Donnerstag, 10. November 2011

Die Kirche im Visier --- Replik auf Peter Strassers Beitrag „Im Reich der höheren Dummheit“

Wohltuend ist bereits, dass Peter Strasser in seiner Kritik an einer Geisteshaltung, die er mit Robert Musil „höhere Dummheit“ nennt, keine Feindbilder braucht. (http://diepresse.com/home/spectrum/zeichenderzeit/706148/Im-Reich-der-hoeheren-Dummheit?_vl_backlink=/home/spectrum/zeichenderzeit/index.do) Weder verdammt er die europäische Aufklärung, noch das österreichische Bildungssystem, noch bestimmte gesellschaftliche Gruppen. Hochanzurechnen ist ihm, dass er ohne Polarisierungen geistige Phänomene in der gegenwärtigen Gesellschaft klar benennt und beschreibt. Als Betroffener der pauschalen Verdächtigung angestammter Institutionen wie der Kirche, „engstirnig und repressiv zu sein“, suche ich nach Subjekten, danach, wer diese Haltung der Vereinfachung und Banalisierung unterstützt und an ihr Interesse hat. Strasser nennt zuerst die Massenmedien, sodann den Lebenskunst-, Spiritualitäts-, und Esoterikmarkt, und schließlich das parawissenschaftliche Denken. Dass die Anprangerung der Kirche besonders ein Resultat der Meinungsproduktion von Massenmedien ist, hat sich dieser Tage wieder einmal klar gezeigt.
Vor wenigen Wochen bekam ich einen Anruf einer Dame, die mir Fragen zur Kirche stellen wollte. Ich habe diese Dame wohl sehr irritiert und gereizt, denn die Fragen des Zulehner´schen Pastoralinstituts waren allesamt tendenziell. Was soll man antworten, wenn nach der Notwendigkeit von Reformen gefragt wird? Ob man Probleme sähe beim Priesternachwuchs? Aber dass solche Erscheinungen durch die Änderung der Zulassungsbedingungen zum Priesteramt gelöst würden, wie die gesamte Befragung unterstellt, ist genauso triftig, wie wenn der österreichische Akademikermangel durch Vereinfachung der Matura und Verkürzung der Studien gelöst würde – was bekanntlich ja geschieht. Keine der Fragen beschäftigte sich mit dem Glaubensmangel und seinen Ursachen, es ging nur darum, Unzufriedenheiten abzutasten und in (altbekannte) Forderungen umzulenken. Warum diese Zulehner´sche Befragungsindustrie unwissenschaftlich ist, liegt daran, dass sich ja vornehmlich solche Priester daran beteiligen, die ihren ideologischen Hintergrund teilen. Viele meiner Priesterkollegen haben ihre Beteiligung verweigert.
Der ORF gab den Auftrag zu dieser Befragung, und auch das Geld. So produziert der ORF Schlagzeilen und platziert diese direkt zur herbstlichen Bischofskonferenz, um sie unter Druck zu setzen. So gut wie alle Printmedien sind ihm gefolgt. Ein Mechanismus der Produktion höherer Dummheit, den Strasser nicht anführt, ist die Anprangerung. So wie die Kirchenleitung seit Jahrzehnten, so werden die österreichischen Rechtspopulisten seit den Achzigerjahren angeprangert, trotzdem werden sie bei jeder Wahl stärker. Der seit vielen Jahren angezählte Berlusconi erweitert bisher stetig Macht und Einfluss, und seit einem Jahr stehen ganze Staaten am Pranger der öffentlichen Aufmerksamkeit. Als ein halbes Jahr lang (sehr bedauerliche!) Missbrauchsfälle in kirchlichen Einrichtungen ans Licht gezerrt wurden, hörte man wöchentlich genüsslich verlesene Austrittszahlen. Die Empörung wird gelenkt. Nun sind in drei Wochen mehr Missbrauchsfälle in öffentlichen Heimen der Stadt Wien bekannt geworden, als damals im ganzen Land. Aber die Empörung hat sich nun einmal gegen die Kirche gewendet, nicht gegen die Wiener Sozialisten. Empörung ist säkular, der Feind Kirche ein Erbstück aus dem 17. Jahrhundert.
Die kritische Attitüde, die zwar einen Facebook-App einer katholischen Pfarre als Innovation feiert, aber wirkliche Erneuerungen wie demokratisches Mitwirken und Mitbestimmen von Frauen und Männern in der Kirche ignoriert, die weitsichtige kirchliche Bildungsarbeit oder engagiertes kirchliches Engagement für Ausgegrenzte nicht der Rede wert findet, folgt nur ausgetretenen Pfaden von Vorurteilen. Eine Beseitigung der höheren Dummheit bedürfte einer kritischen Reflexion der Methoden der Massenmedien!

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