Tendenziöse Beispiele

Wer immer noch meint, die Medien wären als vierte Gewalt im Staat an Wahrheit und Aufklärung interessiert, der möge zwei jüngere Beispiele studieren:

http://oe1.orf.at/artikel/251891

Im heutigen Mittagsjournal befragt Dorothee Frank den im Journal als Gast geladenen Klaus Maria Brandauer, anlässlich seiner Rolle in Ödipus auf Kolonos bei den Salzburger Festspielen. Ödipus der Asylwerber und die heutige Asylpolitik. Und dann kann es Frank nicht lassen, den, von dem sie weiß, dass er praktizierender Katholik ist, nach der "Kirchenkrise" zu befragen. Nach dem "Missbrauchskandal". Nach dem, was in der Öffentlichkeit geredet wird. Nach Kirchenleitung und Zölibat. - Und nachdem Brandauer nichts herausrückt, kommt sie darob ins Schwimmen - und fängt zu bohren und zu stochern an. Er spricht von seiner eigenen Sünde, sie spricht vom Skandal. Ihm ist das Thema zu langweilig, sie beharrt. Glaube ist das eine, Kirche das andere, sagt sie. Kirche sind Menschen, sagt er. Die Frage ist nur, ob die Kirche zu schrumpfen droht, sagt sie. Ich glaube, dass die Kirche eine große Chance hat, sagt er. Sie fragen mich nur, weil ich der KMB bin, aber ich habe keine Ahnung. Ich möchte mich aus diesen kleinkarierten Dingen heraushalten, sagt er.

Hören sie auf ihre Stimme. Sie erwartet und entwirft eine Gesprächssituation, wo mit Stichwörtern sogenannte Informationen abgerufen werden sollen, Meinungen, Brocken. Das soll so gehen wie ein Computermenü: Du klickst diesen Button an, und dieses Fenster geht auf. Die bunte Galerie nach vorgefertigter Ästhetik wird Interview genannt, oder Informationssendung, oder Berichterstattung. Und gerade an der Anstrengung der Stimme ist zu hören, wie das funktionieren soll, was sich jetzt sträubt: Von Stichwort zu Stichwort surft die Meinung der Moderatorin/des Hörers von Wellenberg zu Wellental. Die gedehnten Vokale: der Missbrauchskandaaaal, Kirche als Institutiooooon, der Zölibaaaat. Und leider: Brandauer apportiert die Hölzerl nicht, er springt nicht jappend hinterher, von der Journalistin übers Feld gehetzt. Sondern er entgegnet: kleinkarierte Dinge. Wir Sünder. Und horchen Sie, wie der Burgschauspieler da niedergeredet wird. Er, der Meister von Stimme und Wort, von ihr, der Meisterin von Gefälligkeit und schneller Wirkung. Ein Lehrbeispiel, wahrlich.

Das zweite Beispiel stammt von Michael Prüller, Presse-Chefredaktion, Meinung vom 24.7.2010:
Missbrauch revisited

http://diepresse.com/home/meinung/kommentare/leitartikel/583234/index.do

Da liest man: "Jeder weiß, dass sexueller Missbrauch keine kirchliche Spezialsünde ist – aber außerkirchliche Fälle, Vertuschungen und Verantwortlichkeiten werden kaum diskutiert. Ein bisschen Odenwaldschule da, ein bisschen „Profil“-Artikel zu staatlichen Kinderheimen hier, damit hat es sich. Als ob es peinlich wäre, Missbrauch anzusprechen, wenn er nicht hinter Klostermauern passiert. Und die ganze riesige Missbrauchskiste des öffentlichen und privaten Bereichs bleibt unaufgearbeitet."

Man liest vom Medienversagen, das eine Kirchenkrise herbeischreibt und herbeiwünscht. Von den medialen Austrittsbeschleunigern und der wirklichen Relation. Von der Massentreue zur Kirche. Vom Nichtübertritt zu den zölibatsfreien und frauenmitbestimmten Kirchen. Und von wirklichen kirchlichen Sorgen, nämlich der Fremdheit im Glauben, der Ahnungslosigkeit über Glaubensinhalte.
Zum Schluss landet Prüller allerdings wieder bei einem der Stichworte, das eine Entkrampfung der Situation bringen soll: "Ein Anfang wäre etwa, auf das Kirchensteuersystem zu verzichten. Ich weiß, das sagt sich so leicht – aber sonst hört der Krampf ja nie auf." - Vielleicht muss man soetwas sagen als Medienmacher. Bei diesen Kollegen, bei diesen Lesern, bei diesen Inserenten. Bei dieser Konkurrenz. Aber zum Artikel passt dieser Schluss gar nicht. Er ist überflüssig. Es ist genug, die halbjährliche Debatte zusammenzufassen und das Bild zurechtzurücken.
Michael Prüller hat mir schon im Mai in einem Brief geantwortet auf meine Beschwerde über die tendenziöse Berichterstattung. Ungefähr in demselben Ton. Von der Medienseite mag man es damit als überstanden erklären. Mag es damit sein Bewenden gefunden haben. Ist man wohl in dem Augenblick des landesweiten Überdrusses gewahr geworden, als wenige Stunden nach der Ernennung von Ägidius Zsifkovics bereits Cerberus Zulehner aus Wien polterte über die undemokratische Kirche, während Zsifkovics sich bereits an seine Gläubigen wandte und eine Chance erbat. Da hatten wir wahrlich genug.

Es gab noch den Versuch einer Neuauflage mithilfe der Wiener Schulbrüder. Die Geschichte, die bereits vor Jahren von der Staatsanwaltschaft zurückgelegt wurde, weil die Vorwürfe einer Mutter eines inzwischen erwachsenen ehemaligen Schülers nicht zu belegen waren, sollte nochmals aufgewärmt werden. Am ersten Tag wurde noch berichtet, dass der Vorwurf die Wiederholung eines bereits abgewiesenen Vorwurfes war. In den darauffolgenden Tagen wurde die Ordensleitung schlecht gemacht. Und schließlich löste sich das Thema auf wie eine Seifenblase. An Überspannung zugrunde gegangen.

Was mich nun wirklich interessiert, sind die Hintergründe einer solchen Berichterstattung. Und die kirchliche Reaktion darauf.

Aktuelle Beiträge

Normalität
Oh das ist schön, wenn die sonntägliche Eucharistiefeier...
weichensteller - 24. Aug, 07:57
Sonntag Die Kirchenglocken...
Sonntag Die Kirchenglocken läuten, die Messe beginnt. Raunen...
Nachdenkliche - 22. Aug, 20:28
Was bleibt
Im Suq der Medina von Kairouan. Ein sehr stimmungsvoller...
weichensteller - 20. Aug, 07:25
Hallo Schlagloch!
Ich glaube, der Sandhaufen ist immer noch da. Nicht...
weichensteller - 16. Aug, 11:56
Hallo Weichensteller!...
habe ich genauso in Erinnerung wie auf deinen Fotos....
SCHLAGLOCH - 15. Aug, 15:16

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Suche

 

Status

Online seit 6040 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 24. Aug, 07:57

Credits


berufungspastoral
bizerte
dougga
experimente und entwicklungen
forschungen
Fragen und Diskussion
fremdtexte
grundgedanken
kairouan
karthago
Kritik am Bürgertum
medien
öffentlichkeit
sonntagstexte
sousse
Stadtsoziologie
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren