Kindertheologie

Der Name ist mehrdeutig, und das ist gut so. Ein Leser könnte eine Theologie über Kinder erwarten, über ihre gottgeschaffene Eigenheit, etwa eine Schöpfungstheologie der Altersstufen, ein nach und nach Zusichkommen des Menschlichen, das lässt gar an eine Theologie der Geschichte (Menschheitsgeschichte, Alersstufen der Menschheit) denken. Mancher mag sich eine Sammlung von biblischen Aussagen zu Kindern erwarten. Viele werden hoffen, hier würden Rezepte geboten, wie Kinder in der Glaubensverkündigung erreicht werden können, für die Eltern, für Kinderliturgie oder Religionsunterricht. So werden viele sich Impulse für praktische Arbeit erwarten, manche aber vielleicht theoretische Grundlagen.

Hält es jemand für möglich, dass Kinder selbst theologisch denken? Eigenständig Vorstellungen von Gott entwickeln, inspirierte Auslegungen biblischer Geschichten und Gestalten? Eigenes Glaubensinteresse, selbständige Gebetsformen mit ganz anderen Ansätzen, als viele Erwachsene ihnen vorlegen als scheinbar kindgemäß, doch kaum ausbaufähig, somit eher Sackgassen, bereits von Teenagern als Kinderkram abgetan? Können Erwachsene sich vorstellen, dass Kinder selbst spüren und wissen, wer Gott ist und wie man ihn erreicht? Dass sie dazu dienliche Hilfe annehmen und eigenständig anwenden, während sie Unbrauchbares liegenlassen?
Sind wir schon soweit, Kindern Selbstkompetenz zuzutrauen? Und sie als Empfänger der Offenbarung Gottes und seiner Gnade ernst zu nehmen? Denn wenn es so wäre, dann würden auch wir Erwachsene zuweilen Lernende sein, würden staunend und überrascht aus Kindermund Gottes Wort empfangen, manche Wegweisung und Erhellung, und von uns aus Kontakt zu ihnen suchen. Dann würden nicht Zurechtweisung und Belehrung, sondern Fragen und Suchen nach ihrer Erfahrung unseren Umgang mit Kindern prägen. Dann hätten wir nicht Vorträge oder Merktexte, sondern ergebnisoffene Gespräche. Dann würden wir nicht Kompetenzen antrainieren, sondern Erfahrungen vertiefen.
Und, nebenbei gesagt, könnte eine so entwickelte Gesprächsform auch den Umgang unter Erwachsenen verbessern. Im kirchlichen wie im schulischen Kontext herrscht ja oft die Erwartung vor, wir müssten Standards herstellen oder erhalten, einen bestimmten Betrieb, bestimmte Teilnehmerzahlen, gewisse Ergebnisse. Wenn der sogenannte Pfarrbetrieb das oberste Ziel ist, dann sind individuelle Begegnungen untergeordnet, wenn Kinder in den Religionsunterricht gelockt werden sollen, dann greift mancher Lehrer zu Videos oder Handy-Spielen. Religiöse Bedürfnisse und Erwartungen von Kindern und Erwachsenen werden oft verfehlt, und der Betrieb, in den viel Kaufmännisches und Organisatorisches investiert wird, läuft sich leer.

Es sollen darum auch hier keine Belehrungen folgen, wohl sollen aber Irritationen erzeugt und Hoffnungen geweckt werden. Ich werde Erfahrungen und Ereignisse wiedergeben, werde zeigen, wie etwas gelaufen ist, ohne sagen zu können, warum. Vielleicht gibt es im Nachhinein Erkenntnisse oder Reflexionen, aber das Beziehungsereignis steht im Mittelpunkt, sowohl in der Schule wie in der Pfarre und im Gottesdienst oder im Kindergarten.
Noch ein Wort dazu, wie ich dazu gekommen bin. Ja, ich bin ausgebildeter Pflichtschullehrer und habe verschiedene Fächer unterrichtet in mehreren Schulen. Erst dann bin ich Priester geworden. Aber was heute meinen Unterricht ausmacht, ist gerade nicht das, was ich gelernt habe: pausenloses forderndes Angehen der Kinder mit immer neuen Methoden und Abprüfen ihrer Fortschritte, permanente Beschäftigung, bestmögliche Kontrolle. Heute mach ich es umgekehrt. Ich frage meine Schüler, was sie von mir lernen wollen. Und sie sagen es mir. Das ist mein Programm!


1. Mit Fragen ins Gespräch kommen

Beispiel St. Filippen:

In jener Zeit suchte der Herr zweiundsiebzig andere aus
und sandte sie zu zweit vor sich her in alle Städte und
Ortschaften,
in die er selbst gehen wollte.
(Lk 10,1; 14. SO, Lesejahr C)


Ich war zur Aushilfe in einer Dorfkirche, gut gefüllt, ein freundlicher, offenherziger Mesner, ein Lektor und Fürbittenleser, eine humorvolle Organistin, eine Ministrantin im Volksschulalter.
Die Predigt begann mit der Frage: Warum geht Jesus nicht selbst?
Erstauntes Schweigen.
Ich bitte die Ministrantin, die im Altarraum (hinter mir) saß, in der ersten Bank Platz zu nehmen.
Ich frage sie: Hat Jesus jetzt Urlaub gemacht?
Sie schüttelt den Kopf.
Ich frage sie, was Jesus gemacht hat, während die Jünger in die Dörfer gingen.
Sie sah mich mit großen Augen an.
Ich bot ihr an: Fernsehen? Zeitung lesen? Handy spielen?
Jedes Mal energisches Kopfschütteln.
Womit war er beschäftigt?
Mit seinen Jüngern, sagt sie.
Richtet er seinen Geist auf sie?
Sie bejaht.
Betet er für sie?
Sie stimmt heftig zu.

Später frage ich: Die Jünger sollten Frieden bringen und die Kranken heilen, die dort sind. Wie machen sie das?
Eine grauhaarige Frau ruft keck: Mit Schnaps!
Ich frage: Wogegen hilft Schnaps?
Nun zählen sie grinsend auf: Gegen Bauchweh, Kopfweh, Rückenweh...

Am Ende der Messe danke ich der Ministrantin für die Predigt. Da applaudiert die ganze Gemeinde freudig. In der Sakristei fragt sie mich: Wann kommst du wieder?

Als wir uns umgezogen haben, hat der Mesner spontan Kaffee organisiert an einem Tisch im Freien, und die Organistin und andere Leute stellen sich fröhlich vor und zeigen sich beeindruckt von dem, was die Ministrantin gesagt hat.

Nachbetrachtung:
Die Ministrantin weiß, wer Jesus ist. Sie kennt ihn und kann einschätzen, wie er sich in bestimmten Situationen verhalten würde, auch wenn der Text das nicht sagt. Wir haben ja durch ein Fenster ins Textgebäude hineingeschaut, das offen war, Jesus, wenn er nicht öffentlich ist. Sie versteht sein Anliegen. Sie sieht auch einen Unterschied zu anderen Erwachsenen, die jemandem Aufgaben geben, um selbst davon entlastet zu werden. Der Apostelauftrag ist nicht Arbeitsteilung, sondern Identifikationsauftrag an die Jünger. Diesen hat die Ministrantin gerade selbst angenommen!




Beispiel St. Georgen:

In jener Zeit
stand ein Gesetzeslehrer auf, um Jesus auf die Probe zu stellen,
und fragte ihn:
Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu erben?

(Lk 10, 25; 15. SO, Lesejahr C)


Kleine Dorfkirche, gut gefüllt mit Erwachsenen, eine Familie mit Kind in der ersten Reihe.
Die Predigt beginnt mit einem Lob der Frage. Der Gesetzeslehrer fragt nicht nach Glück und Wohlstand, auch nicht nach Gesundheit oder Beliebtheit. Sondern er fragt nach dem, was danach kommt und worum es im Leben überhaupt geht. Ich preise die Weisheit der Frage.
Der Bub in der ersten Reihe sagt: Das ist wie beim Pharao in Ägypten, der in den Götterhimmel kommen will.
Ich staune über seine blitzschnelle Übertragung der Frage in eine andere Situation.
Er kennt den Pharao und den ägyptischen Götterhimmel aus einem Buch.
Ich antworte: Der Pharao bekommt Hilfen, um in den Götterhimmel zu gelangen.
Er sagt: Die Zaubersprüche, die an die Grabeswand geschrieben sind.
Ich füge dazu: Und den Gott mit dem Hundekopf, der ihn an der Hand nimmt und den Göttern vorstellt.
Er erweitert: Und die Heldentaten, die an die Wand gezeichnet sind.
Ich fasse zusammen: Also wussten auch die alten Ägypter, dass es aufs Tun ankommt, um das ewige Leben zu erlangen. Und auch sie strengten sich an für das Jenseits, und nicht nur für Wohlstand und Glück auf Erden.

