten konstruiert werden, anstelle der bisher verbliebenen Rumpfwochen von Montag bis Mittwoch, wo schlecht motivierte Schüler neben den leeren Stühlen entweder plötzlich krankgewordener oder in familiärer Übereinkunft mit dem Direktor sonderbeurlaubter Mitschüler ausharren.

Ich schlage ein gestuftes Vorgehen vor: Zuerst die von den meisten unverstandenen und unvollzogenen Feiertage in der warmen Jahreszeit abschaffen – das würde uns nebenbei auch die Peinlichkeiten der verbliebenen Prozessionen durch die Gassen voller Türken oder zwischen den vollbesetzten Kaffeehausgärten ersparen. Das Fest würde dann am darauffolgenden Sonntag gefeiert, wie in den meisten anderen katholischen Ländern. Sodann die doppelten Feiertage am Ostermontag, Pfingstmontag und Stefanitag. Auch der Feiertag des jeweiligen Landespatrons hat zwar manchmal Jahrmarkt- jedoch selten Kirchencharakter. Und die großen Hochfeste sind großteils ohnehin am Sonntag, und der Weihnachtstag sollte möglichst lange bestehen bleiben – so lange, bis auffällt, dass dieser der Festtstag ist und nicht der Vorabend. Ehrlich gesagt hätte ich aber auch mit seiner Verschiebung auf einen Sonntag kein wirkliches Problem, wenn dabei die Geschichte seiner Entstehung deutlicher wird.

Samstag, 22. März 2008

Neue Musik zu Christi Himmelfahrt

Jahrhunderte lang wurde Kunst hauptsächlich von der Kirche gefördert und gefordert. Das galt in Malerei und Architektur, und ganz besonders in der Musik. In der Kirche war Kunst heimisch, durch sie ist sie im Abendland groß geworden und zu einem selbstverständlichen Ausdrucksmittel. Und weil Kunst sich immer weiter entwickelt, mit den technischen Fortschritten und mit den Herausforderungen dessen, was darzustellen ist, war auch jeweils die modernste Kunst in der Kirche. Hier lernte man sich gewöhnen an neue Klänge, neue Farben, neue Formen.

Nur im 20. Jahrhundert hat das aufgehört. Neue Entwicklungen in den Künsten verloren Anschluss an das gesellschaftliche Empfinden, der Geschmack orientierte sich an den großen Werken der Vergangenheit. Das wird mit Veränderungen im Kunstbetrieb zu tun haben, aber auch mit gesellschaftlichen Veränderungen hin zu einer Massenkultur.

Aber man braucht sich nicht mit allem abfinden. Da und dort besinnt Kirche sich wieder auf ihre fördernde Aufgabe. In einigen Zentren ist wieder neue Musik zu hören, in Millstadt, in Ossiach, im Klagenfurter Dom – und in Völkendorf. Und diesmal ist es ein gestandener Kirchenmusiker, der komponiert für die Festmesse Christi Himmelfahrt: Dr. Orthulf Prunner, Dekanatskantor und Organist in der Stadtpfarrkirche St. Jakob. Im Interview nahm er zu seiner Komposition Stellung.

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Herr Dr. Prunner, das Fest Christi Himmelfahrt hat einen bestimmten Inhalt. Der menschgewordene Gott, der den Tod erlitten und besiegt hat, wird in den Himmel aufgenommen, d.h. er entzieht sich der Sichtbarkeit. Wie soll dieser „Dimensionenübertritt“ in der Musik dargestellt werden?

"Durch ein stetes Ansteigen. Nicht in dem Sinne, dass die Töne immer höher werden, bis man sie nicht mehr hören kann (das war die Methode der Obertonmusik, die Bruno Strobl 2002 für die Christi Himmelfahrtsmesse gewählt hat. Anm. P.D.), sondern durch den Kontrapunkt, also eine Aufwärtsbewegung in verschiedenen Stimmlagen."

Eine Frage heutiger Menschen ist: Wo ist der Himmel, wo ist Gott? Für diese Messe: Wohin geht Christus, wenn er zum Vater heimkehrt?

