öffentlichkeit: ein kirchliches thema?

Wer hat gesagt, dass Christsein Privatsache ist? Jesus war eine öffentliche Person, die Propheten haben zum Volk gesprochen, und Paulus war in vielen Städten bekannt. Die beiden Grundvollzüge biblischer Öffentlichkeit sind Predigt und Brief – also jemand, der spricht/schreibt, und eine Gemeinde, die sich versammelt und hört/(vor)liest. So entsteht die Bibel, so entsteht Israel/die Kirche, so entsteht der Glaube an einen Gott. Das Medium, in dem sich all das ereignet, ist das Wort: Rede/Gegenrede, Frage/Antwort, Argument, Bekenntnis, Aufforderung, Mahnung, Kritik. Wahrscheinlich gibt es keinen sprachlosen Glauben. Niemals gibt es einen Glauben ohne öffentliches Bekenntnis. Glaube und Religion ohne Mitteilung sind überhaupt nicht vorstellbar.
Eine Öffentlichkeit, in der das Wort, näherhin das Argument im Mittelpunkt steht, nenne ich diskursive Öffentlichkeit. Sie zu bilden scheint mir die Aufgabe der pastoralen Arbeit in der Gemeinde. Gläubige Eltern müssen argumentieren, wenn ihre Kinder kritische Fragen stellen. Lehrer ringen angesichts ihrer Schüler um Worte, und Überredung wäre zu schwach, um Werte zu vermitteln, wenn sie nicht zur Einsicht kämen. In der Pfarrgemeinde kann es nicht genügen, Gebete, Gottesdienste oder Hilfsdienste zu absolvieren, wenn nicht nachgefragt würde, wozu. Bei vielen pastoralen Gesprächen mit Erwachsenen stellt sich heraus, dass sie seit Schülerzeiten nicht mehr über ihren Glauben reflektiert haben und daher einen Kinderglauben mitgeschleift haben, den sie nicht mehr glauben. Wie kommen wir nun zu dieser Reflexion? Das ist meine Schlüsselfrage.
Zuerst braucht es die Begegnung. Wir müssen zum Gespräch kommen, meist beim Taufgespräch, manchmal bei der Ehevorbereitung, vielleicht bei der Eucharistiekatechese oder Firmkatechese. Das Gespräch kann nicht allein dozierend sein – das würde keine Fragen wecken. Aber es genügt auch nicht, irgendeine Art von Religiosität festzustellen und erleichtert den Taufschein auszufüllen. Das Vordergründige wird vor dem eigentlichen Glaubensbezug zu Jesus Christus, dem menschgewordenen Gott, sichtbar – eine Spannung tut sich auf zwischen dem, was man sich zurechtgelegt hat, und dem, was Gott dem Menschen eigentlich zumutet. Diese Spannung wird manche überfordern, aber andere können neugierig werden und zu suchen beginnen.
Und dann muß ich etwas anzubieten haben. Themenabende werden wir heuer versuchen, ein Glaubensthema an einem Abend, von Musik umrahmt, mit einem Impulsreferat, mit Diskussionen. Gottesdienste, die grundsätzliche Fragen aufwerfen und Stellung nehmen, und bei denen auch Fremde willkommen sind. Gruppen, in denen Glaubensreflexion auf einem gewissen Niveau stattfindet. Und Einzelgespäche zwischen pastoral Tätigen und Fragenden und Suchenden. Das alles bereitzustellen scheint mir die wichtigste praktische Anforderung an die pastorale Arbeit.

Denken Sie, dass es die alten Propheten leichter hatten, gehört zu werden?

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