Nach der Messe fielen mir die Eltern beinahe um den Hals, so begeistert waren sie von der Messe und von ihrem Sohn, der noch nicht bei der Erstkommunion war. Sie stellten sich vor als Urlaubsgäste aus einem anderen Bundesland.


Nachbetrachtung:

Der Bub hat die Frage nach der Praxis, die das ewige Leben erbt, eigenständig angewendet auf das, was er aus seinem Buch kennt. Einerseits hat er schon die Bilder der pharaonischen Religion für sich erschlossen. Andererseits hat er die Frage des neutestamentlichen Gesetzeslehrers mit der Frage des Pharaos und seiner Priester identifiziert - eine religionsgeschichtliche Übertragung.
Über die von beiden erfragte Praxis nachzudenken war in diesem Moment nicht in seinem Blick. Wir hätten noch den Unterschied bedenken können zwischen den Heldentaten im Krieg, die der Pharao den Göttern vorweist, und den Taten der Nächstenliebe, die der Samariter darstellt. Aber das hätte das Gespräch überdehnt. Im Zentrum stand die Frage nach dem Himmel, und die gab er der Sonntagsgemeinde mit.



Beispiel: Begräbnis meines Vaters

Alles hat seine Stunde. Für jedes Geschehen unter dem Himmel gibt es eine bestimmte Zeit:  ...
eine Zeit zum Schweigen / und eine Zeit zum Reden
(Koh 3, 1-7)

Und wohin ich gehe - den Weg dorthin kennt ihr. 
(Joh 14, 3-6)


Kirche im Dorf der Eltern, Kinder und Enkel des Verstorbenen, Freunde, Nachbarn, Dorfbewohner. In der Predigt weise ich darauf hin, dass wir nicht nur an den Vater denken, sondern dass wir ein Teil von ihm sind. Ich nenne als Beispiel die Reise- und Abenteuerlust, die ich vom Vater habe und die jeder in der Familie und in der Nachbarschaft kennt. Ich entzünde eine Kerze und stelle sie in der Schale auf. Dann lade ich die Teilnehmer ein, ebenso zu berichten. Nun kommen die Tochter, der Schwiegersohn, die Enkel und Nachbarn, und jeder hat etwas (ganz anderes) vom Vater übernommen und bezeugt es mit der Kerze vor der Trauergemeinde. Obwohl Vater schon seit Jahren dement war, entsteht so ein Bild von Lebendigkeit und Lebensfreude, die wir alle von ihm geerbt haben. Und jeder von uns spricht es zur Gemeinde hin, niemand zum Sarg, denn jeder hat den lebendigen Vater und seine lebendigen Kinder vor Augen.

Nachbetrachtung:

Die Predigt war hier die Brücke, nicht die Zusammenfassung. Die Familienmitglieder waren vorbereitet, die Freunde und Nachbarn setzten spontan fort.
Es waren keine Schulkinder anwesend, dennoch handelt es sich um Kindertheologie. Denn einerseits stammten viele der Zeugnisse aus der Schulzeit. Andererseits sind auch Erwachsene immer noch Kinder oder Enkelkinder des Vaters und der Mutter und bezeugen gerade dadurch die fortwährende Lebendigkeit des Vaters.
Es war, trotz Trauer, eine fröhliche Feier bis zum anschließenden lebendigen Totenmahl.


2. Entwickeln

Beispiele aus der Schule:

Am Ende des Semesters (des Schuljahres) frage ich die Schüler, welche Themen im Religionsunterricht die besten waren. Der Francesco, sagt die 2. Klasse einhellig. Das war immer spannend, wie die Geschichte weitergeht! Ich habe das Leben von Franz von Assisi erzählt, von der Kindheit bis zum Tod, an Thomas Celano orientiert, zuweilen ausgeschmückt mit Betonung seiner Schulzeit und Erfahrungen als Ritter, mit Topographie der Stadt Assisi und sozialem Status der Bürgerfamilie Bernardone sowie der adeligen Familie Bernadino, aus der Klara stammt. Ich erzähle (ohne irgendwelche Medien zu benützen), die Kinder zeichnen oder schreiben nach eigener Wahl. Sie entscheiden selbst, was in der Geschichte wichtig ist, wie sie es darstellen, ob es eine Szenenfolge wird oder ein Gesamtbild. Sie haben glatte Hefte in A4-Format. Es entstehen bunte großformatige Bilder, Bildergeschichten mit Sprechblasen wie Comics, zuweilen auch lange Textpassagen über ein oder zwei Seiten. Aber alle können die Geschichte wiedergeben in der nächsten Stunde! Ich lobe farbige Bilder und gute Darstellungsideen.
In der Sakramentenlehre (Hauptthema in der 2. Klasse) hat sie die Einleitungsgeschichte am meisten beeindruckt: Der Streit zweier griechischer Bauern über die Grundstücksgrenze, den der Bürgermeister schließlich mit einem schriftlichen Vertrag auf einer Tontafel beilegt, die gebrannt und dann zerbrochen wird, und jeder der beiden bekommt eine Hälfte mit der passenden Bruchlinie: . Das Symbol ist somit der sichtbare Teil, der mit dem unsichtbaren das Ganze bildet! Das Wasser, das Brot, der Wein, der Ring...

In der ersten Klasse war es "die Geschichte ohne Namen" von den Reisenden mit der Händlerkarawane in das fremde Land, mit Betonung auf die Fragen des Sohnes: Warum bekommen die Kamele zuerst Futter, und erst danach die Reisenden? Warum brechen wir so zeitig in der Früh auf? Warum gibt es in diesem Land dreieckige Häuser? Wer wohnt dort? Ich erzähle, die Kinder zeichnen. Als sich die (noch namenlose) Familie im fremden Land niedergelassen hat und der Bub die Schule besucht, kommt er eines Tages aufgeregt nach Hause: Wir haben die Götter gelernt! Die haben Tierköpfe! Und schließlich berichtet die Mutter: Wir können wieder in unsere Heimat zurück, der König ist gestorben! Und erst jetzt wird es den Schülern klar, dass es die Geschichte der Heiligen Familie war, die Flucht nach Ägypten, und die Heimkehr zeichnen sie nun selbst ins Heft.

Danach folgte die Geschichte des Saulus, angefangen mit seiner Kindheit in Tarsus, als wissbegieriger Schüler und neugieriger Hafenbesucher, der die Schiffrouten erfragt hat. Als er zum Studium nach Jerusalem kam, hat er sich hervorgetan bei der Verfolgung einer Sekte und dafür viel Anerkennung bekommen. Am Weg nach Damaskus wurde sein Weg unterbrochen von einem hellen Licht und einer Stimme. Und erst im Haus des Hananias wurde ihm klar, wer ihm da begegnet ist und wen er bisher verfolgt hat. Dann, selbst getauft und verfolgt, drei Jahre zurückgezogen zu neuerlichem Bibelstudium, lässt er sich, nachdem er Petrus kennengelernt hat, in Antiochien nieder und gründet selbst eine christliche Gemeinde. Und nun schreibt er nach langer Zeit einen Brief an seine Eltern. Den haben nun die Schüler in ihr Heft geschrieben!

Liebe Mama, lieber Papa!
Tut mir leid, dass ihr so lange nichts von mir gehört habt! Aber es geht mir gut. Ich heiße jetzt Paulus und lebe in Antiochien. Hier bin ich ein berühmter Mann geworden. Ich bin jetzt ein Christ, aber ihr müsst euch keine Sorgen machen. Das kam so...
Und Hananias ist jetzt mein Freund!

Das war der erste Brief des Apostel Paulus, der nicht im Neuen Testament, sondern in den Schülerheften steht. Kindertheologie von Zehnjährigen, in Worten und Bildern.

In der 3. Klasse wünschten sich Schüler, das Vater Unser verstehen zu lernen. Wir gingen den Text wortweise durch, ich schrieb jede Stunde nur einen kleinen Textteil an die Tafel:
Vater
Vater unser
Vater unser im Himmel

Wir verglichen den Text mit unserem alltäglichen Wortgebrauch und gingen der Frage nach, wer hier überhaupt spricht: Jesus, die Gläubigen, die Betenden.
Und zu wem gesprochen wird: Warum lässt sich Gott als Vater anreden?
Den ganzen Text durchzugehen brauchte gut ein Monat. Einige in der Klasse waren schon in der Firmvorbereitung, dort wurde das Vater Unser gebraucht. Am Ende des Jahres wurde das Thema von einigen als "Best Of" des Jahres genannt.
In der vierten Klasse allerdings, beim Jahresrückblick und Rückblick auf die ganze Unterstufe, wurde bemerkt, dass wir zwar das Gebet verstehen gelernt haben, aber doch nicht gebetet! Die Vierzehnjährigen haben das Gebet vermisst im Religionsunterricht.

Eine andere vierte Klasse hat von sich aus gewünscht zu meditieren. Die kecken Mädchen, die das wollten, setzten dann auch für die ganze Klasse durch, dass immer wieder fünf oder zehn Minuten Stille herrschte, manchmal auch länger. Es gab auch durchaus Rückmeldungen, was einzelne in dieser Zeit der Stille innerlich erlebten. Es war überhaupt eine Klasse, in der Erlebnisse wichtig waren, auch bei gruppendynamischen Bewegungsspielen. Noch heute kommen Schüler und Schülerinnen dieser Klasse, inzwischen Oberstufenschüler, am Gang auf mich zu und schwärmen von diesen Meditationen und bedauern, nicht mehr mich als Religionslehrer zu haben, und geben mir die Hand.

Meine letzte fünfte Klasse hat mich gefragt, wie denn die verschiedenen Religionen, die sie bisher bei meinen Lehrerkolleg:innen kennengelernt haben, untereinander zusammenhängen und worin die Eigenart unserer Religion besteht. Und in unserer Religion wollten sie die Apokalypse kennenlernen. Ich habe ihnen Bilder der Seckauer Apokalypse von Herbert Boeckl gezeigt und sie die Vorbilder dieser Gestalten selbständig im Text suchen lassen. Am meisten interessierte sie die Hure Babylon. Mit diesen Bildern gestalteten sie dann auf eigenen Wunsch die Adventmeditation für die ganze Schule, dafür zeichneten sie gruppenweise große apokalyptische Figuren und ließen sie im Festsaal auf unsichtbaren Angelschnüren von der Decke pendeln, zwischen denen dann bei Kerzenlicht Schüler am Morgen Platz nahmen. Den Lesetext wählten sie behutsam so, dass zwar die Hure im Zentrum stand, aber ohne genannt zu werden und ohne andere Schüler zu erschrecken.
Zur Belohnung gab es dann eine Klassenfahrt zum Stift Seckau und zum Österreichring in Spielberg in den letzten Tagen des ersten Semesters.

Eine sechste Klasse war theologisch sehr interessiert, fragte nach dem Glaubensbekenntnis und seiner Begründung. Wir begannen mit dem Johannesprolog, lasen dann (noch anonyme) Arius-Zitate, und Schüler:innen interpretierten sie frei und zustimmend. Sodann folgte die Aufklärung über die Wirkungsgeschichte der Theologie des Arius bis zu Nicäa und dem Symbolon. Ihr eigener Erkenntnisschwenk von Arius zu Nicäa beeindruckte sie, noch Jahre später nahmen sie darauf Bezug. In dieser Klasse waren mehrere Schüler:innen mit bosnisch-kroatischem bzw. slowenischem Familienhintergrund. So fuhr ich mit ihnen für eine knappe Woche (mit dem Nachtbus) nach Sarajewo, wo wir die knapp und friedlich nebeneinander wohnenden Religionen erlebten in der katholischen, orthodoxen Kirche, der Synagoge und der Moschee. Wir nahmen überall an Gottesdiensten teil und beobachteten die Architektur, Kleidung und Lebensart der Stadtbewohner. Zu Fuß durchstreiften wir die Innenstadt und die Hügel rundherum. Am letzten Tag besuchten wir das Tunnelmuseum, das vom Jugoslawienkrieg zeugt, und bemerkten erst jetzt die (inzwischen verputzten) Granatenlöcher in den Hausfassaden. Täglich feierten wir miteinander eine Laudes oder Vesper, und nach mitunter holprigem Zugang schätzen sie das Gebet schließlich doch sehr, als Zeichen religiöser Identität und Gemeinschaft (auch zwischen den Generationen).

Eine andere sechste Klasse fragte: Wollte Jesus eine neue Religion gründen? (Das ist inzwischen eine Maturafrage)
Diese Klasse wollte auch "Atheismus" kennenlernen. Sie definierten ihn als "Keingottglaube"!

Ein weiteres "Best Of" der 5. und 6. Klassen waren die Dilemma-Geschichten. Nach einigen (von mir standardisierten) Dilemmasituationen, für die Schüler in Gruppen Lösungswege suchen und begründen, folgt ein Aufriss von Lawrence Kohlbergs entwicklungspsychologisch formulierten Stufen der Gewissensbildung.

Du hast dein Studium abgeschlossen und fährst mit deinem Auto zu einer Abendveranstaltung, wo du einen Vortrag halten sollst. Du bist gut vorbereitet, dein Laptop liegt am Beifahrersitz. Du hoffst, dass dein Vortrag Beachtung findet und dass du an diesem Abend ein gutes Stellenangebot bekommst.
Du kennst die Straße nicht und musst dich konzentrieren, den richtigen Weg zu finden.
In einer Kurve siehst du Bremsspuren in die Wiese hinunter, und unten ein Auto stehen mit offenen Türen.
Kein Mensch zu sehen.
Was machst du?

In Gruppen werden Lösungen gesucht. Es zeigt sich, wie Jugendliche mit ihrer Entscheidung ihre Haltung bestimmen.
Nun ordnen die Schülergruppen ihre gewählten Lösungswege einer Entwicklungsstufe zu.
àPräkonventionelle àkonventionelle àpostkonventionelle Moral

In der Folge gibt es eine Serie neuer Dilemmageschichten, die sich am Schüleralltag orientieren: Mobbingsituationen in der Klasse, Liebesgeschichten mit weltanschaulichen Differenzen, Familiengeschichten mit auseinanderklaffenden Lebensweisen. Und Stunde für Stunde beraten sich Schülergruppen, um Lösungswege zu finden, und bestimmen und festigen dabei selbst ihre ethischen Prinzipien.

Nach dem Überfall der Hamas in Israel und dem darauffolgenden Gazakrieg werde ich in allen Oberstufenklassen nach den Hintergründen gefragt. Ich antworte mit der David-Goliat-Geschichte und den Philisterkriegen, bei größerem Interesse mit einer Israelgeschichte in Siebenmeilenschritten vom Exil in Babylon, der Tempelzerstörung durch die Römer, der folgenden Diaspora in Europa, Russland und den Mittelmeerländern bis Arabien, dem Osmanischen Reich bis zum Ersten Weltkrieg und schließlich dem Zionismus, der Gründung Israels nach der Shoah und der Gründung der PLO und dem Terror seit den Siebzigerjahren.

Im Herbst 2024 fragt mich die siebente Klasse nach der Nationalratswahl, an der die Jugendlichen erstmals teilnehmen. Ich antworte mit einer möglichst neutralen Geschichte der Parteien und unterscheide einige Wahlmotive: Klintelpolitik, Parteien als Förderer bestimmter sozialer und beruflicher Milieus; Wahl für erwarteten persönlichen Vorteil; Wahl für erwarteten Vorteil des ganzen Landes; Wahl bestimmter Persönlichkeiten, Wahl von bestimmtem Kommunikationsstil.

Regelmäßig zu den "Best Ofs" gehören die Reisegeschichten. Eine erste Klasse war vom Album mit den klassischen Fotoabzügen meiner Ägyptenreise beeindruckt (einige Schülerinnen hatten selbst eine Ägyptenreise erlebt), die achte Klasse vom Äthiopienalbum, denn eine Maturafrage thematisierte die Kirche Äthiopiens. Meine Erfahrungen mit dem Islam in Kaschmir, hinduistischem Tempelgottesdienst in Varanasi (Indien) und besonders mit dem Schamanen in Ecuador beschäftigten verschiedene Altersstufen.