"Mitten unter euch, sagt Jesus. Ich bin bei euch alle Tage, hat er gesagt. Das ist mein Grundgedanke. Die Musik wird in die Gemeinde hinein gestreut. Das soll erreicht werden, indem Instrumentalisten rund um die Gemeinde platziert werden, und, indem der einzelne unmittelbar berührt wird.
Es gibt also zwei korrespondierende Bewegungen in dieser Messe: Zu den Menschen als Einzelne und als Gemeinde, und nach oben – ausgedrückt durch Orgel und Chor auf der Empore."

An welche musikalische Grundstruktur ist gedacht, und an welche Instrumentierung?

"Es wird eine gregorianische Messe, mit Orgel, Choralschola und Oboe, und zwar eine Alternatin-Messe. Mein Vorbild ist Jean Nicolas Grigny. Ich selbst werde an der Orgel sein, die Schola Michaelis wird singen mit einigen Solisten."

Wir freuen uns auf diese Messe!


Hörbeispiel:
http://www.kath-kirche-kaernten.at/upload/44591_Einzug.VIRII%20GALILAEI.mp3

Samstag, 2. Februar 2008

zwischenergebnisse kinderpastoral

Was alles auseinandersteht in einer säkularen Pfarre wie unserer, die erst seit 40 Jahren besteht, in einem Stadtrandbereich ohne Identifikation, mit wenigen Dorfresten, die nicht kirchlich waren, einigen Gemeindebauten und Eisenbahnersiedlungen, die traditionell antikirchlich sind, und hoher Mobilität: viele junge Leute von anderswoher, für ein paar Jahre hier. Kinder, die in kurzer Zeit einen Freundeskreis aufbauen sollen, Kindergarten, Volksschule, immer mit dem Auto geführt, die meisten noch nie im angrenzenden Wald. Jugendliche, die sich mit der isolierten Lebensweise nicht abfinden und „in die Stadt“ gehen: über die Bahnbrücke, in die Stadtlokale, jede Menge Alkohol und Drogen dort im Angebot. Einkaufszentren sind die Attraktionen für Menschen.

Und jetzt Kinderpastoral.
Zuerst einmal Kontakt aufnehmen, in der Volksschule. Heuer im September war ein Gartenfest: dazu haben wir alle Kinder persönlich eingeladen, einige neue und viele bekannte sind gekommen mit ihren Eltern. Das Fest Garten Eden war für Kinder lustig, frei und spielerisch. Musik, Kinderspiele, Pantomime, Theater vor Publikum, viel Ausgelassenheit.
Taufen in der Sonntagsmesse.
Nach der Predigt gehen die Ministranten, alle Kinder und die Tauffamilien zum Taufbrunnen, Glaubensbekenntnis, Kreuzzeichen, Anrufung der Namensheiligen (die Ministranten kennen schon die korrekten Namen ihrer persönlichen Patronen), Taufe, Salbung, Taufkerze, Taufkleid, Effataritus, Taufprozession durch die Gemeinde, Besprengung mit Taufwasser. Wenn eine Samstagtaufe war, werden die Familien zur Sonntagsmesse eingeladen, um ihr neugetauftes Kind der Gemeinde vorzustellen, und im Hochgebet wird es genannt.
Gottesdienste, in denen sich Kinder wohlfühlen können.
Eine Gemeinde, die sich nicht ärgert über spielende, manchmal quengelnde Kinder. (Das ist noch am Weg) Allmählich haben wir Spielsachen und wache Mitarbeiter, die, wenn eine Mutter überfordert ist, auf das Kind zugehen können und etwas mit ihm anfangen.
Am Samstag nach dem 4. Oktober kommen Kinder mit ihren Haustieren zur Vorabendmesse, denn Franz von Assisi hatte Arme, Kinder und Tiere lieb. Im Advent begleiten wir die heilige Familie auf ihrem langen Weg und sehen sie einmal beim Kirchentor, dann beim Schriftenstand, dann auf den Kommunionsschranken und zuletzt schon beim Eingang zum Stall, den sie erst am heiligen Abend betreten.

