Donnerstag, 26. März 2009

Erstaunliche Selbstzufriedenheit

Jetzt ist schon wieder etwas passiert“, beginnt Thomas Götz seine Suada über den Papst (Kleine Zeitung, 19.3.). Er mokiert sich über die Aussagen des Papstes über pastorale Probleme der Kirche in Afrika. „Das hätte er besser nicht getan.“ Über das kirchliche Anliegen, Sexualität zu humanisieren, spottet er. Er nennt das „grobe Vereinfachung“ und empfiehlt das päpstliche Anliegen für Eheseminare in Oberbayern. Dass Millionen Menschen den Weg des Papstes säumen, dass sie ihm zujubeln, hält er vermutlich für rückständig. Dass Missionare, die Jahrzehnte ihres Lebens unter Einsatz aller Kräfte im Dienst der Menschen in Afrika leben, seine Ansprachen begrüßen, hält er vielleicht für unkritisch. Dass seine eigene Zeitung auf der Seite davor einen fünfspaltigen Artikel mit einer Life-Reportage aus Kamerun bringt, die den Unterschied zwischen europäischer und afrikanischer Einstellung zu Empfängnisverhütung erklärt, hat er vielleicht mit Missgefallen akzeptiert. Möglicherweise, weil die Herausgeber seiner Zeitung eigentlich der Kirche nahe stehen.

Nun, Thomas Götz scheint hier Morallektionen zu verteilen, und der Papst wird von ihm gemaßregelt wie ein Schulbub. Man bekommt den Eindruck, die Journalisten wären unfehlbar, und sie hätten eine besondere Legitimation und einen privilegierten Zugang zur Wahrheit. Wochenlang haben wir über die demokratische Rückständigkeit der Kirche bei Bischofsernennungen gelesen – aber wer hat Thomas Götz gewählt? Wenn die Medien objektiv und unparteiisch berichten, warum üben sie dann Druck aus mit den ständigen Berichten über Kirchenaustritte und Meinungsumfragen zum Zölibat? Und berichten nicht wenigstens im gleichen Ausmaß über volle Kirchen, z.B. in Oberösterreich? Weil das nicht sein darf. – Nein, Medien spielen mit ihrer Macht in der Öffentlichkeit und nützen sie zur Durchsetzung gesellschaftlicher Veränderungen. Sybille Hamann, Die Presse, 25.3., nennt den Papst einen Angehörigen einer „Kleingruppe von Männern“, die geschützt gehört wie aussterbende Tiere, und vergleicht den Klerus mit homosexuellen Wohngemeinschaften der Siebzigerjahre. Kaum zu glauben, dass sie vom Oberhaupt der weltgrößten Glaubensgemeinschaft spricht, die seit Jahrhunderten das Leben der Armen in aller Welt teilt und in Schutz nimmt. Die Wiener Journalistin wirft der Kirche Weltfremdheit vor und empfiehlt Kondome und Abtreibung für die afrikanische Volksgesundheit und Armutsbekämpfung – eine sicherlich sehr erfahrene Position.

Es ist der populistische Kampf gegen „die da oben“, gegen Kirchenleitung und Tradition, aber im selben Sinne auch z.B. gegen Beamte und Lehrer. Viel hartnäckiger als gegen Kirche schreiben die Zeitungen gegen die Schule, zitieren genüsslich Länder-Rankings mit dem Schlusslicht Österreich und inszenieren den Showdown zwischen Bildungsministerin und Lehrerschaft, nicht ohne die armen Schüler und Schülerinnen zu bedauern, auf deren Rücken diese Profilierungen stattfinden. Und die dritte Zielgruppe der journalistischen Scharfschützen und Hasenjäger sind natürlich von jeher die Politiker. Kommen wir nicht ohne Feindbilder aus? Müssen wir 100 Jahre nach der Monarchie noch immer am Thronsturz arbeiten? Und was ist das für ein gesellschaftliches Ziel, nach dem heruntergewirtschafteten Zusammenhalt von Gläubigen und Bischöfen, Lehrern und Schülern, Briefträgern und Eisenbahnern, Beamten, Angestellten, Unternehmern und Gewerkschaften, nun in einen entfesselten Individualismus einzumünden?