Firmvorbereitung:
Vierzehnjährige zur Firmung zu begleiten zieht sich wie ein roter Faden durch mein Leben. Als ich noch Student und dann Deutsch- und Biologielehrer war, hatte ich Jugendgruppen im Jugendzentrum, dann in der Pfarre. Mit der Vorbereitung Jugendlicher auf die Firmung fand ich auch meine eigene Berufung zum Priester, denn diese außerschulische Arbeit war existenziell bedeutsamer als der Schulunterricht. Zu meinem zwanzigjährigen Weihejubiläum ging ich in meine Heimatpfarre zurück und rief die damaligen Jugendlichen zusammen, die nun Familien und Berufe hatten, um mit ihnen und meinen Weihekollegen eine Dankmesse zu feiern. Und wir legten den Prozess von Anfang an existenziell an.
Wir entwickelten ein Dreistufenmodell. Von der Reflexion auf sich selbst, die eigene Biographie, den eigenen Charakter und die Zukunftsvorstellungen (Ich-Erfahrung) gingen wir dazu über, uns miteinander zu beschäftigen, mit der Familie, den Freunden und deren Sicht auf mich (Du-Erfahrung). Und schließlich ging es um Gottesbegegnung: wir sammelten Momente des Staunens, der Dankbarkeit, Erfahrungen des Geführtwerdens. Eine große Rolle nahm das Spiel des Blindführens ein. Einer führte den anderen, der die Augen schloss, mit zwei Fingern an der Schulter behutsam durch den Park, über den Gehsteig, sogar ins Stiegenhaus und die Wendeltreppe des Pfarrhauses hinauf bis zur Pfarrerwohnung und wieder hinunter. Dann kam die Reflexion, ob man sich der Führung anvertrauen konnte, ob man noch wusste, wo man sich befindet, ob die Aufgaben zu schwierig waren. In diesem offenen Erfahrungsbezug lag bereits damals etwas, was ich später vertiefte und noch einmal ausführlicher besprechen möchte: der Zug zum Offenen.

Schon in der ersten Kaplanpfarre ging ich mit der Firmgruppe in den Stephansdom, um eine Bischofsweihe mitzufeiern (damals wurde Alois Schwarz geweiht). Und fuhr mit der Jugendgruppe für zwei Wochen in die Türkei, nach Istanbul und nach Assos, um Kirchen, Moscheen, den Basar, den Hafen zu sehen, an dem Apostel Paulus ein Schiff bestieg, und schließlich nach Troja. Wir wohnten in einer WG oder am Campingplatz. Die Jugendlichen machten ein Video mit einem Dokumentarfilm über Außerirdische, die all diese Bauwerke errichtet hätten, und interviewten einander als Forscher und Entdecker. Mit einer Oberstufenklasse war ich in der letzten Woche des Schuljahres, gemeinsam mit dem Latein- und der Geschichtelehrerin, in Rom: wieder eine Stadterkundung auf eigene Faust, der vorchristlichen, der frühchristlichen und der Stadt der Renaissance.

Später wurden meine Firmgruppen zu Aktionsgruppen, indem wir Gottesdienste anderer Religionen unserer Stadt besuchten: Moscheen, evangelische, koptische Kirche, eine Freikirche, eine buddhistische Pagode, ein Sikhs-Tempel, immer mit einer Begegnung mit Gläubigen, wenn möglich mit einem Gottesdienst. Natürlich wurde dann auch unser eigener Glaube thematisiert - in einem erweiterten Kontext. So standen die Firmkandidaten mit Aufnahmegeräten am Kirchentor und befragten die Gläubigen, warum sie die Sonntagsmesse besucht hätten und was sie mit nach Hause brächten. Und wir feierten eine Messe im Freien, auf der Wiese im Wäldchen, nur unter uns.
Andererseits fuhr ich mit der Jugendgruppe auf ein Zeltlager. Vierzehn Jugendliche mit vierzehn Jahren in Zelten auf einer Wiese beim Fluss, mit Lagerfeuer, gemeinsamem Kochen und kleinen Ausflügen. Buben und Mädchen nahmen Rücksicht aufeinander und waren auf einmal erstaunlich selbständig. Zur Selbst- und Gemeinschaftserfahrung kam nun die Naturbegegnung. Oder wir fuhren in eine große gotische Kirche und übernachteten drinnen am Steinboden. Zu Mitternacht schickte ich die Jugendlichen einzeln auf den Friedhof hinaus, um auf die Geister zu hören. Wenn sie zurückkamen, erzählten sie, was sie gehört und gesehen hatten.
Für all das brauchte ich natürlich gute Partner in der Pfarre, eine Mutter, die ihre Kinder mitnahm und sich auf diese Woche einließ. Auch für sie war es eine Erfahrung!

Zuletzt machte ich die Firmvorbereitung für drei Pfarren. Ich hatte 35 Jugendliche, die ich in zwei Gruppen am Sonntag Abend zusammenrief. Ich hatte sozusagen zwei Schulklassen im Pfarrsaal um den Tisch herum, und in der zweiten Reihe saßen noch einige Eltern, die ihre Kinder hergebracht hatten und selbst interessiert waren am Thema. Jeder der jungen Menschen hatte mir bei der Anmeldung einen Brief übergeben, wo er/sie mir schrieben, was sie von mir lernen wollten. Das machte ich dann in der Firmstunde.
Dort stand:
Was bedeutet die Firmung?
Ablauf der Firmung
Firmpate
Sonntagsmesse
Was ist Beten
Unterschied zwischen evangelisch und katholisch
ich glaube an Jesus, aber nicht an Gott
Unterschied zwischen Priester und Pfarrer
Tod
Kennenlernspiele, Ausflüge, Spaß

Und die Firmvorbereitung dieser Pfarren startete mit einer Silvesterwanderung auf den Ulrichsberg und einer Gipfelandacht. Der Abschluss war ein österlicher Emausweg mit 70 Firmkandidaten aus dem ganzen Dekanat von der Kirche über Waldwege zu einem nahen Bauern, wo es eine Erfrischung gab, und auf anderen Wegen zurück zu einer Andacht in der Kirche. Die Jugendlichen gingen mit einem für sie unbekannten Firmleiter, der von sich aus versuchte, über eines der Themen mit ihnen ins Gespräch zu kommen:
Jesus
Beten
Auferstehung
Bei der Andacht (die Jugendlichen stimmten ab, ob ich die Emausgeschichte vorlesen oder frei erzählen sollte) erzählten sie von ihren Wegerfahrungen und nannten, was sie nun von der Vorbereitung zur Firmung mitnehmen. Dazwischen spielte und sang ich Lieder von Kaplan Flury.

