Donnerstag, 10. Mai 2012

Neue Gruppen

Die meisten Gruppen in unseren Gemeinden sind nach bürgerlichen Maßstäben organisiert: Kinder, Jugendliche, Frauen, Männer, Senioren, Akademiker. Bibellesen, Krankenhausbesuche, Pfarrfest-Organisation. Ist das nicht alles zur Wiederholung und Selbstbestätigung angetan?

Ich schlage vor, bei der Taufe zu beginnen und der Gnade und Berufung nachzugehen, die da geschenkt wurde. Der Priester (Diakon) salbt die/den Getaufte/n und spricht: SEI GESALBT WIE JESUS CHRISTUS ZUM PRIESTER, KÖNIG UND PROPHET. Da ich diesen Auftrag ernst nehme, gehe ich davon aus, dass in jeder Gemeinde Begabungen und Berufungen für diese Dienste vorhanden sein müssen. Seit Jahrzehnten rufe ich überall, wo ich bin, die Propheten zusammen. Und da kommen durchwegs Unangepasste und Eigenständige, die das Geschehen in Land und Kirche wach, aber kritisch beobachten. Bei den Treffen orientieren wir uns zunächst an den biblischen Propheten und befragen die Texte nicht akademisch, sondern nach ihren individuellen Botschaften. Später wächst die Gruppe zusammen und begleitet die Teilnehmer bei ihrer persönlichen Entwicklung. Da haben bereits viele Lebenswenden stattgefunden!

Auf meiner letzten Indien-Reise habe ich beschlossen, auch spirituelle Begabungen in der Gemeinde aufzuspüren. Es gibt kirchliche Spiritualitäten, die man kennenlernen soll, aber auch Musik, Literatur oder Reisen können uns inspirieren. Und auch den inneren Erfahrungen anderer Religionen sollten wir uns aufschließen – ein Gebot der Stunde.

Das Königtum Christi war seine dienende Hingabe an die Menschen. Wir üben caritative Dienste, vergessen aber auch die Armen dieser Tage in Europa nicht, die ihre Heimat verlassen haben und bei uns gestrandet sind.

Donnerstag, 3. Mai 2012

Vorbilder

Innovative Pastoral ist keine Schönwettertheologie, und dazu nicht meine Erfindung.

In der Renaissance, vielleicht der schwierigsten Zeit für die Kirche, war der christliche Glaube längst nicht mehr das Maß aller Dinge, die Kirchenleitung glänzte durch Machtspiele und sittlichen Verfall, und die Reformation spaltete Kirche und Europa. Da trat in Florenz, der Hochburg sinnlicher Vergnügungssucht, der Bußprediger Girolamo Savonarola auf. Der Dominikanermönch geißelte die Verschwendungssucht des Medici-Regimes und wirkte an der Vertreibung der Herrscherfamilie mit. Maßgeblich an der neuen Stadtverfassung beteiligt, etablierte er eine demokratische Ordnung für die Stadt. Der Domprediger mobilisierte Scharen von Kindern und Jugendlichen, die durch die Straßen zogen und alles einsammelten, was für Christen eine Versuchung sein konnte. Sie verbrannten unsittliche Bücher und Bilder, Kleidung und Schminkzeug am Hauptplatz der Stadt. Savonarola polarisierte in Stadt und Kirche, widerstand dem Papst und verhandelte mit dem französischen König. Seine Agenda war deutlich gesellschaftspolitisch und zeitkritisch, und das brachte ihn schließlich auch selbst auf den Scheiterhaufen.

Philipp Neri verehrte ihn sehr, als er von Florenz nach Rom aufbrach und ein sehr eigenbrötlerisches Leben führte. Messe mit Laienkommunion und Beichthören, gemeinsames Bibellesen und Umzüge durch die Stadt sprachen Jugendliche, Handwerker, aber auch Kardinäle und Reiche an. Da wurden zuweilen Eingebildete verspottet, aber auch Verzagte durch Späße aufgerichtet. Ich würde seine ungewöhnlichen Methoden als Individualseelsorge bezeichnen.

Samstag, 28. April 2012

Zur Firmung

Jedes Jahr im Herbst tauchen größere oder kleinere Scharen Jugendlicher in der Pfarrkanzlei auf und fragt nach der Firmvorbereitung. Und dann wird organisiert: Mitarbeiter_innen, Termine, Gottesdienste zur Vorstellung und Entsendung. Eine Schülerin sagte mir: Ich mache das alles mit, was verlangt wird – ob ich aber wirklich glaube, das entscheide ich erst später. Wozu dann der ganze Aufwand? Welches Fundament stellt eigentlich das Firmsakrament für die erwachsenen Gläubigen dar?

Ich plädiere dafür, wieder ernster zu nehmen, dass Firmung ein Initiationssakrament ist. Da geht es um den Übergang von einer Welt der Kindheit in eine andere Welt des Erwachsenseins. Alle Völker und Religionen kennen Initiationsrituale. Jugendliche sondern sich ab von ihren Familien, machen Erfahrungen, erproben ihre Fähigkeiten, finden Halt in einer neuen Gemeinschaft. Der Übergang erfordert Wagnis und Mut, es geht auch um die Begegnung mit dem Tod und mit der Natur.
Während die meisten Konzepte auf Lernen und Wissen setzen, manche auch auf Eingliederung in die Mühlen des Pfarrbetriebs, würde ich auf Erfahrung setzen, die Begegnung mit anderen Jugendlichen, mit der Natur, mit den eigenen Fähigkeiten und mit Gott. Mindestens eine Übernachtung fern von zu Hause sollte dabei sein. Gemeinschaftsspiele, Ausflüge, Gespräche. Lustvolle Kontakte mit Gottesdiensten. Viele Jahre hindurch übernachteten wir ein paar Tage vor der Firmung in der Kirche zu Maria Saal, neben dem Grab des heiligen Modestus, bei Kerzenlicht. Und wenn eine Gemeinde will, dass die jungen Menschen nach der Firmung einen Platz in der Gemeinde finden, dann braucht es Firmbegleiter über mehrere Jahre und eine regelmäßige Feier der Firmung in der Gemeinde.

Samstag, 21. April 2012

Neuerliches Tribunal mit dem Lieblingsfeind

"Wasser predigen, Wein trinken - Schein und Sein in der katholischen Kirche":

Die Turbulenzen in Österreichs Katholischer Kirche haben einen neuen Höhepunkt erreicht. Rund um den Fall des homosexuellen Pfarrgemeinderates in Stützenhofen zeigt die Institution ein erschütterndes Bild. Immer deutlicher bröckelt die Fassade, immer lauter werden die Stimmen, die Reformen verlangen und den Zölibat sowie den Umgang mit Homosexuellen für überholt halten.

Steht die katholische Kirche in Österreich vor der Spaltung? Und wo stehen die Katholiken in dieser Auseinandersetzung? Darüber diskutieren "im ZENTRUM" bei Ingrid Thurnher:

Wilhelm Vieböck - Bischofsvikar Linz,

Hans Bensdorp - Pfarrer-Initiative,

Alfons Haider - Schauspieler und Entertainer,

Uta Ranke-Heinemann - Theologin und Autorin,

Rudolf Gehring - Christliche Partei Österreichs

http://tvthek.orf.at/programs/1279-Im-Zentrum/episodes/3893985-im-ZENTRUM


Der ORF hat wieder einmal ein Opfer gefunden - eigentlich seit Jahr und Tag dasselbe, die katholische Kirche. Die Turbulenzen mit neuem Höhepunkt? Sagen wir: Ein neuer Höhepunkt der Anti-Kirchenpropaganda des sozialistischen Staatsfernsehens!
Dabei möchte ich keineswegs als Parteigänger von Pfarrer Gerard Jozef Swierzek auftreten. Warum hat er den umstrittenen Mann überhaupt als Kandidat akzeptiert? Was hat der Kardinal mit ihm besprochen? Interessant, wie man eine Diskussion oder eine Kampagne starten kann, ohne mit den Betroffenen zu reden - und ohne sie selbst reden zu lassen. Eigentlich ist es eher ein willkommener Anlass, endlich seine Urteile vor Publikum zu verkünden, ohne sich vor Informierten rechtfertigen zu müssen.