Da manche Eltern es unzumutbar finden, dass ihre überlasteten Kinder neben ihrem dreimal wöchentlichen Trainingsterminen auch noch einen Nachmittag zur Erstkommunionsvorbereitung und dann auch noch zur Sonntagsmesse kommen sollen, haben wir eine Drittellösung eingeführt: erstes Drittel NUR Sonntagsmesse, zweites Drittel Gruppenstunden, drittes Drittel NUR Sonntagsmessen. In diesen Messen ist jeweils ein Element, das für die Kinder gestaltet wird, und zwar ein didaktisches Element: Wir begrüßen Jesus mit dem Altarkuß, wir beschenken ihn zu seinem Geburtstag mit Selbstgebasteltem und singen den Neuverheirateten, die zur Hochzeit zu Kana eingeladen sind, ein Liebeslied vor. Wir feiern Gedenktage von Heiligen, z.B. von Blasius, den wir um Heilung bitten.
Bei den Seligpreisungen bitten wir um Gottes Segen für jedes einzelne Kind, durch Handauflegung. In der Gruppenphase gibt es Spiele und Ausflüge, von denen am Sonntag der Gemeinde berichtet wird, allenfalls wird etwas hergezeigt.
Mit dem Palmsonntagsumzug beginnt der letzte Teil, wenn wir mit Jesus in die Stadt kommen. Für den Gründonnerstag schmücken Kinder die Kirche mit ihren Lieblingsgegenständen, einigen werden die Füße gewaschen im Gemeindegottesdienst. Am Karfreitag wird das Kreuz verehrt, auch von Kindern. Wenn es um Nachfolge geht, spielen wir das Nachfolgespiel mit verbundenen Augen, wie blinde Kuh. Und wenn wir zum ersten Mal zur Eucharistie kommen, sind die Kinder bestens vertraut mit der Feier und mit dem Raum – und können nun auch ihre Familie herführen und sie an dem Schatz teilhaben lassen, den sie schon kennen.

Heuer haben wir einen besonders großen Jahrgang: 50 Kinder! Und seit Advent ist immer mehr als die Hälfte der Kinder da. Große Ereignisse waren bisher:
Ein Kind wurde mit verbundenen Augen durch den Altarraum geführt, mit zwei Fingern an der Schulter, kreuz und quer und im Kreis, und zwischen Hindernissen durch. Danach sagte Thomas, er hätte keine Angst gehabt. Denn er sei geführt worden!

Zum Epiphaniefest brachten die Kinder Selbstgemaltes und legten es Jesus in die Krippe – denn er hat ja Geburtstag! Diese Bilder sind jetzt der Türrahmen, durch den die Gottesdienstbesucher die Kirche betreten.

Zur Verkündigung des Engels flüsterte ich einem Kind in der linken Bankreihe einen Satz ins Ohr, und es sollte weitersagen, was es gehört hatte, immer weiter bis zur letzten Reihe. In der rechten Reihe gab es einen anderen Satz. Alle machten da mit, und mit großer Lust! Der letzte in der letzten Bank sagte dann, was er jeweils gehört hatte: einmal hatte es genau gestimmt, das andere Mal stimmte es sinngemäß - da hatte also jemand etwas Falsches oder Unverständliches gehört und daraus aus eigenem Verständnis das Gemeinte ergänzt. Ein Bild für die gemeinsame Verantwortung der ganzen Gemeinde für die Verkündigung des Evangeliums!

Zur Taufe des Herrn dachten wir alle an die eigene Taufe. Die Kinder mit ihren Taufkerzen wurden alle einzeln mit dem Taufwasser bekreuzigt, und danach zogen wir dreimal um die Gemeinde und besprengten alle!

Und an dem Sonntag, da Jesus die Jünger beruft, um sie zu Menschenfischern zu machen, breiteten Jugendliche ein Fischernetz über der Gemeinde aus und zogen es über die Bankreihen hinweg, und die Gläubigen sollten an ihren eigenen Berufungsauftrag denken.