An dieser Stelle könnte ich darüber berichten, was all diese Ereignisse für die Erwachsenen bedeuteten, und das wird in verschiedener Weise noch ausführlich zur Sprache kommen. Zuvor möchte ich aber noch auf eine bestimmte Schule zu sprechen kommen, in der ich selbst Entscheidendes gelernt habe. In meiner Diakonatszeit und in den ersten Kaplansjahren unterrichtete ich in einer Waldorfschule Religion. (Das ist für diesen Schultyp nicht selbstverständlich, denn ansonsten hat man dort die Christengemeinschaft bzw. Ethikunterricht, und den hält oft der Klassenlehrer. Als konfessioneller Religionslehrer hat man also Konkurrenz und sollte zugleich anschlussfähig sein.)
Die Waldorfpädagogik ist sehr auf die Kindesentwicklung fokussiert, weit mehr als die Regelschule. Im Zentrum steht die Erfahrung des jungen Menschen bei der Erschließung der jeweiligen Stoffgebiete. Die Schüler:innen bekommen Zeit für ihre individuelle Auseinandersetzung, es gibt "Epochenunterricht", das sind zu mehreren Wochen geblockte Einheiten, in denen das jeweilige Semesterziel erreicht werden soll. Das gilt für all die Fächer, die vom Klassenlehrer unterrichtet werden, für Religion eigentlich nicht. Trotzdem übernahm ich diesen Rhythmus und nahm mir Zeit für einzelne Themen. Ein anderes Anliegen der Waldorfpädagogik ist die sprachliche, bildnerische und musische Weise der Erarbeitung des Lernstoffs, das eigenständige Gestalten. Da gibt es keine vorgegebenen Merktexte, Ausmalbilder oder Medienstrecken, sondern das Hauptmedium ist das Schulheft, glatt, A4-Format, möglichst viel Freiheit zum eigenen Gestalten ohne restriktive Vorgaben durch Linien oder Kästchen. Und das Hauptmedium ist die Schüler-Lehrer-Beziehung, das gegenseitige Vertrauen, die Kompetenz des Lehrers, sein Sprechen, seine Entscheidung über den zumutbaren und erwarteten Lernprozess. Hier lernte ich, Bibelgeschichten anschaulich zu erzählen, auch Bilder farbig an die Tafel zu malen, Sachverhalte mit der Tafelkreide grafisch zu strukturieren. Ich erinnere mich an eine Stunde in der Volksschule, als ich einen lebenden Laubfrosch mitbrachte. Ich hatte die Kinder auf dieses Tier vorbereitet. Nun zeigte ich es und öffnete das Glas. Atemlos bestaunten die Kinder das kleine Tier und dessen pulsierende Schallblase. Und plötzlich sprang der Frosch in hohem Bogen in die Klasse und landete genau auf der Stirn des neugierigsten und unruhigsten Buben der Klasse. Und wie besprochen, biss er die Zähne zusammen und rührte sich nicht, bis ich hinkam und den Frosch von seiner Stirn zurücknahm. Ein unvergessliches Abenteuer!
Genau diese Klasse begleitete mich später zur Priesterweihe im Stephansdom und saß auf Pölstern bei den Stufen des Presbyteriums, direkt neben mir, sodass wir Kontakt hatten während der ganzen Feier. Dieser Bub war ständig im Sicht- und Hörkontakt mit mir.
Die Waldorfpädagogik hat mich ganzheitliches Unterrichten gelehrt, spielerisch, künstlerisch, aber auch in großer Eigenständigkeit des Lehrers, der an kein Lehrbuch gebunden ist, keine vorgegebenen Unterrichtsmaterialien, sondern alles, was er braucht, selbst organisiert. Am besten gestaltet er es während des Unterrichts, zusammen mit den Schülern. Und sie hat mich gelehrt, dass der junge Mensch im Zentrum steht, seine Bedürfnisse, seine Entwicklungsfähigkeit, seine Grenzen, die anzuerkennen sind, um sie gegebenenfalls überwinden zu können. Ein Umgang mit Kindern in großer Freiheit und zugleich in großer Genauigkeit. Übrigens weiß ich von einer der Oberstufen-Schülerinnen, die damals nach Istanbul mitgefahren sind und Straßenszenen in der Altstadt gezeichnet und später bei einer Ausstellung in der Stadt ausgestellt hat, dass sie heute eine renommierte Schriftstellerin ist.

Erstkommunion-Vorbereitung:
Jedes Jahr sage ich den jedesmal erstaunten Eltern beim ersten Elternabend, dass das Sakrament, auf das wir jetzt zugehen, Eucharistie heißt und der sonntägliche Mittelpunkt der christlichen Gemeinde ist. Daher ist die Hauptstraße der Erstkommunionvorbereitung der Besuch der Sonntagsmesse. Ich verspreche sogleich, dass die Kinder immer angesprochen werden, wenn sie da sind. Manche Eltern macht das skeptisch, denn sie hätten lieber ein begrenztes Programm, das sie mit wenig Aufwand absolvieren können, besonders solche Eltern, die lieber den Schwerpunkt auf Bastelrunden oder sonstige Aktivitäten gelegt hätten. Es gibt einen starken Trend hin zu Beiläufigkeit und weg von der Gottesbegegnung, auch bei Mitarbeiter:innen. Man kann da mitschwimmen oder ein anderes Angebot dagegenstellen.
Seit einigen Jahren wende ich meine Methode des Bibelerzählens auch in der Erstkommunionvorbereitung an. Ich biete vier Jesus-Stunden an.
1. Geschichte ohne Namen
2. Die ersten Jünger
3. Das Monster in der Wüste
4. Die Auferstehung
Ich stelle Buntstifte und Zeichenpapier zur Verfügung und einen großen Tisch. Ich beginne mit der Geschichte von der Flucht der heiligen Familie nach Ägypten, ohne irgendeinen Namen zu nennen, weder von Personen noch von Orten, und achte darauf, ob irgendjemand eine Ahnung bekommt, von wem hier die Rede ist. In den letzten Jahren haben auch die Eltern selbst an diesen Stunden teilgenommen, auch sie erkennen die heilige Familie höchstens dann, wenn die Rede auf den verstorbenen König kommt. Eher ist darauf zu achten, dass Mütter nicht zu telefonieren beginnen oder eine eigene Unterhaltung anfangen. Aber es gibt auch Eltern, die selbst mitzeichnen und ihre Bilder auch in der Kirche aufhängen lassen.
Am folgenden Sonntag kann ich mithilfe der Bilder in der Kirche nochmals auf Jesus eingehen. Das gezeichnete Monster, das den Versucher in der Wüste darstellt, konnte ich bei mehreren Messen hervorholen und verschiedene Verführungen thematisieren, die bei der Beichtvorbereitung eine Rolle spielten. Kinder merken schnell, dass es viele Gründe gibt, Hausübungen, Zimmer aufräumen oder das Einhalten von Zusagen aufzuschieben oder auch am Sonntag länger zu schlafen, und die Eltern merken es mit ihnen. Bei der Erstbeichte können auch Kinder zusammen mit einem Elternteil kommen, wenn sie das wollen.
Nach dieser gemeinsamen Wegstrecke von Weihnachten bis zur Erstkommunionfeier ist wirklich eine Beziehung der Kinder zu Jesus entstanden. Zu Christi Himmelfahrt wurde ich besorgt von einem Mädchen gefragt: Muss das sein, dass Jesus uns verlässt? Darauf konnte ich von Herzen in der Predigt antworten.



3. Kreativität

Das Schülerradio

Ein großer Schritt zur Kindertheologie war das Schülerradio. Ermutigt durch die Neugier und Gestaltungslust der Firmkandidaten und Schüler:innen ging ich auf die Suche nach handlichen digitalen Aufnahmegeräten, bemühte mich um ihre Finanzierung durch die Kirchenleitung und suchte interessierte Religionslehrer:innen. Wir bildeten ein Team von zehn Lehrer:innen und bekamen ein Einschulungswochenende von der Religionsabteilung von Ö1. Roberto Talotta kam nach Villach und unterwies uns in der Handhabung der Geräte und warnte uns vor den technischen Fallen. Wir lernten geduldig, eine Sendung zu strukturieren, lernten, Interviews zu führen, Klassengespräche zu moderieren, lernten auch, ein Thema so zu entwickeln, dass ein unbedarfter Hörer an das Thema herangeführt wird und die Sendung versteht, auch wenn er nicht alles gehört hat. Wir wurden auf eine Sendungsdauer von 30 Minuten und auf 60 Minuten geschult, lernten, die Beiträge zu schneiden und mit Musik abzuwechseln. Mit Radio Agora, einem nichtkommerziellen freien Radio, wurden wir einig und bekamen einen wöchentlichen Sendungsplatz.
Und nun ging es los!
Es entstanden Sendungen wie:
▪ Krieg von einer 2. Klasse, im Gespräch mit Brigadier Polainer
▪ Gefängnis: Lehrausgang ins Polizeianhaltezentrum
▪ Tod: Interview mit Bestattungsangestellten und mit jemand, der eine Nahtoderfahrung hatte
▪ Krebs in der Schule: Erfahrungen mit einer betroffenen Schülerin
▪ seltene Sportarten: Klettern, Fechten, Bogenschießen
▪ Kriegskinder: Interviews mit Großeltern, die im Krieg aufgewachsen sind
▪ Die Bahai-Religion
▪ Weihnachten für Kinder
▪ Aids
▪ Verliebtsein
▪ Obdachlosenheim
▪ Internet-Beziehungen
▪ Rauchen macht frei
▪ Eine Absolventin unserer Schule ist Politikerin
▪ Sprache - verstehen wir uns?
▪ Messbesucher und Glaube
▪ Facebook
▪ Judentum
▪ Nonnen: Gespräche mit Kleinen Schwestern
▪ Palliativstation
▪ Bombenalarm in der Schule

Man sieht die Freiheit der Themen, die manchmal Schulthemen sind, manchmal Themen des Religionsunterrichts, manchmal auch private Schülerthemen. Immer sind es aber die Schüler, die sich mit ihren Fragen in das Thema hineinarbeiten. Meistens sind es Outdoor-Aktionen, Schauplätze wurden besucht, Gesprächspartner gesucht, zuweilen wird jemand in die Schule eingeladen, oder Lehrerkolleg:innen oder andere Schüler:innen sind Gesprächspartner. Doch immer ist es ein Projekt der Schüler:innen. Sie diskutieren über das Thema, überlegen sich Herangehensweisen, erarbeiten sich die schrittweise Umsetzung. Der Lehrer ermöglicht und unterstützt. Er schafft den Rahmen mit der Schulleitung und vermittelt zuweilen Gesprächspartner.

