Samstag, 17. Mai 2008

Schluß mit den unzähligen Feiertagen!

Ich fordere, die vielen kirchlichen Feiertage abzuschaffen, die kaum mehr jemand versteht, und deren einzige erkennbare gesellschaftliche Funktion in kurzen Urlaubsreisen zu bestehen scheint. Ich sehe gar nicht ein, wieso eine überwiegende gesellschaftliche Mehrheit, die sich in Radioumfragen mit beispiellos vollständiger Unkenntnis bereits über den Sinn des Weihnachts- und Osterfestes brüstet, dann genau zu diesen Zeiten von der Erwerbsarbeit ausruhen soll, die aber gerade von dieser Mehrheit zum Sinn und Zweck des Lebens erklärt wird, und wenn nicht das Arbeiten selbst, so zumindest das uneingeschränkte Kaufen, und das bedeutet ja doch auch wieder Arbeiten – und der demokratische Gerechtigkeitssinn dieser Mehrheit wird gewiß einsehen, dass der Konsum als Lebenspriorität nicht nur für Lebensmittel- und Tourismusbranchen gelten können soll, für Transportwesen und soziale Hilfsdienste, sondern dann schlechtweg für alle.

Denn die Minderheit der bekennenden und praktizierenden Christen, die schon seit Jahren zusieht, wie Gott aus der Verfassung ausgegrenzt wird, aber Homosexuelle heiraten können sollen, während heterosexuelle Paare immer seltener zum Traualtar kommen, wird zwar mit der gleichen Wehmut statt wochentags am Vormittag, dann am Abend eines Arbeitstages, oder am darauffolgenden Sonntag den Feiertag in der Kirche feiern, wie sie den Einzug von Santa Claus in die Warenhäuser oder von Halloween in das Allerseelenfest erduldet hat. Aber der Sinn der Feiertage ließe sich aufrechterhalten.

Was uns Katholiken aber zum Gewinn würde, wäre, wenigstens in diesem Punkt nicht mehr als langweilige, gestrige Verhinderer dazustehen. Ich rate ja nicht dazu, auf den Schutz des ungeborenen Lebens zu verzichten, das gehört natürlich zu den kirchlichen Kernanliegen, oder der Schutz der Frau vor der allgegenwärtigen sexuellen Verfügbarmachung. Auch die industrielle Reproduktion des Menschen mittels Gentechnologie wird Hauptkampfgebiet bleiben, und alle Fragen der sozialen Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft wie in der Weltgesellschaft. Das ist unverzichtbar mit dem jesuanischen Sendungsauftrag verbunden, an den wir uns zu Pfingsten (!) erinnern.

Gewiss werden manche nun um die gesellschaftliche Präsenz der Kirche besorgt sein, denn die zahlreichen kirchlichen Feiertage ragen ja immer noch in unsere säkulare Welt hinein wie die Kirchtürme. Aber man wird die Kirchtürme auf lange Sicht nur mit Beteiligung der öffentlichen Hand, nicht nur der katholischen Kirche halten können, und wenn nicht, denn müssen sie verkauft werden. Ebenso ist es schon dem 8. Dezember ergangen, andere spätherbstliche kirchliche Refugien ziehen bereits begehrliche Blicke an sich.

Mir ist aber bei diesem Rückzugsgefecht auf breiter Front äußerst unbehaglich. Mir erklären Pfarrfamilien mit großem Ernst, dass sie die Feiertage für die Familie brauchen, schon lange ist ein Urlaub nötig, ein paar Tage am Meer mit den Kindern, oder für die alljährliche Party auf der Almhütte, ein wichtiges gesellschaftliches Ereignis. Und ich stehe mit geschwächtem Mitarbeiterstab in der Kirche, der halben Ministrantenschar, gottlob einige Feriengäste, welche die Lücken zudecken, wir sind ein beliebter Tourismusort, und auf diese Weise könnte sich die Verschiebung ja ausgleichen, aber unsere verreisten Katholiken tun das an ihren Urlaubsorten mitnichten, sie erzählen es mir.

Natürlich äußert sich die Kirchenleitung ganz anders, das sind ja auch keine Strategen, sondern Seelsorger, und ihre Domkirchen stehen meist in Urlaubsorten. Natürlich wissen sie, dass unser säkulares Mitteleuropa sich weit mehr kirchliche Feiertage leistet als wirklich katholische Länder, und sind stolz darauf. Aber sie geben damit das Gesetz des Handelns aus der Hand und verlegen sich aufs Bewahren, während ich einen kirchlichen Fortschritt darin sähe, in bestimmten Bereichen die Themenführerschaft zu haben und die Gegner reagieren zu lassen. Die Politik würde augenblicklich die Segel streichen, nicht nur, weil sie außerordentlich mit sich selbst beschäftigt ist, sondern weil sie schon lange (und unbemerkt) auf jegliche gesellschaftliche Gestaltung verzichtet hat. Die Politik ist Dienstleistung im Sinne der Interessensvermittlung, hat unser Bürgermeister vor versammelter Sonntagsgemeinde erklärt. Die Gewerkschaften würden nicht so schnell beigeben und in manchen Reihen auch überrascht und enttäuscht sein, sich aber umso stärker mit der Kirche verbünden können in der Verteidigung des Sonntags, und ebenfalls mit Erleichterung nicht mehr als ewige Verhinderer dastehen müssen. Ein großer Gegner würde mir natürlich in der Lehrerschaft erwachsen, und das würde mich ja auch selbst betreffen. Aber vielleicht käme die Unterrichtsministerin auf die Idee, die freigewordene Zahl schulfreier Tage nun in die autonome Verantwortung der Schule zu übergeben! Dann könnten endlich wirklich kompakte Reisezeiten konstruiert werden, anstelle der bisher verbliebenen Rumpfwochen von Montag bis Mittwoch, wo schlecht motivierte Schüler neben den leeren Stühlen entweder plötzlich krankgewordener oder in familiärer Übereinkunft mit dem Direktor sonderbeurlaubter Mitschüler ausharren.

Ich schlage ein gestuftes Vorgehen vor: Zuerst die von den meisten unverstandenen und unvollzogenen Feiertage in der warmen Jahreszeit abschaffen – das würde uns nebenbei auch die Peinlichkeiten der verbliebenen Prozessionen durch die Gassen voller Türken oder zwischen den vollbesetzten Kaffeehausgärten ersparen. Das Fest würde dann am darauffolgenden Sonntag gefeiert, wie in den meisten anderen katholischen Ländern. Sodann die doppelten Feiertage am Ostermontag, Pfingstmontag und Stefanitag. Auch der Feiertag des jeweiligen Landespatrons hat zwar manchmal Jahrmarkt- jedoch selten Kirchencharakter. Und die großen Hochfeste sind großteils ohnehin am Sonntag, und der Weihnachtstag sollte möglichst lange bestehen bleiben – so lange, bis auffällt, dass dieser der Festtstag ist und nicht der Vorabend. Ehrlich gesagt hätte ich aber auch mit seiner Verschiebung auf einen Sonntag kein wirkliches Problem, wenn dabei die Geschichte seiner Entstehung deutlicher wird.

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