Freitag, 25. Januar 2008

stadtsoziologie oder wie die menschen bei uns leben, was sie wollen und wer sie sind

Stadt ist nach neueren soziologischen Untersuchungen keineswegs ein einheitliches Gebilde, nicht zu Anonymität verdammt und verführt auch nicht zu schrankenlosem Konsumismus.

Es kann aber in letzter Zeit überall beobachtet werden, dass Mittelschichten verstärkt ins Umland ziehen, ebenso die Industrie, und leere, ghettoartige Innenstädte zurückbleiben. Das sehen wir gerade in Villach.

Die community
einer Dorfgemeinschaft (auch innerhalb einer Stadt: Gans, The Urban Villagers): persönliche Bekanntschaft/ Vereinsleben mit festen Riten/ klare Grenzen der Zugehörigkeit/ starke soziale Kontrolle/ innere Kohärenz der Gruppe

Nachbarschaften:
Nachbarschaftskontakte hängen wenig von baulichen Arrangements oder vom Baualter ab. Aktive Kontakte entstehen stattdessen wegen gleichem sozialem Status/ Lebenszyklus/ ethnischer Zugehörigkeit/ Religion: Homogenität wird gesucht. Räumliche Nähe stiftet keine Nachbarschaft (Kob, Zapf)

Netzwerke:
Der umgekehrte Ansatz untersucht die Häufigkeit der Kontakte, von der Beziehung ausgehend. Nahe Verwandte, Freunde und Bekannte werden eher besucht, wenn sie in der Nähe wohnen. Jugendliche und junge Ehepaare suchen oft Wohnstandorte in der Nähe. Netzwerke können aber auch über größere Distanzen bestehen, auch von elektronischer Kommunikation unterstützt. (Keupp/Röhrle 1987, Pappi/Melbeck 1988, Bertram 1994, Friedrichs 1995)

Der Unterschied zu obigen Gemeinschaftsformen ist die geringe soziale Kontrolle, die persönliche Auswahl der Kontakte und der leichter mögliche Abbruch der Beziehung. Dadurch entstehen neue Formen sozialer Ungleichheit: je höher der sozialökonomische Status einer Person, desto vielfältigere und intensivere Netzwerkkontakte.

Meine Bewertung:
-) Kinder und alte Menschen bleiben nach wie vor auf Kontakte im Nahraum angewiesen.
-) Kontakte ergeben sich nicht, sondern müssen gesucht/ inszeniert werden - Personen mit höherer Steuerungskompetenz im Vorteil
-) eine sich bildende community sucht von sich aus nach Homogenität: Kontakte in der selben sozialen/ Bildungs-Schicht, Lebenssituation, Kommunikationsstil

Das wirft ein neues Licht auf einige Vorgänge unserer Gemeindebildung:
-) Kontaktscheu gegenüber Fremden
-) viel mehr passive Gemeindemitglieder als aktiv steuernde
-) ganz andere Gemeinschaftsbildung bei Kindern, Jugendlichen, wieder andere bei Alten
-) sehr lose Bindungen bei vielen Berufstätigen
-) jahrzehntelang unterschwellig nachwirkende räumliche Zuordnungen innerhalb der längst gewandelten Stadt

Bleibende Fragen, die einer Untersuchung harren:
+ Mobilität: wie lange wohnen Menschen in Völkendorf/ z.U. zu Restvillach
+ woher kommen die Völkendorfer: Gemeinden/ Bundesländer/ Länder
+ Wohnungsgröße, öff./private Hausbesitzer
+ Infrastruktur in Völk./ vgl. Villach
+ welche Lebensprozesse können in Völk. stattfinden: Arbeitsplätze/ Freizeit/ Schulen/ Konsum in Völk.
+ soziale Bildungsschichten in Völk.: Segregation in Quartieren/ in Lebensvollzügen (Spar/ Billa)
+ Zentren und Versammlungsorte
+ Versammlungsgründe
+ Wege: Schule/ Arbeit/ Einkauf/ Besuche