Es ist niemand aufgefallen, mit welcher Selbstgerechtigkeit wiederum Europäer ihre Sexualmoral den Afrikanern aufdrängen wollen, nach jahrhundertelangem Sklavenhandel und bis heute fortdauernder wirtschaftlicher Ausbeutung. Wir Europäer mit den zerbrochenen Familien, den überforderten Müttern, den auf sich allein gestellten Kindern, den nicht geborenen Kindern, der versiegten Potenz, der ungerichteten sexuellen Energie und der schwindenden Beziehungsfähigkeit - wir belehren die Afrikaner, die von großen Familien und Stammesverbänden getragen werden. Als ob wir stolz sein könnten auf europäischen Sextourismus, Pornoindustrie und Viagra. Hat einer dieser Kirchenkritiker einmal erläutert, mit welchen Menschenbild er für die Befreiung des Menschen kämpft? Und auf welche Erfolge stützt er sich? Wem ist er verantwortlich?
Während Milliarden Euro und Dollar für Waffen ausgegeben werden, können Afrikaner Aids-Medikamente nicht bezahlen. Und dann spottet jemand über die Kirche, die genau diesen notleidenden, ausgebeuteten Menschen nahe ist und hilft. Wenn auch Selbsterkenntnis in die Medienlogik passen würde. Einsicht in die eigene Unzulänglichkeit und Beschränktheit. Eine Ahnung unserer Erbärmlichkeit. Und Dankbarkeit für unser unverdientes Wohlergehen. Nicht nur für Kinder. Und nicht nur vor Ostern. Denn auch dafür stehen Papst und Kirche: Wir glauben an die Freiheit des Menschen, sich selbst zu erkennen und umzukehren.


Goetz-ueber-Papst

LEITARTIKEL

Plädoyer für ein päpstliches Bußschweigen über Sexualität

Wie Papst Benedikt XVI. seine Afrika-Reise ruinierte.

Jetzt ist schon wieder was passiert. Papst Benedikt XVI. hat über Aids und Kondome geredet und das in Afrika. Das hätte er besser nicht getan. Was immer noch gesagt werden wird auf seiner Reise, der eine Satz wird in Erinnerung bleiben. „Die Immunschwächekrankheit Aids ist nicht durch die Verteilung von Kondomen zu überwinden, im Gegenteil, das verschlimmert nur das Problem“, sagte der Papst in einer improvisierten Pressekonferenz im Flugzeug. Eine Begründung blieb er schuldig.

Wie sich Benedikt XVI. die Bekämpfung der Seuche vorstellt, kann man in der Abschrift des Gesprächs nachlesen. Es gehe darum, „die Sexualität zu humanisieren“, den „Menschen von innen zu erneuern“. Man müsse den Menschen „geistliche und menschliche Kraft geben für das rechte Verhalten gegenüber dem eigenen Körper und den des anderen.“ Das ist ein schönes und wichtiges Langzeitprogramm, bestens geeignet für Eheseminare in Oberbayern.

Der Papst aber sprach über Afrika. Dort leben sechzig Prozent aller Aids-Kranken. 17 Millionen Afrikaner sind schon an Aids gestorben, 22 Millionen haben sich infiziert. Vor diesem Hintergrund ist Benedikts Philippika gegen eines der wenigen wirksamen Mittel, das die Übertragung des Virus vereiteln kann, gemeingefährlich. Daran ändern auch die feinsinnigen Erwägungen nichts, die er seinem Urteil anfügt. Das Donnerwort über Kondome erschwert Ärzten, Missionaren und anderen Helfern den Kampf gegen die verheerende Krankheit. Sätze wie der zitierte verstärken die Unwissenheit über die Ursachen der Seuche und ihrer Weitergabe.

Dass der Papst nur sagt, was die Kirche seit über vierzig Jahren glaubt verkünden zu müssen, macht die Sache nicht besser. Der Ursprung liegt in der kurzschlüssigen Idee, Sex wäre nur dann gut, wenn Fortpflanzung dabei nicht ausgeschlossen wird. In dieser Logik ist die kategorische Ablehnung empfängnisverhütender Mittel folgerichtig. Aber diese grobe Vereinfachung ist lebensfremd und wird dem komplexen Thema nicht gerecht, nicht in Oberbayern und schon gar nicht in Afrika.

Vielleicht wäre ja allen geholfen, griffe Joseph Ratzinger auf ein Instrument zurück, das er als Präfekt der Glaubenskongregation selbst gerne angewandt hat: das Bußschweigen. Zehn Jahre kein Wort mehr über Sexualmoral, das wäre eine heilsame Entschlackungskur für alle Beteiligten. Päpstliche Reden klängen weniger moralistisch und wir könnten uns wichtigeren Aspekten des Lebens und der Religion zuwenden.

Sie erreichen den Autor unter

thomas.goetz@kleinezeitung.at


THOMAS GÖTZ



Zum Thema:
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