Freitag, 5. August 2016

Bizerte

Erste Eindruecke von dieser Stadt am Meer:

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Karthago

Zum jahrhundertelangen Drama zwischen der punischen Handelsstadt und der ehrgeizigen Weltstadt empfehle ich folgende spannende Lektuere:
CETERVM CENSEO
von Bertel O. Steen
Man erfaehrt zugleich von der Gegenwart tunesischer Politik wie von der Geschichte Karthagos, durch deren Gassen man sich wandern fuehlt/

Zu den Bildern:
der Tophet, Hinrichtungsstaette fuer Baal-Ammon

Der-Tophet

der punische Kriegshafen

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roemisches Mosaik

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Kirche des Maertyrerbischofs Cyprian

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Basilika von Damous und Karita - von Augustinus aufgesucht

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Kathedrale der Weissen Vaeter zu St. Louis

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der Augustinus-Altar

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Sabihas Lied

Vielleicht ist dies die lange gesuchte Liebesgeschichte/
Die nicht bereits endet, sobald das Paar auf verwickelten Wegen schliesslich zusammengefunden hat/ Oder die Im Rueckblick von der Trennung aus eine schmerzhaft schoene Geschichte erzaehlt/
Als waere Liebe nicht erzaehlbar/
Nur ihre Erwartung oder Erinnerung/
Als gaebe es Liebe nur in der Vorstellung, nicht in der Wirklichkeit/
Als koenne Liebe in der Sprache gar nicht praesent sein/
Oder als gaebe es keine Sprache fuer tatsaechliche Liebe, sondern nur fuer die Vorstellung/
Oder keine Dichter fuer diese Sprache; Minnesaenger nur fuer die Sehnsucht, aber nicht fuer die Wirklichkeit/

Alex Miller ist vielleicht so ein Dichter/
Er erzaehlt diese Geschichte, und erzaehlt sein eigenes Erzaehlen gleich mit/

Sabihas Lied/
Dieses Lied/diese Lieder sind bestimmt kein Minnesang/ Sind eher Dichtung des menschlichen Mysteriums/ Verdichtetes Wissen vopm Leben/ Verborgenes Wissen, in generationsuebergreifendem Liedgut aufgehoben/

Das ist das Eine, was in dieser Geschichte mit Tunesien zu tun hat/ Denn die Schauplaetze sind ganz woanders/ Tunesien ist bloss der unsichtbare Hintergrund/ Das ist das Andere. Tunesien als Herkunftsland, ohne dass irgendeine Fluchtgeschichte noetig wird. In Tunesien lebt der Vater. Der Geliebte, der Wissende; der Freigebende. Er spielt bei der Erfuellung der Liebe eine wichtige Rolle. Der Vater tritt auf, wenn es zur Finalisierung der Liebe kommt. Sein eigenes Leben ist diese Liebesgabe.

Diese Liebesgeschichte, und das ist das Realistische daran, ist auch eine Geschichte der Zeit. Jahre vergehen, Menschen altern, Ahnungen erfuellen sich, Erinnerungen und Hoffnungen bleiben gegenwaertig. Das zu erzaehlen erfordert sprachliches Koennen - es lesbar und interessant zu erzaehlen.

Aber der entscheidende Punkt der Erzaehlung der Liebe ist das Dritte. Es gibt ein Drittes in dieser /und wahrscheinlich in jeder/ Liebesgeschichte, das von Anfang an vorhanden ist, aber erst am Hoehepunkt eindringt. Es stiftet Verwirrung; alles koennte daran zerbrechen und auseinanderfallen/ oder endlich Erfuellung finden. Das Dritte bedeutet, die Liebe erfuellt sich nicht bereits in den beiden Liebenden. Es muss noch etwas hinzukommen. Levinas hat das gesehen, und Rilke kennt es. Es hat nichts zu tun mit einem Ort oder einem Ereignis. Es ist eher soetwas wie ein inneres Geschehen der Liebe, ein Zum-Ziel-Kommen dessen, was schon vom Vater her da ist - und das zu akzentuieren dieses Buch mit dieser Erzaehlerfigur einen besonderen Weg findet. Und genau das ist daran die Dichtung - und nicht bloss Erzaehlung.

Meine beste Empfehlung an Lesende von Sidi Bou Said aus, aus einem Cafe mit blau gestreichenen Stuehlen und runden Tischchen im Licht des Vormittags, zwischen schneeweissen Mauern und Stufen, unter Olivenbaeumchen und einer sengenden Sonne und gegenueber einem Meer, das nach Europa weist und das ich bislang noch nicht beruehrt habe

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Dienstag, 2. August 2016

Tunis

Tunis wartet.
Maenner und Frauen bevoelkern die Strassen und Plaetze - man kann nicht sagen, flanieren, dazu fehlt ihnen die Leichtigkeit, sie laufen auch nicht geschaeftig, schon gar nicht hektisch.
Nein, ueberdruessig gehen sie ihre Wege ab, mit Aufwand betreiben sie ihre Stadt, tragen die Plastiksaecke vom Basar freudlos, ohne Leidenschaft. Es liegt eine Lethargie ueber der Stadt, etwas Ausstaendiges liegt in der Luft.