Vergleiche:
http://diepresse.com/home/spectrum/zeichenderzeit/356424/index.do

Mittwoch, 5. Dezember 2007

ich führe meine pfarre wie einen radiosender II

Information ist nicht Bildung, sagt Rudolf Nagiller, Bildung muß man sich erarbeiten, Information muß man glauben. Tao, Imago, Logos, das ist nicht Predigtfunk, das sind nicht Dimensionen der Religion, das sind religiöse Dimensionen, sagt Alois Vergeiner. Internationalität, Interviews, Aktualität. Die Informationssendungen. Quellenkritik, gelehrt von Rudolf Nagiller, bei „Im Journal zu Gast“: Nachfragen bis zur Schmerzgrenze, unbequem. Ein Journalfahrplan mit Life-Inszenierungen: Studiogäste, selbstreflexive Kommentare, Kulturberichte. Nicht Abspielen von Musik, dazu kauft man CDs. Musik will kommentiert, erarbeitet, bewertet werden: Pasticcio, Im Künstlerzimmer, Ö1 bis 2. Und dann die neue Öffentlichkeit des Radios: Radiokulturhaus mit Lifesendungen vor Publikum, die Programmzeitschrift „gehört gehört“, die Radio in ein Printmedium übersetzt und verbildlicht. Und die Podgasts und CDs von den Sendungen: übersteigen die Einmaligkeit der Ausstrahlung.

Ich könnte jetzt vom Religionsunterricht sprechen. Von Passanten interviewenden Gymnasiasten in der Religionsstunde bis zur Erarbeitung der ältesten Konzilstexte, von der Hinterfragung des schulischen Bewertungsschemas der Kirchengeschichte des Geschichtsunterrichts bis zur spielerischen Ertastung der Sexualkunde mit Lifebefragungen. Aber es gibt auch pfarrliche Bildungsmöglichkeiten. Die prophetische Gruppe ist eine Community für Selbsterfahrung und Biographiedeutung anhand biblischer Prophetentexte. Die Persönlichkeitsentwicklung greift auf Outdoor-Experimente zurück: gemeinsame Auslandsreisen mit Selbstorganisationsaufgaben, anstelle braver Wallfahrten. Da findet Auseinandersetzung statt, die Existenzen neu ausrichtet. Damals in Damaskus, ich habe Petrus in Antiochien gefunden, die Jugendlichen beim Papst in Rom.
Und der Kritische Oktober. Ich halte die Vortragsmethode als Bildungsveranstaltung für überholt. Der Professor spricht, wir lauschen, dann vielleicht eine Diskussion. Ich hole Vortragende in die Sonntagsmesse. Die ganze Liturgie muß sich auf sie einstellen, und auf das Thema. Und die Vortragenden auf uns. Ich hätte bei reinen Vorträgen nur die brave Bildungsbürgerschicht da, und davon sehr wenige. So hab ich die ganze Sonntagsgemeinde und zusätzlich die Fans und Neugierigen zum Thema: und wenn dann der Bürgermeister kommt oder der Chefredakteur, dann verlautbaren sie nicht Programmtexte, sondern stellen sich einem kritischen Fragenkatalog. Und die Gemeinde fragt nach!
Und die CDs von der hier erklungenen Musik vertreiben wir auch, Amateuraufnahmen oder genehmigte CD-Cuts, großteils Uraufführungen, zum Wiederhören, zum Vergleichen und auch zur Vorstellung für neu Dazugekommene. Und die Pfarrbriefe, Farbdruck mit vielen Fotos, mit Interviews und Jugend-Kommentaren, und meist mit einem gesellschaftsrelevanten Ausgriff. Eine große, übersichtliche Homepage, laufend aktualisiert, mit Musikcuts zum Runterladen. Eine Öffentlichkeit auch für unsere jungen Künstler. Veranstaltungen werden mit Plakaten beworben und mit Zeitungseinschaltungen: Qualität verkauft sich nicht von selbst, sagt Michael Schrott.
Das Gemeindekonzept verläßt sich nicht auf die Stammhörer. Wir sind nicht für uns selber da, wir haben einen Auftrag für die ganze Stadt, wir greifen ein in ihre Vollzüge, wir gehen auf ihre Wirklichkeit zu. Entschiedenheit, Frau, Öffentlichkeit, Wohnen, das sind unsere Themen, Tod. Wir bemängeln die Stadtplanung, beanspruchen einen Park, errichten ihn mit der öffentlichen Hand. Wir mischen uns ein, wir wollen verstehen, hinterfragen, wollen bilden, Menschen bilden, Gemeinschaft. Gott schickt uns, um Menschen zu formen zu ganzen Menschen. Unser Sendungsauftrag, so umfassend.

