Bashir

Ich war schon fertig zur Abreise am Sonntag. Da sprach mich Bashir an auf der Strasse. Er hatte mich schon frueher gesehen, damals, als ich im Cafe gesessen bin mit meinen Buechern und Notizen. Damals war mir aufgefallen, wie die Menschen einander kannten in der Nachbarschaft. Im Cafe wird man gegruesst von Passanten. Ein Auto bleibt stehen, das Fester wird heruntergekurbelt, und man ruft einander etwas zu. So war es auch mit Bashir. Mein Sitznachbar hatte ihn angesprochen, dann waren sie um den Tisch gesessen.

Bashir stellt sich vor als Finanzmanager, der zehn Jahre in USA gearbeitet hat und mehrere Jahre in England. Wir gehen in ein Cafe, spaeter laedt er mich nach Hause ein. Ohne etwas von mir zu wissen, stellt er sich als "sozusagen christlich" vor, das heisst interessiert und bibellesend, aber ungetauft. Und nun kommt seine Leidensgeschichte. Sie scheint damit zu tun zu haben, dass man in Tunesien Heimkehrern misstraut, und dass seit der Revolution 2011 das Land zwar frei vom Diktator, aber noch nicht frei von Korruption ist.
Bashir ist ein grosser Mann Ende Dreissig, er spricht sehr konzentriert und ist sehr ernst. Er ist nicht verheiratet und lebt nun im Elternhaus, wo ich am Nachmittag seine Mutter, zwei Schwestern und den franzoesischen Schwager mit den beiden Toechterchen kennenlerne. Auch mit ihm verstehe ich mich gut, wir reden ueber Tunesien, den Islam, ueber franzoesische und ueber Kirchengeschichte.

Schliesslich mache ich auf Bashirs Bitte eine Daemonenaustreibung, und dann gehen wir schwimmen am Strand der Corniche. Das Meer ist ungewoehnlich aufgewuehlt, Seegras treibt wie Wolken, und meterhohe Wogen donnern an den Strand und die spitzigen Felsen dort. Ich arbeite mich den Wogen entgegen. Wenn du einer standgehalten hast, dann zieht dich das zurueckfliessende Wasser mit grosser Gewalt an den Fuessen hinaus, und sogleich stuerzt dir die naechste Welle ueber den Kopf. Einmal verliere ich den Boden, und es wirbelt mich herum im Innern der Welle, sodass ich einen Purzelbaum schlage. Ich spuere wieder Boden unter den Fuessen und komme an die Luft. Ich schwimme weiter hinaus, auch andere sind da, junge Maenner, die lachen und schwimmen, auch Bashir ist gekommen. Dann stecken wir im Seegras fest, jede Woge wirbelt das Gras herum, es ist ueberall, im Haar, in der Badehose, es windet sich um Arme und Beine und wickelt mich ein, sodass ich mich anstrengen muss, um weiterzukommen. Schliesslich kehren wir erschoepft zurueck und lassen uns an den Strand werfen und stapfen mit wackligen Knien und ausser Atem zu unserem Handtuch zurueck, und Bashir zeigt mir, in welcher Richtung Sizilien liegt in 150 km, und in der Haelfte der Entfernung ist Lampedusa.

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