Tunis ist nicht geheimnisvoll wie Tanger und nicht betriebsam wie Marrakesch. Ihm fehlt das Selbstbewusstsein Kairos, die Selbstverstaendlichkeit Ammans zusammen mit der Ausrede des Ramadan, und erst recht der Uebermut Beiruts. Tunis schleppt sich durch den Tag.

Fast alle sind gekleidet wie Europaeer, einige halten ihr Handy ans Ohr, manche starren aufs Display. Frauen tragen das Haar wallend offen oder zu einem Knopf gebunden. Maenner stehen hinter Verkaufstischen am Gehsteig und lassen den Tag und die Passanten gleichmuetig vorueberziehen. Selbst in den prominenten Touristensuqs rund um die Zitouna-Moschee weisen die Haendler stumm oder mit einem freundlichen Wort auf die ausgestellte Pracht an Teppichen oder Parfuems in ihrem Laden, ohne aufdringlich mich einzigen Toursisten in Gespraeche zu verwickeln und hineinzulocken. Ja sogar die Moschee selbst wartet geduldig auf Glaeubige und Besucher, die wegen der Renovierung den ganzen Tag ausgesperrt sind bis auf das Mittagsgebet.
Mit Muehe stehen die Burschen auf und beginnen, einander den Ball zuzuwerfen, gerade als ich voruebergehe, und bestimmt stellen sie das sofort wieder ein, nachdem ich durch den engen Torbogen verschwunden bin. In Fes waere sofort ein selbsternannter Reisefuehrer aufgesprungen, um mich durch die Gassen zu lotsen, als ich bei den auf orangenen Plastikstuehlen kauernden Maennern auftauche und zuerst in die eine Gasse, und sodann in die gegenueberliegende tappe. Es ist so wie bei jenem jungen Mann am Nebentisch im Restaurant am Place de la Victoire neben dem Bab el Bhar, der ploetzlich von seinem Tisch aufspringt, ein paar Schritte macht, innehaelt und auf etwas oberhalb aller Koepfe starrt, das niemand ausser ihm sehen kann. Danach scheint er zu sich zu kommen, er blickt um sich und kehrt wieder an seinen Tisch zurueck, wo die beiden anderen den Vorfall nicht bemerkt zu haben scheinen. Es passiert nichts, ausser in einer anderen Welt.

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Sonntag, 3. Juli 2016

berufungswege

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Die Orte meiner Berufung liegen in Wien, im Waldviertel, auf Bergen, in der Wüste.
Meine Berufungsreise führt auch nach Karthago und nach Hippo.
Zur Vorbereitung, um sich auf Land und Thema einzustellen, empfehle ich:

Boualem Sansal, 2084. DAS ENDE DER WELT. Roman

"Ati war von diesen weitgereisten Abenteurern begeistert, er hörte ihnen unauffällig zu, um sie nicht zu erschrecken und auch um die Antennen der Wachen nicht zu alarmieren; doch hingerissen von seinem Drang fragte er sie begierig aus, so wie die Kinder, mit nachdrücklichem „warum“ und „wie“. Doch bekam er nie genug, plötzliche Angst und Wut stiegen in ihm auf. Irgendwo war eine Mauer, sie hinderte ihn daran, hinter das Geschwätz dieser armen, unter Aufsicht stehenden Herumirrenden zu blicken, die darauf abgerichtet waren, Chimären im Land zu verbreiten."

Wolfgang Herrndorf, SAND. Roman

«Er aß und trank, bürstete seine Kleider ab, leerte den Sand aus seinen Taschen und überprüfte noch einmal die Innentasche des Blazers. Er wusch sich unter dem Tisch die Hände mit ein wenig Trinkwasser, goss den Rest über seine geplagten Füße und schaute die Straße entlang. Sandfarbene Kinder spielten mit einem sandfarbenen Fußball zwischen sandfarbenen Hütten.

Augustinus, BEKENNTNISSE

"Ich brauche sie ja nur zu fragen, ob es denn wirklich wahr sei, was der Dichter über die Ankunft des Äneas in Karthago erzählt. Dann werden die weniger Gebildeten antworten, sie wüssten es nicht, während die Gebildeteren es sogar verneinen werden."