40 Jahre ist unsere Kirche alt geworden, ein Kirchenbaby, alles Gute zum Geburtstag!

Sonntag, 2. Dezember 2007

ich führe meine pfarre wie einen radiosender I

Es ist kaum zu glauben, wie viele Reformen da immer wieder gemacht werden, alle Jahre etwas Neues, permanente Erneuerung bereits ein Kulturmerkmal seit 40 Jahren, der österreichische Kultursender. Alles das, was da beim Rückblick präsentiert wurde, war ja nicht neu, aber überrascht hat mich die Dichte.
Die Jugendredaktion bereits in den ersten Sendejahren, Wolfgang Kos und Richard Goll, die legendäre Musicbox, die Familienredaktion, die zeitgenössische Musik, die Religion, von Beginn an ökumenisch, und Literatur, Hörspiel und Feature. Lust am Widerspruch, sagt Gerd Bacher. Werdende Künstler aufbauen, sagt Alfred Treiber. Permanenter Ideenaustausch in den Sitzungen, und Abschied von der Quote, sagt Wolf in der Mauer 1974.
Ein zukunftsorientierter Start, sage ich. Genauso starte ich meine Pfarre: Zwar sind Traditionen da, an denen anzuknüpfen ist. Aber nur das Bisherige genauso weiterzuführen, das wäre verzopft und verstaubt, also offensiv neue Interessentenkreise erobern, Jugendliche, Familien, neue Musik, Literatur, das ist bisher noch das Mühsamste. Aber das Desinteresse der Stammhörer ist nicht mein Kriterium, die Ignoranz vieler unserer Leute: dann eben Besseres vorlegen, und neue Kreise ziehen.

Aber: der Mitarbeiterstab. Neidisch höre ich, wie neue begabte Menschen sich bei Ö1 vorstellen mit ganz neuen Konzepten. Neidisch von den Redaktionssitzungen und den Richtungsfragen, die da erörtert werden. Die Besten und Kreativsten waren da, die Programmentwicklung selber ein Kunstwerk, die Auseinandersetzung ein Motor. Ein landesweiter Kultursender zieht halt mehr Mitarbeiter an als eine Pfarre einer Kleinstadt. Nämlich die Besten aller Sparten. Das hat etwas Repräsentatives, aufs ganze Land gesehen. Kirche funktioniert da anders. Die sich hier engagieren, haben entweder einen festen Glauben und gehören also zu einer Minderheit, oder sie finden in den Beziehungen der Menschen oder im Geist der Bewegung eine Heimat und Zukunft, dann sind sie entwicklungsorientiert. Ihre erste Sendung ist der erste Arbeitsauftrag, Ministrantendienst oder Pfarrblattausträger oder Pfarrcafe vorbereiten. Der Rahmen erweitert sich erst langsam, ob die Mitarbeiter wohl so langen Atem haben, ohne Bezahlung. Wenn ich sie anstellen könnte, fänden sich wohl mehr, wenn sie ihr ganzes Leben investieren könnten, würde es kreativer und verläßlicher, es gibt Anfragen.

Wir bringen, was die anderen nicht machen, sagt Ernst Grissemann, sagt Nora Aschacher, Jugend und Gesellschaft, neue Musik und den Buena Vista Social Club, aber das war schon später. Maximilian Blumenkohl über Bacher, den autoritären Reformer: drohende Trennung von Wort und Musik. Musiktabus für Blasmusik und Reggae. Mehrwert Klassik. Und der alte Schulfunk, pensionierte Lehrer, vom Unterrichtsministerium produziert. Da entstand das Radiokolleg: Selber denken statt Belehrung, sagt Franz Thomandl. Autoren selber suchen, Herausforderungen an Landesstudios tragen, Altes in Frage stellen: Was ist ein Hörspiel? Die verkleinerte Blaskapelle, Michael Köhlmeier. Engagiertes Radio seit den 80ern, mit Konrad Zobel, Wolfgang Kos und Michael Schrott. Das bedeutet: Nicht wird mehr Kunst abgebildet, die irgendwo stattfindet, sondern Kunst wird selbst produziert, die Sendung ist selber die Kunst, sagt Christian Scheib.
Und wir: Verabschiedung von den getrennten Sparten Kinder und Sonntagsmesse, Ernst und Lustig, Glaubensverkündigung und Abenteuer, besondere Aufträge und Team, Sonntagsgemeinde und Community. Erste Reformsparte: die Sonntagsmesse, nach wie vor das Zentrum, mit Steigerungsraten. Ein exzellentes Team, wo jeder weiß, was er tut, und deshalb life produzieren kann, also flexibel. Geschulte Lektoren, geübte Kantoren, mehrere Musikensembles. Ministranten nicht gedrillt, sondern gebildet. Die Aufgaben wechseln, also keine Spezialisten, sondern Generalisten. Jederzeit werden neue Meßbesucher einbezogen, zur Bereitung des Altars, die Kerzen tragen selten die Gleichen, zum Absammeln, zum Kirchenschmuck. Es ist selbstverständlich, dass alle vorgesehenen Dienste von Mitarbeitern ausgeführt werden. Für jeden Sonn- und Feiertag werden eigens Fürbitten verfaßt. Monatsweise werden Lieder ausgewählt, da kommt jeder Mitarbeiter dran, und immer sind ein paar neue Lieder dabei, die von allen zu lernen sind. Dass wir die neue Probeausgabe des Gotteslobes testen, paßt dazu. Jeden Sonntag ein Pfarrcafe: zur Bildung der Community, zum Austausch, zum Feed Back, und besonders für die neu Angekommenen in den Gottesdiensten. Es darf keiner heimgehen, ohne angesprochen und eingeladen worden zu sein. Kirche kann sich nicht leisten, Interessierte heimzuschicken.
Und dann die Höhepunkte, die Kirchenfeste mit profiliertem Programm, und neue Höhepunkte, die Faschings-Rockmesse mit dem musizierenden Pfarrer im Stil der Siebzigerjahre, die Tanz-Performance, die Vater Unser-Installation mit der Gemeinde, und besonders das Christi Himmelfahrtsereignis. Jedes Jahr bekommt ein anderer Musiker den Auftrag, die Messe zu komponieren, mit allen Freiheiten. Erweiterte Tonsysteme, unübliche Instrumentierungen, Musik aus anderen Kulturen und Religionen, improvisierte Musik, Durchbrechung des kanonischen Liedschemas, Atmosphärenmusik während Lesungen und Gebeten. Feierliche Liturgie und Experimentierfeld sind keine getrennten Sparten. Der Entwicklungsgedanke, der für Kinder gilt und die Präsenz von Familien, für die ganze Gemeinde, der gilt auch für die Liturgie selbst. Sonntagsmesse als Lernfeld für Erstkommunionkinder, mit eigener Lehrstoffverteilung übers Jahr. Die neue Jugendband, die letzten Sonntag ihre Rocknummern gespielt hat: wir begeben uns auf einen Weg, der aus ihrer Musik gemeinsam das entwickelt, das kirchlich tragen kann. Das haben Gemeindemitglieder gesagt.

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