Die Spiele:

Did you touch me? habe ich selbst von den Schülern der vorigen Schule gelernt. Drei oder vier Schüler kommen heraus und geben das Kommando: Fall asleep. Alle schauen ein auf ihren Plätzen, den Kopf in der Armbeuge. Die Drei oder Vier schleichen nun durch die Klasse und berühren jemand heimlich. Wenn alle fertig sind und wieder vorn beisammenstehen, rufen sie: wake up! Und nun erheben sich die drei oder vier Berührten und müssen erraten, wer sie berührt hat: Maxi, did you tough me? Wenn ers war, tauschen sie Platz, und der Berührte ist jetzt draußen.
Was den Kindern gefällt: Es funktioniert ganz autonom, braucht keine Erwachsenen. Es ist ein Abenteuer, heimlich jemanden zu berühren, einen alten Freund, eine bisher noch nicht deklarierte Freundschaft. Eine scheue Berührung zwischen Bub und Mädchen. Ein wilder Ritterschlag zwischen Männern. Und es ist ein besonderes Ereignis, erwählt zu werden.

Ein Spiel für ungeduldige letzte Schultage: Simon says. "Simon says: stand on one leg." Alle stehen auf einem Bein. "Simon says, sit down." Alle setzen sich. "Get up!" Wer jetzt aufsteht, scheidet aus. Nur mit "Simon says" ist es ein gültiger Auftrag. Bei übermütigen Lehrern gibt es Aufträge wie "visit the neighbour class" oder "bring a massage to the other class". Beim zweiten oder dritten Spiel bekommt ein Schüler das Kommando.

Von Schülern oft gewünscht: Stadt-Land. Bei mir geht das ohne Zettel. Zwei Teams sitzen um Tische herum. Ich wähle zwei Schüler der ersten Mannschaft, einer sagt "los!", der andere nach einer Weile "halt". Dazwischen sage ich in Gedanken das Alphabet auf, "halt" markiert den Buchstaben, bis zu dem ich gekommen bin. Diesen schreibe ich an die Tafel. Die andere Gruppe beginnt und nennt eine Stadt mit diesem Buchstaben, die Gruppen nennen abwechselnd. Wenn eine Gruppe zu lange nachdenkt, beginne ich, den Countdown mit den Fingern herunterzuzählen. Die Siegergruppe bekommt einen Stern an der Tafel.
Man muss vorher besprechen, dass Städte nicht Hauptstädte sein müssen, aber auch keine Dörfer. Bei Ländern muss geklärt werden, ob das Staaten sein müssen; Landstriche, Inselgruppen sind uneindeutig.
Meistens gewinnen dieselben Schüler, die erforderlichen Begabungen sind eng begrenzt.

Mein besonderes Spiel, über Jahre hinweg entwickelt: Raumschiff.
Schüler setzten sich in Gruppen (mindestens vier) um einen Tisch, der das Raumschiff ist, und suchen einen Namen für das Raumschiff. Sodann bekommt jeder im Team eine bestimmte Aufgabe: Commander, Pilot, Techniker, Wissenschaftler, Koch...
Ich schreibe die Namen der Raumschiffe an die Tafel.
Nun kommt die erste Aufgabe. Dafür müssen sich alle einloggen, indem sie beide Handflächen auf den Tisch legen. Ich bin der intergalaktische Zentralcomputer und verkünde die erste Aufgabe: Im Sternbild der Stiere sind die Stiere ausgebrochen. Sie trampeln über das ganze Firmament und beschädigen andere Sternbilder. Viele Sterne sind schon heruntergefallen. Sucht schnell eine Lösung!
Nun wird in den Gruppen beraten, wie der Fall gelöst werden kann. Wenn die Mannschaft eine Geschichte hat, stehen sie auf. Ich registriere die Reihenfolge. Wenn alle stehen, beginnt die erste und schnellste Mannschaft und erzählt ihre Lösungsgeschichte. Wenn ich alle Lösungen gehört habe, loggen sich wieder alle ein zur Datenübertragung, und der Zentralcomputer wählt die beste Lösung aus. Dazu summe ich so wie ein alter Commodore-Computer. Die Kriterien sind: Lösung des Problems, alle im Team beteiligt, phantasievoll, spannend, gut erzählt. Ein Beispiel: Der Techniker baut ein Weltraumlasso, damit fängt der Pilot die Stiere ein und bringt sie zurück. Der Koch macht ihnen eine beruhigende Suppe, währenddessen baut der Wissenschaftler einen Elektrozaun um die Himmelsweide. Dann streift die ganze Mannschaft über das Firmament und klaubt die herabgefallenen Sterne auf und hängt sie wieder an ihren Platz.
Wenn die Mannschaft mit dieser Geschichte die Runde gewonnen hat, setzt die nächste Runde bei dieser Lösung fort.
Zum Beispiel: Als alle auf der Erde zurück sind, sehen sie, dass sie das teure Lasso auf der Weide vergessen haben. Sie fahren zurück, um es zu holen. Aber der Minotaurus hat es im Labyrinth versteckt und bewacht es, um Menschen anzulocken.

Das Spiel ist beliebt von der ersten bis zur achten Klasse.
Ich hatte schon Teams mit einem Weltraumseelsorger, einer Sprachenexpertin, die alle Sprachen spricht, einer Tänzerin, die alle überzeugen kann, oder einem Schamanen, der mit den Geistern spricht.
Ich hatte Lösungen, die in der Bekehrung des Bösewichts bestanden, in der Hochzeit mit der Sternenprinzessin oder im Friedensvertrag mit den Klingonen.
Es ist vorteilhaft, wenn der Lehrer zumindest einige Folgen von Raumschiff Enterprise gesehen hat und wenigstens für den Start schon eine Idee hat für die erste Aufgabe. Es können beliebig religiöse Elemente einbezogen werden, z.B. beobachtet der Zentralcomputer zu Christi Himmelfahrt ein humanoides Objekt, das sich von der Erde aus quer durchs All bewegt und die Grenze des Alls durchstößt und dort ein Loch reißt, woraufhin die umliegenden Sterne ins Vakuum hinausgezogen werden.
Beim ersten Mal muss zuerst der Weltraumführerschein gemacht werden, wozu drei Aufgaben gut gelöst werden müssen. Dieser ist dann jedes Mal mitzuführen, damit der Lehrer abgesichert ist, falls es zu Unfällen oder Pannen im All kommt.
Ganz deutlich ist die Phantasie der Gewinn beim Spiel. Kinder bauen blitzschnell Abenteuergeschichten und finden zu eifriger Teamarbeit, indem die Begabungen der anderen Mitspieler geschätzt und einbezogen werden. Der Gedankenflug durchs Weltall und die Abenteuer mit Monstern und absurden Situationen werden sehr lustvoll erlebt.