Der hl. Augustinus wurde am 13. November 354 in Nordafrika in Thagaste (heute Souk Ahras/Algerien) geboren. Die Mutter von Augustinus war die hl. Monika, eine tiefgläubige Frau, die jahrelang für die Bekehrung des Heiligen betete. Sein Vater Patricius war ein städtischer Beamter, der sich kurz vor seinem Tod im Jahre 371 taufen ließ. Augustinus hatte noch einen Bruder, Navigius, und eine Schwester, welcher die spätere Überlieferung den Namen Perpetua gegeben hat, deren wirklicher Name aber nicht mehr bekannt ist. Die in einigen Schriften Erwähnung findende Nichten und Neffen, lassen vermuten, dass er noch mehr Geschwister gehabt haben könnte.
Augustinus machte eine Beamtenausbildung, zuerst in Thagaste, später in Madaura und in Karthago. Augustinus studierte ab 370 auch Rhetorik in Karthago. Dabei geriet er im sittlichen Bereich auf Irrwege. Aus einem Liebesverhältnis, das bis 384 dauerte, ging der Sohn Adeodatus (Von Gott gegeben) hervor. Dieser starb allerdings bereits 390. Während dieser Zeit war Augustinus ein Anhänger des Manichäismus.
375 verlegte Augustinus seine Lehrtätigkeit von Thagaste nach Karthago. Dort blieb er bis 383. Vorübergehend war er in Rom tätig. 384 bekam Augustinus durch die Vermittlung des heidnischen Stadtpräfekten Symmachus die Stelle eines Rhetorikprofessors in Mailand. Dort begegnete er dem Heiligen Ambrosius. Augustinus wurde durch die Predigten des Mailänder Bischofs aufgerüttelt und wandte sich innerlich vom Manichäismus ab. Der Priester Simplicianus half ihm bei der Konversion. In der Osternacht 387 (24 oder 25. April) ließ sich der Heilige gemeinsam mit seinem Sohn Adeodatus und seinem Freund Alypius taufen.
Über seine Unruhe vor der Bekehrung schreibt Augustinus zwölf Jahre später in den berühmten Confessiones im Buch I: "Dann, in dem großen Aufruhr meines inneren Menschen, den ich mit meiner Seele so heftig entfacht hat in der Kammer meines Herzens, stürze ich, verstört im Gesicht und im Geist, zu Alypius und rufe ihm zu: »Wie halten wir das aus? Was bedeutet das? Hast Du es gehört?«" Sein wichtigster Satz zu seiner Bekehrung lautet: "Unruhig ist unser Herz, bis es ruht in dir."

Donnerstag, 12. Dezember 2013

Übergänge

Alle drei standen sie in der Großen Halle ganz hinten, im Rücken der vielen Unbekannten, unter denen seine Familienangehörigen, Arbeitskollegen, Bekannte oder vielleicht sogar ehemalige Patienten sein mochten, die sie alle ihre Gesichter dem Prediger zuwandten, der jahrzehntelang sein Kollege gewesen war und nun das letzte Wort behalten wollte: gesetzte Worte, mit wohlklingender Stimme über den Saal verteilt, dabei auf das Pult gestützt, den Sarg neben sich wie ein Utensil, das zur Veranschaulichung der Rede benötigt wurde.
Der Pfarrer hatte sich hinten hineingeschlichen zu einem Zeitpunkt, als er schon mit den Schlussworten der Verabschiedung rechnen musste, nach der Schule durch die halbe Stadt geradelt und schnaufend angekommen – aber der Atem sollte genug Zeit bekommen, wieder zurückzukehren, denn es schien erst die Einleitung gewesen zu sein, und als er sich zurechtgefunden hatte, meinte er im unaufhörlichen Redefluss die Schriftlesung zu erkennen, im selben Singsang und ohne Buch aus seinem Munde, als wäre es seine eigene Eingebung, wie alles andere.
Auch als er irgendwann in dieser Stunde dann den Sarg umschritten hatte mit dem Weihwasser, versiegte der Redefluss nicht, und hätte man nicht hingesehen, würde man gar keinen Unterschied wahrnehmen im Ergehen der Bedeutung. Ein anderes Mal gab es rhetorische Fragen wie: Wer war denn nun unser lieber Verstorbener eigentlich, oder: Warum hat er wohl diesen Beruf gewählt, um dann sogleich die wohlfeile Antwort mit einem „Nun“ daran zu fügen, sodass man sich in einer Art Vorlesung wähnen mochte, wo nun alles klar zusammengefügt wurde, oder in einem gediegenen Seniorenclub, denn der Sprecher, der sich von allen Seiten an das Pult lehnte, die langen Finger wie bei einer Fingerpuppe das Gesagte unterstreichen ließ und den langen Bart über das Pult hängte, repräsentierte die Ewigkeit mit einer Würde, die keinen Widerspruch duldete und tatsächlich von den Scharen wie eine Offenbarung nickend angenommen wurde in allem Ernste.
Natürlich sagte das alles, was sich in dieser Stunde über die Halle ausbreitete, weit mehr über den Sprecher aus als über den Verstorbenen, und der Pfarrer hatte für eine Sekunde die Vision, er würde unter dem Deckel seufzen und die Augen überdrehen. Wofür der Lebende nur wenig Worte gehabt hatte, nur ein Stammeln und Fragen, dafür hatte der Redner nun klare Urteile, fest verschraubt wie der Deckel, und sogar für diejenigen, die jetzt unten in der ersten Reihe stehen mussten, wusste er, was gelungen war und was nicht, und in welcher Beziehung sie zu ihm gestanden hatten, so als wäre er ihrer aller Vater und hätte sie jede Woche um den Tisch gehabt.
Man soll aber nicht meinen, dass er, ohne Ministranten und Lektoren – ja nicht einmal an irgendeine Musik konnte sich hernach noch jemand erinnern – ausschließlich alleine gesprochen hätte, denn zur Überleitung von einem geschilderten Lebensabschnitt zum nächsten, oder von einer Anekdote zu einem Weisheitsspruch über die Ewigkeit – und vieles wusste er darüber zu sagen, und die schweigende Andacht der Hörer schien dabei vom grauen Bart überzeugt worden zu sein – setzte er anstandslos jeweils ein ÜBER-GANGSRITUAL, das mit „Herr, gib ihm ... die ewige Ruhe“ begann und sogleich von der sich in diesem Moment konstituierenden Gemeinde mit „und das ewige Licht leuchte ihnen“ beantwortet wurde. Andere Trauerredner setzen das ans Ende ihrer Andacht, treten zur Seite und übergeben den Angehörigen das Schäufelchen, damit an den einmaligen Übergang vom Zeitlichen (dieses mit einem Seufzer hinter sich bringend) ins Ewige mahnend. Die Endlosigkeit dieser heutigen Zeremonie schien dagegen eher mit einer Kette von Wiedergeburten zu tun zu haben, die trotz so vieler Urteile nicht und nicht zum Abschluss kommen konnte, und vielleicht hatte sie ja deshalb so großen Zulauf