Zur Teilnehmerliste:
Der einzige, der des Pfarrers Position vertreten könnte, ist der Bischofsvikar - nur: er ist als Linzer nicht kompetent und nicht involviert.
Rudolf Gehring steht für die Kopfschüttelnummer der naiv Konservativen.
Hans Bensdorp für die Schüller-Partei, die sich wie der ORF an den Fehlern der anderen profilieren möchte.
Alfons Haider als nicht-mehr-katholischer Paradeschwuler.
Und Uta Ranke-Heinemann, die Predigerin des Zweifels, die sich in dieser Runde wie im Kreis der Schüler fühlen müsste.

Ich habe diese Sendung in den letzten Tagen mit Oberstufenschülern durchbesprochen. Sie fanden Parallelen zur NS-Propaganda. Immer deutlicher bröckelt die Fassade, immer lauter werden die Stimmen, die eine ausgewogene Berichterstattung fordern!

Mittwoch, 11. April 2012

Elementarpädagogik

Bereits meine Generation ist mit dem Fernseher aufgewachsen, nun ist es der Computer. Das Essen kommt samt Plastikverpackung aus der Mikrowelle, die Eltern-Ratschläge aus dem iPhone. Die Woche ist stundenweise durchgeplant, Mamataxi zwischen jedem Termin. Die Firmkandidaten sind an ihren Grenzen bei einem einstündigen Spaziergang, Seewasser mit Fischen kommt ihnen schmutzig vor, lieber baden sie in Chlorbecken.
Unbestreitbar ist das Leben synthetisch geworden, und daran sind nicht die Jugendlichen schuld. Die leibliche Begegnung zwischen Menschen hat sich weiter reduziert, Kinder erleben die ganze Familie oft nur einmal in der Woche, wenn überhaupt. Kirche kennt man eher aus den Medien als durch eigene Begegnung, Glaubensinhalte vom Hörensagen.

Dagegen setze ich eine Pädagogik von Leib und Sinnlichkeit. Die Natur begegnet uns als Luft und Wasser, Erde und Feuer. Wir haben eine Messe gefeiert in einer Höhle, mit Fackellicht, am Boden sitzend. Die Firmstunde findet im Garten statt. Beim letzten Zeltlager waren zwei Kinder mit, die nicht schwimmen konnten. In dieser Woche haben sie es im Fluss gelernt. Die größte Attraktion ist immer das Lagerfeuer – auch bei Erwachsenen.

Schwierig ist dabei, sich in Unbekanntes hinauszuwagen – für Jugendliche und ihre Eltern. Und die Natur lässt sich nicht leicht in Stundenpläne für Firmstunden sperren. Da braucht es flexible Planungen und erfahrene Erwachsene. Im Zentrum soll aber die Erfahrung stehen, denn die Natur ist ein Weg des Menschen zu sich selbst. Als Geschöpf.

Donnerstag, 5. April 2012

Fülle und Mangel

Was wird nicht alles gejammert in unseren Reihen. Was früher nicht alles besser war, als Kirchen und Beichtstühle noch voll waren. Ein einziger Niedergang der Kirche seit Jahrzehnten. Aber warum hat man denn dann unsere heutige Zeit nicht besser vorbereitet? Keine Reserven angelegt und nicht vorausgedacht? Anstatt zu klagen und anderen die Schuld zu geben, empfehle ich, unsere jetzige Situation besser zu beobachten. Überseht nicht die Fülle an Gaben, die uns heute geschenkt sind, und arbeitet daran, sie fruchtbar zu machen für eine kommende Zeit!
Ich kenne Stadtgemeinden mit 70 oder 100 Firmkandidaten und Erstkommunikanten jedes Jahr. Sie werden so schnell wie möglich durchs System geschleust. Ich kenne Kirchenchöre, die weisen junge Interessierte ab und wollen im trauten Freundeskreis bleiben. Ich kenne Gottesdienstbesucher, die starren junge Mütter an, die den Kinderwagen hereinschieben. Ich kenne Mitfeiernde, die lassen den Pfarrer alleine singen und öffnen das Liederbuch nicht einmal. Immer noch haben wir flächendeckend Religionsunterricht, der vom Staat bezahlt und von über 95% der Schüler_innen besucht wird, und genügend Religionslehrer_innen. Trotzdem bestehen höhere Schulen und Pfarren wie zwei getrennte Welten nebeneinander, und ich kenne keinen theologischen Austausch, an dem beide teilnehmen. Und wie ist es mit der Berufungspastoral? Welcher Seelsorger bemüht sich um Kontakt mit Jugendlichen und begleitet sie über die Jahre des Erwachsenwerdens, um ihnen einerseits die Fülle eines pastoralen Berufs zu zeigen und andererseits ihre eigene Berufung entdecken zu helfen? Wir vergraben die Talente, statt sie einzusetzen.