Ein weiteres Spiel, das ich zuletzt mit einer vierten Klasse bis zum Exzess gespielt habe, ist Labyrinth.
Zwei Schüler verlassen die Klasse. Am Gang besprechen sie, wer von beiden blind ist und wer ihn/sie führt, und sie besprechen und testen die stummen Zeichen mit dem Finger auf der Schulter. Inzwischen verschieben die anderen in der Klasse die Tische und Stühle und bauen ein Labyrinth, durch das der Blinde hindurchgelotst werden muss. Es gilt: keine Hindernisse unterhalb der Tischplatte (keine Stühle oder Taschen im Weg). Am Ziel steht ein:e Schüler:in und hält die Hände vor zum Abklatschen. Die Schüler der Klasse sitzen auf den Tischen und beobachten lautlos. Wenn alles bereit ist, hole ich das Schülerpaar vom Gang herein. Gewitzte Klassen verdunkeln die Fenster, damit der Blinde sich nicht an der Fensterseite orientieren kann. Wenn das Ziel erreicht wurde, gibt es eine kurze Befragung von blinden, führenden und beobachtenden Schülern nach Schwierigkeitsgrad, Angstgefühlen und Kommunikation innerhalb des Zweierteams.
Die Schüler nennen deutlich die vertrauensvolle Kommunikation zwischen den beiden als Ziel des Spiels. Und sie erweitern ihre Raumorientierung und schärfen alle ihre Sinne, denn bei geschlossenen Augen hört und spürt man gut!



4. Kindertheologie für Erwachsene


Der Querblick:
Ich sitze auf der Terrasse des Restaurants, im Gespräch am Tisch, und sehe hinten die Glastür aufgehen, und eine Mutter kommt heraus mit einem Kleinkind an der Hand. Das Kind erblickt mich und winkt mir.
Ich habe beide nie zuvor gesehen.
Bin auch zum ersten Mal hier.
Meine Gesprächspartner merken nichts davon, nicht einmal, als ich zurückwinke.
Später kommen die beiden wieder zurück, wiederum winkt mir das Mädchen.

Ein Sechsjähriger kommt mit den anderen Ministranten, stellt sich vor mich hin, sieht mich an und fragt: Darf ich auch zur Ministrantenstunde kommen?
Sein älterer Bruder hat ein paar Monate ministriert, sein Vater ist Mitarbeiter und kommt gelegentlich zur Sonntagsmesse. Bis zum Schulbeginn hat der Bub mit Fremden kein Wort gesprochen und ging nur neben der Mutter. Er hat sich von sich aus um diesen Dienst bemüht und um die Gemeinschaft mit den anderen Kindern. Die anderen berieten, was der Neue am besten zuerst lernen soll. Er kam ungefähr ein Jahr lang, gelegentlich mit dem Vater, manchmal mit der Großmutter oder mit den anderen Kindern, meist jedoch alleine, von zu Hause etwa 15 Minuten durch den Wald zur Kirche. Mit der Mutter kam er nie.

Ich habe Gangaufsicht, spähe in die zweite Klasse hinein (die ich nicht unterrichte), Kinder winken mir und kommen heraus: der und der ist heute schlecht drauf, sagen sie mir grinsend, der Bezeichnete kommt auch grinsend dazu, ich frage nach, er sagt, habe die Wiederholung nicht gewusst, ich frage, jetzt ist 10 Uhr, wirds heut noch besser? Er sagt, ja schon, die anderen bezweifeln, ich frage, wirklich? Er sagt: bestimmt!
Einmal haben sie zu mir gesagt: Sie sind so lustig!

Am Gang kommen zwei Schüler auf mich zu, etwa dritte Klasse (ich unterrichte sie nicht), sagen zu mir: Ich kann nicht mehr lernen. Früher hatte ich kein Problem, aber jetzt komm ich nicht mehr mit. Ich sage: Wollt ihr mirs genauer erzählen? Sie sagen: Wir probierens noch einmal. Wochen später sagen sie mir: Es ist besser geworden, ich hab jetzt einen Einser.
Warum sagen sie mir das überhaupt?
Haben sie gehört, dass ich voriges Jahr in der Vierten ein bisschen Lernhilfe gegeben habe? Dass ich mich nach ihren (ineffizienten) Lernmethoden und Fortschritten erkundigt habe? Kinder nehmen mehr wahr, als man denkt.
Und artikulieren ihre Hoffnung.
Kindertheologie.


Wort am See:
Eine junge Frau, die ich vor Jahren gemeinsam mit ihrem Bruder zur Firmung begleitet habe, mit dieser Firmgruppe bin ich nach Assisi gefahren, ist jetzt Schauspielerin und performt selbstgeschriebene Texte. Ich habe sie eingeladen, einen eigenen Text zum Heiligen Geist zu machen und zu Pfingsten in der Messe darzustellen, und sie sagte zu. Der Wortgottesdienst war dann entsprechend reduziert, nur ein oder zwei Sätze vom Evangelium, im Mittelpunkt ihre Performance. Und es war ein Text über die persönliche Umkehr, das Zu-sich-Kommen, das Gestärkt-werden, über persönliches Wachstum, sehr berührend von einer Gefirmten zu Pfingsten zu hören.
Der Gesang folgte an diesem Sonntag dem "Woodstock"-Stil: einer singt vor, alle wiederholen im Chor. Bei dieser Methode braucht man kein Liederbuch, niemand muss den Blick abwenden, die Gläubigen sind stark mit dem aktuellen Ereignis verbunden, hören zu, sind gegenwärtig, antworten spontan. Die Texte sind einfach:
Mein Geist. Dein Geist. Heiliger Geist.
Heilig, heilig, heilig.
Lamm Gottes.

Die Menschen waren stolz auf diese junge Frau aus ihrer Mitte, und soetwas haben sie in ihrer Dorfkirche noch nicht erlebt.

Einige Monate später gab es eine Poetry-Performance mit dieser Frau auf meiner Terrasse in der grünen Landschaft in der Nähe des Sees. Dazu holte sie andere Poetry-Darstellerinnen und einen Musiker. Es wurde ein froher, auch nachdenklicher Sommerabend mit begeisterten Gästen. Alle präsentierten persönliche Ich-Texte, die jeweils eine Erfahrung darstellten, die ein Schwanken war, ein Hin-und-her-Überlegen, etwas nach allen Seiten Umdrehen, ein Erwägen, ein Versuch, etwas Schwebendes darzustellen in der Abendsonne mit dem Blick über das Tal. Mit der Perspektive der Kindertheologie kann ich sagen: Ereignisse der Menschwerdung!

Der Vizebürgermeister begegnet mir im Flur des Gasthauses. Beide sind wir ungeplant dort, ohne mit jemandem verabredet zu sein. Wir setzen uns an einen Tisch, er zeigt mir Fotos von Literaturförderern seiner Gemeinde, nach denen jetzt Straßen und Plätze benannt sind. Zeigt mir das Grab dessen, der den großen Literaturpreis des Landes ins Leben gerufen hat. Ob nicht im neuen Haus der Begegnung ein neuer Literaturpreis entstehen könnte. Für Jugendliteratur, sage ich. Es gibt schreibende Jugendliche. Junge Künstler und Dichter. Er ist interessiert. Ich sage: Die Gymnasien der Region sind untereinander vernetzt. Jede Schule hat eine Bibliothekarin. Sie suchen nach Schreibtalenten in ihrer Schule. Wir reden über eine Jury, wir reden über einen Einreichtermin und einen Veranstaltungstermin. Ein bisschen reden wir über Kosten. Ich sage: Junge Menschen schreiben nicht für Geld. Ja, eine Belohnung ist schön. Aber was ihnen hilft, ist Aufmerksamkeit. Dass man ihnen zuhört. Sich ihnen zuwendet, ihre Geschichten mitgeht, sie ernst nimmt. Sie schreiben, und wir können ihnen eine Öffentlichkeit bereitstellen.
Wir beide sind begeistert. Wir entwickeln etwas Neues. Es geht ins Offene. Wir sind mit diesem Offenen vertraut. Es belebt uns und unsere Arbeit. Wir sehen einen Schatz, der noch im Acker ist. Wir freuen uns schon mit denen, die ihn finden werden.
Kindertheologie.