Mittwoch, 19. Dezember 2012

Weihnachtsbesinnung im Kirchenbetrieb

Ob in Zeiten der Missbrauchsskandale oder in den weniger aufgeregten der Pfarrerinitiative: Die Situation der Kirche in der Gesellschaft ist bestimmt als dramatisch zu betrachten. Schweres Fehlverhalten einiger hat uns alle an den Pranger gebracht. Zögerlicher Umgang mit Reformen ist Wasser auf die Mühlen von Besserwissern, die sich nun rechthaberisch inszenieren. Ich bin beileibe kein Anhänger der Pfarrerinitiative, und halte Schüller und seine Leute, die ich aus Wiener Tagen in Erinnerung habe, für pharisäisch und obendrein reaktionär, was ihr Kirchenbild betrifft. Den angeblich gesuchten Dialog verhindern sie gerade selbst, indem sie jegliche Auseinandersetzung auf die Ebene von Fordern – Erfüllen zwingen wollen. Ist das nicht ein pubertärer Diskurs, wie er in Familien mit Heranwachsenden stattfindet?

Umso mehr vermisse ich eine wirkliche öffentliche Entgegnung. In Kärnten gibt es sehr viel Sympathie für die Pfarrerinitiative, und vielfach wird das Schweigen der Kirchenleitung auch als geheime Zustimmung gewertet. Aber auch Ängste vor einer neuen Kirchenspaltung habe ich wahrgenommen. Wenn auch die meisten ihrer Anliegen schon vor Jahrzehnten vorgebracht wurden, und viele davon nur für sehr kleine Gruppen von Gläubigen relevant sind, so scheint es doch angebracht, etwas darauf zu erwidern, anstatt ihnen das Feld zu überlassen für populistische Agitationen. Wir haben doch einen großen Apparat der kirchlichen Meinungsbildung, haben Pastoralamt, Schulamt, Priesterrat, Diözesanrat und Dechantenkonferenz und unsere eigenen Medien. Und wir sollten genügend Erfahrung und Geschicklichkeit haben im Umgang mit divergierenden Ansichten, ohne einzelne vor den Kopf zu stoßen, zu verletzen oder zu isolieren. Andererseits soll Diversität aber keine Ausrede sein, auf klare Positionen und Auseinandersetzungen zu verzichten! – Als ich beim Kritischen Oktober dieses Thema aufgriff, war die Kirche bis auf den letzten Platz gefüllt, und man hätte eine Stecknadel fallen gehört. Pfarrer Donko sprach für die Pfarrerinitiative, ich dagegen. Die Diskussion danach zeigte, dass nicht so sehr Partei ergriffen, sondern die Auseinandersetzung selbst gesucht und gelobt wurde. Aber wo ist nun die öffentliche und hochkarätige Diskussionsreihe, die eine öffentliche Auseinandersetzung auf gleicher Augenhöhe ermöglicht?

Meine pastoralen Erfahrungen und theologischen Studien lassen mich jene kirchlichen Wutbürger mit der seligen Volkskirche in einem Licht sehen. Aus den ehemals von Pfarrherrn und Sakramenten wohlversorgten Scharen von Gläubigen, die sich bereitwillig in Strukturen fügten und daraus Identität und Sicherheit bezogen, wird nun eine Gruppe selbstbewusster Individuen, die sich nicht mit den angebotenen Gnadengaben begnügt, sondern zu fordern beginnt und Ansprüche stellt. An beidem stört mich das Konsumieren, das eine ins Bürgerliche abgleitende Kirchenauffassung hervorgebracht hat, während doch das Konzil den Gläubigen als Subjekt des Glaubens und der Gemeinde gesehen hat – und nicht als Konsument.