Mittwoch, 28. März 2012

Die Öffentlichkeit

Viele Politiker beneiden uns Pfarrer darum, jeden Sonntag zu einer versammelten Gemeinde sprechen zu können. Die leibhaftige Begegnung ist im Ursinn Öffentlichkeit, ganz anders als das, was Massenmedien erzeugen, die einzeln daheim konsumiert werden. Es ist vielleicht die einzige Versammlung von Menschen, ohne dass Konsum im Mittelpunkt steht (abgesehen von der Schule). Das ist eigentlich ein großer Schatz einer Gesellschaft. Von der Gemeindeöffentlichkeit darf erwartet werden, dass sie isolierte Menschen zusammenführt, dass Generationen einander begegnen, ja dass man dort kommunizieren lernen kann. Sie hat dafür eigene Medien wie Schaukasten, Pfarrbrief und die diözesane Internetseite, die nicht nur Messtermine verbreiten müssen.
Die Sonntagsgemeinde ist zudem eine geistvolle Öffentlichkeit. In ständigem Anspruch von Gottes Wort wenden sich Alltagserfahrungen und werden Leiderfahrungen aufgehoben. Eine Gemeindeleitung beobachtet Entwicklungsschritte der Gemeinde und fördert den Zusammenhalt und die Auseinandersetzung.
Aber die kirchliche Öffentlichkeit genügt sich nicht selbst. Sie knüpft Kontakte zu Künstlern und sozialen Einrichtungen, zu Medienleuten und Politikern. Sie mischt sich ins Dorfleben oder ins Stadtleben und spielt darin eine Rolle. Mit Aktionismus wie Straßentheater oder dem Kritischen Oktober, mit Mahnwachen oder Versammlungen betreibt sie selbst Meinungsbildung. Und das wird mit Blick auf Jesus kein bloßes Nachsagen von ohnehin Bekanntem sein, sondern wird neue Wege öffnen und Gegner nicht scheuen.

Dienstag, 27. März 2012

Die Predigt

Viele Menschen sagen, beim Gottesdienst eine gute Predigt zu erwarten. Sie wollen angesprochen werden und etwas zum Nachdenken bekommen. Eine schwache Predigt ist oft ein Grund, wegzubleiben oder eine andere Kirche zu suchen. Ich möchte aus eigener Erfahrung zwei Typen von Predigten vorstellen:
1. Die Wiederholung. Da geht es darum, vor gefestigten Gläubigen die Botschaft des Evangeliums zu vertiefen und die Gemeinde zu bestärken auf ihrem Weg. Eine Methode ist dabei die Paraphrase: Teile des Evangeliums nachsagen, etwas variieren, verkosten, fühlen lassen. Einmal habe ich zu Christi Himmelfahrt anstatt der Predigt das Evangelium (das jedes Jahr gleich ist und daher gut bekannt) von hinten nach vorn gelesen. Also zuerst der letzte Absatz, dann die letzten beiden, usw., bis es die Gemeinde auswendig kannte.
2. Die Rückfrage. Wenn von der Tempelreinigung erzählt wird, frage ich, ob das nicht ungerecht war von Jesus? Wenn wir hören, wie der Gelähmte auf der Bahre durchs Dach gelassen wird, fragen wir nach der Dachbeschädigung und nach der Aufdringlichkeit. Wenn wir vom wiedergefundenen Sohn hören, könnte die Sache einmal aus der Sicht des anderen Bruders erzählt werden. Man sieht, dass hier das Evangelium problematisiert wird. Mit den Augen von Kindern, Fernstehenden, modern und liberal denkenden Menschen wundern wir uns über manches, was da steht, und suchen nach glaubwürdigen Lösungen. Dieser Predigttyp sucht Erkenntnis und will verstehen durch Fragen, am besten im Predigtgespräch.

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