Sonntag, 14. Oktober 2012

Entgegnung zur Pfarrerinitiative

Schon der Name.
Der Name ist verräterisch.
Pfarrerinitiative, nicht Priesterinitiative.

Die Proponenten verstehen sich nicht von der Priesterweihe her, wo sie ihrem Bischof Gehorsam versprochen haben, also von ihrem religiösen Amt her: Hiereus – sondern von der öffentlichen Position des Pfarrers aus, der wie ein pragmatisierter Beamter eine öffentliche Ordnungsfunktion beansprucht. Was sie fordern, fordern sie nicht fürs Heiligtum und den Dienst dort, sondern für ihre bürgerliche Position.
Zwar fordern sie etwas für die Priesterweihe – aber es ist ihnen nicht um die Heiligkeit der Priester zu tun, nicht um die Verbesserung ihres Dienstes am Heiligtum, nicht um die Heilung der Menschen, sondern um ihre Zahl. Es geht ihnen um die Quantität. Obwohl von der Eucharistie geredet wird, steht weder die Heiligung der Priester noch die Heiligung der Gemeinde im Fokus, sondern ihre Quantität und Verfügbarkeit.
Der erste Schritt der Analyse der Agitation der Pfarrerinitiative lenkt somit den Blick auf das Priesterbild. Er wird klar von seiner bürgerlichen Funktion her gesehen, nicht von der Inanspruchnahme vom Opfer Christi, das Hingabe bedeutet, Hingabe als Selbstüberantwortung an das nehmende und gebende Geschehen Gottes, als Sich-zur-Verfügung-Stellen an die den Tod ins Leben umwandelnde Kraft des eucharistischen Opfers Christi, für und mit der Gemeinde. Das von der Wurzel Hiereus erstehende Priesterbild betont das Unabsehbare des Wandlungsereignisses. Das vom Presbyter aufgebaute Priesterbild betont dagegen die öffentliche Position des Amtsdieners, sein Ansehen und seine Geltung, die administrativen Aufgaben des Pfarramts, die Sonntagspflicht wie die vorgesehene und korrekte Persolvierung der Sakramente.

Mein zweiter Einwand gegen die Agitation der Pfarrerinitiative bemängelt, dass sie ihre Forderungen an die Kirchenleitung richtet. Das Verständnis des Priesteramts soll von den Zulassungskriterien neu definiert werden. Die Unauflöslichkeit der Ehe sei umzuschreiben. Sakramentenlehre und Kirchenrecht sollen neu aufgesetzt werden. Papst und Bischöfe hätten sich ihren Forderungen zu fügen. Sie selbst aber, die Fordernden, blieben unverändert und würden ihr Ansehen und ihren Einfluss steigern.
Diese Agitation ist pharisäisch und selbstgerecht. Sie fordert von anderen, was sie selbst verweigert. Sie beschwört die Krise zum eigenen Vorteil. Jeder kirchliche Misserfolg, jeder Engpass, jede Sanierungsmaßnahme wird von ihnen genussvoll mit Hohn überschüttet. Sie suggerieren, mit ihren Forderungen an die Kirchenleitung eine Alternative zu haben. Auf diese Weise haben sie sich mit dem Scheitern verbündet.

Ich fordere hingegen von den Vertretern der Pfarrerinitiative, selbst durch seelsorgliche Maßnahmen für die Weckung von Priesterberufungen zu sorgen. Ich fordere von ihnen Begleitung von Ehepaaren und qualifizierten Beistand in Krisen, sowie die Schaffung von Betreuungseinrichtungen für Paare und Familien. Ich fordere von ihnen Gebetserziehung ihrer Gemeinden, auch wenn das auf Kosten ihres Macher-Images geht. Schließlich fordere ich von ihnen Gehorsam gegenüber Christus, der sich bis zum Kreuz liebevoll in den Dienst für Menschen und für Gott gestellt hat, anstatt Petitionen an den Hohen Rat in Jerusalem zu richten, und zugleich fordere ich ihre Absage an Eitelkeit und Geltungssucht. Wie sagte Mutter Teresa zu dem kritischen Journalisten, der sie fragte, was sich in der Kirche ändern solle? Sie und ich.

Mein dritter Einwand richtet sich gegen den Versuch, Verfügung über den Heiligen Geist zu erlangen. Die Vocatio ist ein intimes Ereignis zwischen dem Gerufenen und dem Rufer. Das vertrauensvolle Ertasten und Erschließen des von Gott gewirkten Lebenssinns braucht Geduld, Hingabe und Offenheit. Dafür zu sorgen wäre eine wichtige Aufgabe für die Gemeindeseelsorge, die mit Kindern und Jugendlichen, Männern und Frauen Charismen aufspürt und ihnen zur Entfaltung verhilft. Stattdessen läuft die Agitation der Pfarrerinitiative darauf hinaus, diese Aufgabe abzukürzen und durch die situationsangepasste eigenmächtige Umformulierung über die Berufungen Verfügung zu erlangen. So macht sie aus der Eucharistie einen Konsumartikel, auf den der Gläubige einen Anspruch geltend machen könnte. Einschränkungen dieses Anspruchs sollen beseitigt werden, sowohl auf Seiten des Konsumenten wie auch auf Seiten des Amtsträgers, der zum Produzenten oder Lieferanten wird, um die sakramentale Gegenwart des Herrn jederzeit und überall abholbar zu machen, unabhängig von Stand und Lebensform. Wenn bürgerliche Kreise Demokratisierung und Kommerzialisierung der Gegenwart Gottes auf diese Art vorantreiben, dann können sie auf Popularität rechnen, denn genau so funktioniert ja auch unsere industrielle Massengesellschaft.

Mir scheint aber, dass hier die Dimensionen verwechselt werden und eine geistige Unordnung vorliegt. Ich sehe das im Zusammenhang der geistesgeschichtlichen Entwicklung Europas in der Neuzeit. Da hat das kirchliche Lehramt zwar besorgt die Veränderungen im Weltbild der Naturwissenschaften beobachtet, aber die Verbürgerlichung hat unter der Hand die Wesensvollzüge der Kirche verändert. Die bislang umfassendste Verwirklichung der Bürgerkirche war die sogenannte Volkskirche der Nachkriegszeit, wo beinahe die ganze Population durch Rituale in eine quasireligiöse Form gezwängt wurde. Diese verlorene bürgerliche Geschlossenheit möchte die Pfarrerinitiative nun mittels ihres Forderungskatalogs unter konsumistischen Vorzeichen wieder herstellen. Ich halte ihre Anliegen für reaktionär und rückwärtsgewandt und obendrein für bequem und theologisch einfältig. Vielleicht sind sie aber auch nur ein Rechtfertigungsversuch für pastorale Erfolglosigkeit oder ein Versuch zur Wiedererlangung von Macht und gesellschaftlicher Bedeutung ehemals bedeutender Amtsträger.
Anstatt ein leer und oberflächlich gewordenes Gemeindeleben durch solche Notmaßnahmen künstlich zu verlängern, investiere ich lieber Geist und Phantasie in die Verlebendigung des Glaubenslebens, und ich sehe dafür mehr als genug Möglichkeiten, gerade in unserer spannenden Zeit!

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