Meinen eigenen Auftrag sehe ich darin, an der Messianischen Kirche mitzubauen. Ich meine, deren Konturen in der heutigen Zeit dort zu sehen, wo Bekenntnis und Glaubenseinsatz gewagt und riskiert werden – etwa, wenn Jugendliche oder moderne Menschen im Gottesdienst öffentlich auftreten und Stellung nehmen zu Zumutungen des Evangeliums. Das Suchen und Fördern von Charismen der Gläubigen müsste ein Standard werden, der für Liturgie und Gemeindeleben selbstverständlich ist. Da ist mit Unruhe und Bewegung zu rechnen, mit persönlicher Entwicklung einzelner sowie der ganzen Gemeinde. Herausforderung und Weckruf überwiegen allmählich die bloße Befriedigung von Servicebedürfnissen. Glaubensentwicklung braucht mehr Experiment als Ritual, mehr Aufbruch als Wiederholung. – Solche Standards sind im Klerus natürlich keineswegs verankert. Nicht einmal innerhalb des Klerus gibt es eine Begegnung auf Augenhöhe, wenn im Dekanat Klagenfurt die Hälfte nicht einmal zu den Kleruskonferenzen kommt, sondern sich auf die eigene Pfarre stützt wie auf einen Privatbesitz. Ich habe nie verstanden, auch in Wien nicht, wie aufstrebende Wohngebiete in besten Lagen in der Hand älterer wohlverdienter Pfarrer sein können, die dort ihre Pensionierung erwarten, während junge dynamische Leute in Feistritz/Drau, Radenthein, Maria Pulst, Maria Rain, Arnoldstein oder Friesach ihre besten Jahre verbringen und anschließend die Provinz gänzlich verlassen oder gar die Branche wechseln. Es könnte auch sein, dass sie immer dörflich geblieben sind und nie auf eine urbane Pastoral vorbereitet wurden. Mein Freund und Mitbruder R. ist zum Beispiel, behütet von einer sogenannten Bewegung und polnischen Freunden, in einem urbanpastoralen Hotspot ersten Ranges gelandet, in St. Ruprecht. Völlig unvorbereitet und bar jedes migrantenpastoralen Konzepts, ist er dort den alternden VertreterInnen eines veralterten Gemeindekonzepts ausgeliefert und scheitert an ihnen wie auch an der Pfarrbevölkerung. Wir reden oft darüber – aber modernes, städtisches Leben und Denken sind ihm ganz fremd. – Übrigens hat Pfarrer Donko als Hauptgrund für seine Mitgliedschaft bei der Pfarrerinitiative das Machtgehabe im Klerus genannt, namentlich die Vorgänge bei den Postenbesetzungen, die er aus der Nähe kennt.

Den fehlenden Priesternachwuchs führe ich auf fehlende pastorale Standards im Klerus und in den Gemeinden zurück. Die Diskussionen über die Zulassungskriterien sind dabei willkommene Ausreden für pastorale Versäumnisse. Wer sich bloß an den gegenwärtig das Gemeindeleben dominierenden Gruppen orientiert und ihre Wünsche befriedigen möchte, braucht sich nicht zu wundern, wenn Jugendliche und junge Mitarbeiter fehlen. Priester, denen ihr eigenes Ansehen viel bedeutet, stützen sich gern auf andere Angesehene und bilden bürgerliche Gemeinden, die sich im Großen und Ganzen selbst genügen, und da oder dort zur Selbstrechtfertigung womöglich eine Spendenaktion veranstalten. Ich meine, dass ohne riskierte Neuansätze kein Wachstum möglich ist, weder für Individuen noch für Gemeinden. Andererseits habe ich bei pastoralen und liturgischen Experimenten immer neu aufflammendes Interesse beobachtet, besonders bei Jugendlichen und modernen Menschen. Ich kenne derzeit zwei junge Männer, die sich vorstellen können, Priester zu werden. Und ich kenne viele aufgeschlossene junge Menschen in meinen Schulklassen, die enttäuscht sind von langweiligen Gottesdiensten und nichtssagenden Predigten, die sie in ihren Gemeinden erleben. Schon vor Jahren habe ich darum gebeten, regelmäßige Jugendmessen für jedes Dekanat einzurichten, die vom Bischof oder vom Jugendseelsorger gehalten werden, in innovativer Form, mit größtmöglicher aktiver Beteiligung der Jugendlichen, mit ihnen gemäßer Musik und genügend Zeit und Raum für Austausch und Gespräch. Dabei wären Firmgruppen und Schulklassen einzubinden, und deshalb auch Gesprächsebenen aufzubauen mit FirmbegleiterInnen und LehrerInnen – was mich schon zum nächsten Anliegen führt.

Es ist mir seit vielen Jahren ganz und gar unbegreiflich, wie sich die Kärntner Kirche leisten kann, auf die Fähigkeiten und Charismen ihrer besten Theologen und Theologinnen zu verzichten, nämlich derer, die in die Schule gehen. Sie führen ein Dasein wie eine fünfte Kolonne, und fühlen sich auch so behandelt. Bei der Herbsttagung, inmitten von 80 oder 100 dieser großteils mit modernem Lebensweisen Vertrauter, die meist gut im Gespräch mit Jugendlichen sind, hatte ich wieder den Eindruck, sie würden gar nicht gebraucht in der Kirche. Wenn schon der Klerus so große Schwierigkeiten mit der Meinungsbildung und der Teilnahme an kirchlichen Entscheidungen hat (im Dekanat Klagenfurt wurde im letzten Jahr ausschließlich über diese Schwierigkeiten geklagt!), um wieviel größer sind die Schwierigkeiten, diese noch viel selbständiger und eigenständiger agierende Mitarbeiter in kirchliche Entscheidungen einzubinden! Aber darauf zu verzichten erscheint mir erst recht als schwerer und unverzeihlicher Fehler, schon gar, wo wir so häufig über die fehlende Jugend in der Kirche klagen. Wiederum komme ich zu dem Ergebnis, der versiegende Nachwuchs wäre eine natürliche Folge pastoraler und struktureller Versäumnisse. (Davon lenkt die Agitation der Pfarrerinitiative nur ab, und findet wohl gerade deshalb so viel Zustimmung besonders dort, wo die Versäumnisse am größten sind)