Musik im Gottesdienst:
Man kann Musik als Behübschung von Gottesdiensten verstehen, als Verzierung, als "Umrahmung", wie ich zuletzt oft gehört habe. Ist damit gemeint, dass Gottes Wort nicht schön wäre? Oder dass Christi Selbstauslieferung von uns eingerahmt werden muss, sozusagen, um verträglich zu werden?
Schöne Musik im Gottesdienst kann der Erbauung und dem Seelenfrieden dienen. Sie kann die Botschaft des Evangeliums weitertragen. Kindertheologie würde ich es aber erst dann nennen, wenn dabei etwas Neues entsteht, eine neue Qualität. Wenn zum Beispiel ein Jazzmusiker für eine Messe komponiert und mit Jazzmusikern in der Kirche spielt. Das ist eine Grenzüberschreitung. Das beginnt schon bei der für Jazzer ungewöhnlichen Tageszeit. Eine Kirche hat eine ganz andere Akustik als ein Jazzlokal. Aber auch die Situation ist ganz anders, eine Sonntagsgemeinde ist solche Musik nicht gewohnt, ist überrascht, hört mit neuen Ohren. Die Musiker müssen die Hörer erst überzeugen. Andererseits ist eine Sonntagsgemeinde kein Konzertpublikum, das auf den Plätzen sitzt und nach jeder Nummer applaudiert. Eine Messe ist Aktion, die Menschen bewegen sich, antworten. Man kann das Liedschema zurücklassen. Musiker können während der Schriftlesungen spielen, bestimmte Passagen hervorheben. Während des Hochgebets. Es kann improvisierte Wechselgesänge mit den Gläubigen geben. Die Kindertheologie zeigt: hier ist Begegnung und Bewegung, und hier ist Entwicklung.

Stellen Sie sich vor, sie hören Pink Floyd in der Sonntagsmesse. "Dark side of the moon", und Sie stellen sich ein Mondraumschiff vor und erinnern sich an Schul- oder Studentenzeiten. Vor Augen haben Sie jedoch den gewohnten Kirchenraum, und irgendwo an der Seite stehen Musiker und spielen diese Musik, und den einen oder anderen kennen Sie vielleicht. Eine Entrückung. Oder Sie hören "Time", und im Evangelium spricht Jesus vom Himmelreich. Da kommen Welten in Bewegung! Kennen Sie Elvis Presley's "Love me tender"? Singen Sie einmal dieses Lied mit dem deutschen Sanktus-Text! Es ist, als wäre diese Musik für die Kirche gemacht.

Eines der radikalsten Ereignisse waren die Geräuschmessen. Musiker sind aufgefordert, zu spielen ohne einen Ton, ohne Melodie. Eine ganze Messe nur mit Geräuschen. Da braucht man ein großes Repertoire und ein Konzept. Und der Priester spricht nicht (Sprechton), sondern flüstert tonlos (aber mit Mikrophon). Alle Texte sehr reduziert, nur das Wichtigste. Die Kirche finster. Aus wenigen Worten und Klängen entsteht im Hörer eine Welt. "Adam, wo bist du?", fragt die Lektorenstimme im Dunkeln, wiederholt einige Male sehr eindringlich. Stille. Die Frage in die Stille. "Adam?" Mehr braucht gar nicht vorgetragen werden von der Lesung am Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau Maria. Und wenn im Evangelium der Engel Gabriel erscheint vor Maria, hat der Hörer bereits die ganze Begegnung vor sich. Lass ihn erscheinen und hör ihm zu! Vielleicht ein Hauch, vielleicht ein Gong, wenn er ansetzt zur Botschaft, vielleicht ein geräuschvolles Luftschnappen. Ein kräftiger Atemzug.
Es entsteht ein neues Hören. Hören wird zum Abenteuer. War das Musik? Oder ein Geräusch von draußen? Knarrt die Bank, oder ist das absichtlich produziert? Die Reduktion öffnet den Geist. Er kommt und beginnt zu suchen, tastet den Raum ab, das Geschehen, die Menschen im Raum, die eigenen Vorstellungen, die Erinnerungen. Befürchtungen melden sich, Ungeduld regt sich, sinkt wieder zurück, weicht der Neugier. Wenn die Menschen nach der Geräuschmesse hinaustreten in die abendliche Stadt, gibt es kein Geplauder wie sonst. Still gehen sie, bewegt und ergriffen.

Zusammenfassung:

Man könnte es so ausdrücken: die Kindertheologie setzt Prozesse in Gang, die unabsehbar sind. Menschen richten sich auf, werden neugierig, beginnen zu suchen und zu fragen. Kindertheologie will nicht unterhalten, sondern aufrütteln, sie will nicht bestätigen, sondern in Frage stellen, sie will nicht wiederholen oder fortsetzen, sondern neu beginnen. Und Kindertheologie hat kein Ziel, das einmal erreicht werden kann, sodass sie abgeschlossen wäre. Kindertheologie geht stets ins Offene. Kindertheologie ist sozusagen Gleichnis vom Himmelreich in Dialogen und Ereignissen. Dialoge sind keine Frage-Antwort-Spiele, kein Abprüfen des Verstandenen, wie Erwachsene sogleich befürchten, wenn sie vor allen gefragt werden. Dialog ist tastendes Sprechen ins Offene, Dialog ist Ahnung der Wahrheit.
Und Kindertheologie aktualisiert sich fortwährend selbst, z.B. im unerwarteten Querblick, der durch alle Konventionen und Umstände hindurchgeht. Natürlich stellt Kindertheologie junge Menschen und neue Ideen in die Mitte. Kindertheologie ist sozusagen die Zuwendung zu ihnen, das Hinhören, denn sie sprechen zu uns. Dazu gehört Mut. Denn Kindertheologie kostet etwas. Sich auf Kinderwort einzulassen ist ein Wagnis. Man muss sich herunterbeugen und sie ansehen. Auf sie zugehen, sich auf sie konzentrieren. Dazu müssen Widerstände überwunden werden, in mir und meiner Umwelt. Zuhören ist nicht der Normalfall.
Kindertheologie hat Gegner.
Denn Kinder kommen zum Bestehenden wie Fremde. Sie sind nicht mit den Konventionen verabredet und nicht mit Traditionen verbündet. Es liegt ihnen nichts daran, die alte Welt weiterzutreiben. Sie sind ja eine neue Welt. Wenn du nicht neu geboren wirst, sagt Jesus zum Pharisäer, der sich gegen das Neue sträubt und beim Bekannten bleiben will, obwohl er merkt, dass das nicht genügt. Er hat Widerstände in sich. Die Kindertheologie begegnet Widerständen. Es gibt keine Kindertheologie ohne Widerstände, am meisten von den Gläubigen und Pharisäern. Die Widerstände sind sozusagen ihr Wahrheitsbeweis. Die Neugier der Kinder und der Widerstand des Bestehenden, das sich gegen Entwicklung sperrt. Das Bestehende erträgt nicht das Unabsehbare.
Die Unruhe der Kinder strengt an.
Die Unbekümmertheit der Kinder weckt Neid.
Die ältere Generation wird neidisch auf ihre Freiheit.
Die Kinderruhigsteller werden misstrauisch.
Eltern sträuben sich gegen den sonntäglichen Messbesuch.
Priester wehren sich gegen neue Wege, die wirklich begangen werden.
Die Kirchenleitung fürchtet Unruhe und meidet das Wagnis.
Sie sucht das Publikum, nicht die Neugeburt.
Sie dient vorherrschenden Meinungen, nicht der Offenbarung des Himmels.
Gott wusste das, als er sich entschied, ein Kind zu werden


5. Biblische Beobachtungen:

Lukas lässt die Heilsgeschichte mit dem Loblied eines Vaters beginnen, dem gerade ein Kind geschenkt wurde. Du, Kind, redet er seinen neugeborenen Sohn an und nennt ihm die vergangenen und künftigen Heilstaten Gottes, in deren Mitte er seinen Sohn sieht, den Propheten des Höchsten. Der Weg, den das Kind betritt, wird der Weg des Herrn. Ist noch nicht, wird. Zu dieser großen Vision inspiriert der Prophetensohn den Priestervater. Mit dieser Vision läßt das kirchliche Stundengebet jeden Tag beginnen. Jeder Tag mit dem vom Kind inspirierten Erwachsenenblick.
Wir können getrost den bürgerlichen Blick auf die biblischen Kindererzählungen beiseite lassen. Sie konnten in dem erhofften Kind nur die Bestandssicherung der Alten sehen, die antike Pensionsvorsorge. Aber Kinder sind gerade nicht die Fortsetzung des Bisherigen. All die biblischen Geschichten erzählen doch gerade das Neue, völlig Unerwartete und Unabsehbare, das durch Josef, Samson, Samuel, David, Maria, Johannes in die Welt trat und sie heilsam veränderte. Ihr Leben wird als Kindergeschichte erzählt. Sie bringen die Geschichte an den Rand des Möglichen, ja darüber hinaus. Sie vergrößern die Welt.

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