Hier ist der Ort, auf die Pfarrfirmung zu sprechen zu kommen. Häufig habe ich der Kirchenleitung bereits dieses Anliegen vorgebracht. Ich sehe die entwicklungspsychologischen Gründe, die für Jugendliche die Bedeutung der Gruppe der Gleichaltrigen, die gemeindepastoralen, die den Wert des gemeinsam vorbereiteten und gefeierten Sakraments in den Vordergrund stellen, sowie die gesamtkirchlichen Argumente, die den von außerhalb kommenden Firmspender als Repräsentant der Gesamtkirche sehen, als so schwerwiegend an, dass ich anderen kaum erklären kann, warum unser Bischof zögert, in Kärnten so wie im übrigen Österreich und Mitteleuropa die jährliche Pfarrfirmung zuzulassen. Davon unbeschadet können doch die Visitationen weiterhin im achtjährigen Intervall durchgeführt, sowie in allen Dekanaten oder großen Kirchen regelmäßige Messen mit Jugendlichen gefeiert werden. Das Festhalten an diesem ständischen Brauchtum stellt leider weiterhin die Kirche in das Licht des gnädigen Zuspiels der Mächtigen im dörflichen Kontext, was in der gesellschaftlichen Landschaft Kärntens zwar noch immer Rückhalt hat, aber doch nicht gerade ausgerechnet von der Kirche am Leben erhalten werden muss – schon gar bei der Initiation von Jugendlichen!

Wenn ich nun noch etwas über den Universitätsbetrieb und die gängige Auffassung theologischen Lehrens und Forschens sage, so scheint das von unseren Gemeinden und der kirchlichen Praxis weit weg zu sein. Universitäres Leben, das wir in Kärnten gar nicht haben, gebiert Jahr für Jahr Lieblingsthemen von Lehrenden und Studierenden, wie die tausendste Diplomarbeit zu Genderfragen oder singuläre Arbeiten zum mittelalterlichen Klosterbetrieb. Theologische Forschung und pastoraler Bedarf sind meist entkoppelt. Aber wenn selbst bei technischen Studien der Bedarf der Wirtschaft an das Studium rückgebunden wird, wieso können nicht von der pastoralen Praxis aus Fragen an die theologische Forschung gestellt werden? Warum z.B. gibt nicht die Bischofskonferenz einen dotierten Forschungsauftrag an die Kirchengeschichtsinstitute, um Gründe und Ursachen heutiger Kirchenfeindlichkeit zu erforschen, etwa in der 1848er Revolution oder im Ständestaat – um dann eine angemessene Strategie zu entwickeln ? Warum gibt es keine Anfrage nach einer theologischen Antwort auf die Evolutionstheorie? Warum keinen Auftrag, eine moderne Sakramententheologie zu entwickeln, die z.B. für das Ehesakrament realistische und zeitgemäße theologische und pastorale Zugänge freilegt? Ich halte die Fokussierung auf das Kirchenrecht, also auf die Frage, was erlaubt ist und was nicht, für eine unstatthafte Denkbremse, denn die Rechtsprechung muss doch dem als sinnvoll erkannten Tun folgen und nicht umgekehrt.
Mit dieser bereits bei anderen Gelegenheiten vorgetragenen Anregung ist selbstverständlich die Bereitschaft zu verbinden, dann den gelieferten Forschungsergebnissen Rechnung zu tragen und pastorale Entscheidungen und Schwerpunktsetzungen danach zu orientieren.

Sonntag, 14. Oktober 2012

Entgegnung zur Pfarrerinitiative

Schon der Name.
Der Name ist verräterisch.
Pfarrerinitiative, nicht Priesterinitiative.

Die Proponenten verstehen sich nicht von der Priesterweihe her, wo sie ihrem Bischof Gehorsam versprochen haben, also von ihrem religiösen Amt her: Hiereus – sondern von der öffentlichen Position des Pfarrers aus, der wie ein pragmatisierter Beamter eine öffentliche Ordnungsfunktion beansprucht. Was sie fordern, fordern sie nicht fürs Heiligtum und den Dienst dort, sondern für ihre bürgerliche Position.
Zwar fordern sie etwas für die Priesterweihe – aber es ist ihnen nicht um die Heiligkeit der Priester zu tun, nicht um die Verbesserung ihres Dienstes am Heiligtum, nicht um die Heilung der Menschen, sondern um ihre Zahl. Es geht ihnen um die Quantität. Obwohl von der Eucharistie geredet wird, steht weder die Heiligung der Priester noch die Heiligung der Gemeinde im Fokus, sondern ihre Quantität und Verfügbarkeit.
Der erste Schritt der Analyse der Agitation der Pfarrerinitiative lenkt somit den Blick auf das Priesterbild. Er wird klar von seiner bürgerlichen Funktion her gesehen, nicht von der Inanspruchnahme vom Opfer Christi, das Hingabe bedeutet, Hingabe als Selbstüberantwortung an das nehmende und gebende Geschehen Gottes, als Sich-zur-Verfügung-Stellen an die den Tod ins Leben umwandelnde Kraft des eucharistischen Opfers Christi, für und mit der Gemeinde. Das von der Wurzel Hiereus erstehende Priesterbild betont das Unabsehbare des Wandlungsereignisses. Das vom Presbyter aufgebaute Priesterbild betont dagegen die öffentliche Position des Amtsdieners, sein Ansehen und seine Geltung, die administrativen Aufgaben des Pfarramts, die Sonntagspflicht wie die vorgesehene und korrekte Persolvierung der Sakramente.

Mein zweiter Einwand gegen die Agitation der Pfarrerinitiative bemängelt, dass sie ihre Forderungen an die Kirchenleitung richtet. Das Verständnis des Priesteramts soll von den Zulassungskriterien neu definiert werden. Die Unauflöslichkeit der Ehe sei umzuschreiben. Sakramentenlehre und Kirchenrecht sollen neu aufgesetzt werden. Papst und Bischöfe hätten sich ihren Forderungen zu fügen. Sie selbst aber, die Fordernden, blieben unverändert und würden ihr Ansehen und ihren Einfluss steigern.
Diese Agitation ist pharisäisch und selbstgerecht. Sie fordert von anderen, was sie selbst verweigert. Sie beschwört die Krise zum eigenen Vorteil. Jeder kirchliche Misserfolg, jeder Engpass, jede Sanierungsmaßnahme wird von ihnen genussvoll mit Hohn überschüttet. Sie suggerieren, mit ihren Forderungen an die Kirchenleitung eine Alternative zu haben. Auf diese Weise haben sie sich mit dem Scheitern verbündet.

Ich fordere hingegen von den Vertretern der Pfarrerinitiative, selbst durch seelsorgliche Maßnahmen für die Weckung von Priesterberufungen zu sorgen. Ich fordere von ihnen Begleitung von Ehepaaren und qualifizierten Beistand in Krisen, sowie die Schaffung von Betreuungseinrichtungen für Paare und Familien. Ich fordere von ihnen Gebetserziehung ihrer Gemeinden, auch wenn das auf Kosten ihres Macher-Images geht. Schließlich fordere ich von ihnen Gehorsam gegenüber Christus, der sich bis zum Kreuz liebevoll in den Dienst für Menschen und für Gott gestellt hat, anstatt Petitionen an den Hohen Rat in Jerusalem zu richten, und zugleich fordere ich ihre Absage an Eitelkeit und Geltungssucht. Wie sagte Mutter Teresa zu dem kritischen Journalisten, der sie fragte, was sich in der Kirche ändern solle? Sie und ich.

Mein dritter Einwand richtet sich gegen den Versuch, Verfügung über den Heiligen Geist zu erlangen. Die Vocatio ist ein intimes Ereignis zwischen dem Gerufenen und dem Rufer. Das vertrauensvolle Ertasten und Erschließen des von Gott gewirkten Lebenssinns braucht Geduld, Hingabe und Offenheit. Dafür zu sorgen wäre eine wichtige Aufgabe für die Gemeindeseelsorge, die mit Kindern und Jugendlichen, Männern und Frauen Charismen aufspürt und ihnen zur Entfaltung verhilft. Stattdessen läuft die Agitation der Pfarrerinitiative darauf hinaus, diese Aufgabe abzukürzen und durch die situationsangepasste eigenmächtige Umformulierung über die Berufungen Verfügung zu erlangen. So macht sie aus der Eucharistie einen Konsumartikel, auf den der Gläubige einen Anspruch geltend machen könnte. Einschränkungen dieses Anspruchs sollen beseitigt werden, sowohl auf Seiten des Konsumenten wie auch auf Seiten des Amtsträgers, der zum Produzenten oder Lieferanten wird, um die sakramentale Gegenwart des Herrn jederzeit und überall abholbar zu machen, unabhängig von Stand und Lebensform. Wenn bürgerliche Kreise Demokratisierung und Kommerzialisierung der Gegenwart Gottes auf diese Art vorantreiben, dann können sie auf Popularität rechnen, denn genau so funktioniert ja auch unsere industrielle Massengesellschaft.

Mir scheint aber, dass hier die Dimensionen verwechselt werden und eine geistige Unordnung vorliegt. Ich sehe das im Zusammenhang der geistesgeschichtlichen Entwicklung Europas in der Neuzeit. Da hat das kirchliche Lehramt zwar besorgt die Veränderungen im Weltbild der Naturwissenschaften beobachtet, aber die Verbürgerlichung hat unter der Hand die Wesensvollzüge der Kirche verändert. Die bislang umfassendste Verwirklichung der Bürgerkirche war die sogenannte Volkskirche der Nachkriegszeit, wo beinahe die ganze Population durch Rituale in eine quasireligiöse Form gezwängt wurde. Diese verlorene bürgerliche Geschlossenheit möchte die Pfarrerinitiative nun mittels ihres Forderungskatalogs unter konsumistischen Vorzeichen wieder herstellen. Ich halte ihre Anliegen für reaktionär und rückwärtsgewandt und obendrein für bequem und theologisch einfältig. Vielleicht sind sie aber auch nur ein Rechtfertigungsversuch für pastorale Erfolglosigkeit oder ein Versuch zur Wiedererlangung von Macht und gesellschaftlicher Bedeutung ehemals bedeutender Amtsträger.
Anstatt ein leer und oberflächlich gewordenes Gemeindeleben durch solche Notmaßnahmen künstlich zu verlängern, investiere ich lieber Geist und Phantasie in die Verlebendigung des Glaubenslebens, und ich sehe dafür mehr als genug Möglichkeiten, gerade in unserer spannenden Zeit!

Mittwoch, 23. Mai 2012

Messianische Kirche

Anstelle bürgerlicher Anpassung steht hier die Freiheit einer Individualkirche. Die Gemeinde orientiert sich an einer Menschenbildung, die auf persönliche Begabungen und Situationen eingeht. Talenteförderung bei Kindern und Erwachsenen, Begegnungen auch abseits kirchlicher Zonen, Kooperationen mit kreativen Geistern – das alles birgt natürlich auch ein Risiko, aufs falsche Pferd zu setzen.
Messianische Gemeinden haben nicht hierarchische, sondern egalitäre Strukturen. Statt Anschaffer und Ausführende gibt es hier gleichberechtigt Tätige, die miteinander beraten, ihre Fähigkeiten einsetzen und ihre Schwächen ausgleichen. Anstatt wohlerworbener Rechte stehen hier die persönliche Begabung und das Interesse an der Sache. Den Zusammenhalt bildet die sonntägliche Eucharistiefeier. Wir haben gesehen, wie Menschen ihre Stimmen bilden, um vorzusingen oder die Lesung mit Gefühl und Klarheit vorzutragen. Kreative Begabungen werden sichtbar am selbst hergestellten Messgeschirr oder am liturgischen Gewand. Selbst Fremde und Neue merken sofort, wie die Mitarbeiter miteinander umgehen und mit welcher Freude sie sich einbringen.

In den Evangelien meint οχλος eine Menschenmenge – und Jesus hat sich zuweilen abgewandt von denen, die Forderungen erheben und feste Erwartungen haben. Wo aber von Gläubigen gesprochen wird, die nach Gottes Willen fragen und suchen, steht λαος, Auserwählte. Da geht es nicht um Zahl oder Abstammung, sondern eher um das Ereignis der Versammlung. Eine messianische Gemeinde, das ist keine bestimmte soziale Gruppe, sondern die Präsenz gottsuchender Menschen in Erwartung seiner Gegenwart

Freitag, 18. Mai 2012

Bürgerkirche

Hier soll eine Geisteshaltung beschrieben werden, die bürgerlich ist, aber für typisch katholisch gehalten wird. Zunächst springt die Anpassung ins Auge, durch die sich größere Gruppen bilden können. Man hütet sich, aufzufallen oder als Einzelner hervorzutreten. So hat vor Zeiten ein Volkskirche-Populismus entstehen können. Aber Jugendliche wollen sich selten an Verhaltensnormen Erwachsener orientieren. Höflichkeit, Dankbarkeit und Pflichtgefühl binden ja auch Erwachsene kaum mehr.
Wer aufgegeben hat, für Jugend in der Kirche zu kämpfen, begnügt sich also lieber mit dieser immer älter werdenden Volkskirche.
Nur scheinbar widerspricht der Angepasstheit die pfarrliche Eigenbrötelei, die schon die Nachbargemeinde zu Fremden macht. Fehlende Zusammenarbeit verschwendet die ohnehin knappen personellen und geistigen Ressourcen, aber es ist bequemer.
Im bürgerlichen Denken spielen gesellschaftliche Positionen eine große Rolle. Macht und Hierarchie, Ansehen und Geltung bestimmen daher auch das Leben bürgerlicher Kirchengemeinden. Eine moderne Spielart davon ist die Lagerhaltung der Christen als linke oder rechte Katholiken, was sich in den letzten Jahren auch im Kärntner Klerus formiert. Das traditionelle Bürgertum spielt in der Gesellschaft kaum mehr eine Rolle, es hat sich zum massendemokratischen Konsumismus gewandelt. In der Kirche äußert sich das im Anspruchsdenken von Christen, die ein schönes Begräbnis oder eine hübsche Hochzeit bestellen wollen, ohne irgendeine kirchliche Einstellung zu haben. Auch mit den Priesterberufungen möchte man so umgehen, indem man die Bedingungen so ändert, dass man über sie verfügen kann.

Aktuelle Beiträge

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Oh das ist schön, wenn die sonntägliche Eucharistiefeier...
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Sonntag Die Kirchenglocken läuten, die Messe beginnt. Raunen...
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Im Suq der Medina von Kairouan. Ein sehr stimmungsvoller...
weichensteller - 20. Aug, 07:25
Hallo Schlagloch!
Ich glaube, der Sandhaufen ist immer noch da. Nicht...
weichensteller - 16. Aug, 11:56
Hallo Weichensteller!...
habe ich genauso in Erinnerung wie auf deinen Fotos....
SCHLAGLOCH - 15. Aug, 15:16

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Zuletzt aktualisiert: 24. Aug, 07:57

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